10.08.2022 | Johanniter-Schwesternschaft e.V.

Antrittsrede Ordensoberin

Ordensoberin Dorothee Lerch

Nieder-Weisel am 25.05.2022

Liebe Frau Ordensoberin Andrea Trenner, sehr verehrter Herr Vorsitzender, sehr verehrte Mitglieder des Vorstands, sehr verehrte Mitglieder des Verwaltungsrates, liebe Mitschwestern, liebe Fördermitglieder, sehr geehrte Damen und Herren,

wir haben einen ganz besonderen Schwesterntag erlebt. Nach zwei Jahren Pandemie ist es ein großes Glück einander in unmittelbar persönlichem Kontakt begegnen zu können. Wir haben gestern gemeinsam einen bewegenden Gottesdienst gefeiert, 13 Frauen wurden vom Herrenmeister zur Johanniterschwester ernannt und in unsere Gemeinschaft aufgenommen. Schwester Beate Wogawa, Pflegedirektorin am Johanniter-Krankenhaus Genthin-Stendal, ist zur Oberin ernannt worden und unsere Ordensoberin Andrea Trenner wurde feierlich von ihrem 23 Jahre währenden Amt entpflichtet. Der Herrenmeister hat mir dieses Amt übertragen, es ist mir eine ganz große Ehre. Ich bin mir bewusst: Mit diesem Amt sind hohe Erwartungen verbunden. Ich werde all meine Kraft daransetzen, meine Fähigkeiten zum Wohle der Schwesternschaft und des Auftrages des Ordens einzusetzen.
Oberin Andrea Trenner hat über Jahre hinweg mit Begabung und Kraft, kompetent in der Sache und emphatisch für das Gegenüber die Schwesternschaft in eine moderne Gemeinschaft geführt, die sich den aktuellen Fragen der Gesellschaft und der professionellen Pflege stellt, geprägt vom christlichen Menschenbild. Pflege ist in den vergangenen zwanzig Jahren zunehmend in eine strukturelle Schieflage geraten. Eine Pflege, die Anerkennung, Schutz, Zugehörigkeit und Integrität aller zu wahren weiß, ist dadurch zunehmend erschwert. Ordensoberin Andrea Trenner hat die Schwesternschaft unter diesen Voraussetzungen weiter entwickelt durch Qualifizierung, Stärkung der fachlichen und persönlichen Kompetenzen der Schwestern sowie Reflexion und Austausch. Hierfür sprechen wir Dir, liebe Andrea, unsere große Anerkennung und unseren Dank aus. Persönlich haben mich die Impulse von Ordensoberin Trenner meine gesamte Zeit als Johanniterschwester begleitet. Im Jahr 1997, damals war Andrea Trenner noch in der Funktion der Schulleitung der Johanniter Pflegeschule in Bonn tätig, wurde mir nicht nur die Erlaubnis zum Tragen der Berufsbezeichnung „Krankenschwester“ erteilt (so war zu dieser Zeit die Bezeichnung), sondern eine selbstbewusste Haltung für diesen Beruf mit auf den Weg gegeben. Kurze Zeit später hieß es für mich: auf zu anderen Ufern, genauer gesagt, an die englische Südküste. Von den Erfahrungen in der Pflege dort profitiere ich noch heute. Wieder zurück in meiner Heimatstadt Bonn, war ich 7 Jahre auf einer interdisziplinären Intensivstation tätig, einer Einrichtung eines anderen kirchlichen Trägers. Über ein Studium des Pflegemanagements an einer katholischen Hochschule in Köln hat sich ein neues berufliches Feld eröffnet. Seit 2008 bin ich im Gemeinsamen Bundesausschuss tätig, derzeit als Referentin. Auch wenn somit die vergangenen Jahre nicht unmittelbar pflegerisch geprägt waren, sind die Anknüpfungspunkte zur Schwesternschaft immer von Bestand geblieben.

Die Schwesternschaft ist eine Gemeinschaft, die Rückhalt gibt, gerade in Krisenzeiten, wie wir sie im Moment erleben. Die Tracht und die Brosche mit dem achtspitzigen Kreuz sind äußere Zeichen unserer Verbundenheit. Bescheidenheit vor Gott, Geduld im Leben, Temperamentkontrolle, Zivilcourage in der Öffentlichkeit, anderen verzeihen können, Aufrichtigkeit sich selbst und anderen gegenüber, sich auf Deeskalation verstehen und Ungerechtigkeit aushalten können, das sind acht Haltungen, (hier in eine moderne Übersetzung unseres Ordensdekans) die Orientierung bieten. Als Schwesternschaft des Johanniterordens verfolgen wir das Ziel nach dem christlichen Menschenbild Kranken, Pflegebedürftigen und Menschen mit Behinderung zur Seite zu stehen. Dies verwirklichen Johanniterschwestern in verschiedenen, meist pflegerischen Gesundheitsfachberufen. Sie fördert als geistliche Gemeinschaft gegenseitige Begegnung und Begleitung, gibt Impulse für die persönliche und berufliche Entwicklung, verantwortet Bildungsangebote. Dies dürfen wir an den Schwesterntagen durch den Austausch mit Gleichgesinnten unmittelbar erleben. Dieser Rückhalt in der Gemeinschaft kann in besonderer Weise befähigen mit christlicher Gesinnung Verantwortung im beruflichen und gesellschaftlichen Kontext zu übernehmen und den Doppelauftrag des Ordens zu leben. Seit 17 Jahren wird die Schwesternschaft dabei vom Förderverein unterstützt, auch den Freunden und Förderern der Schwesternschaft gilt unser besonderer Dank. Sie tragen mit ihrer beständigen Unterstützung maßgeblich zur Verwirklichung der Aufgaben der Schwesternschaft bei. 
Mit der COVID-19-Pandemie ist der Wert der Gesundheitsversorgung in den Fokus der öffentlichen Wahrnehmung gerückt. Der Begriff „systemrelevant“ ist plötzlich jedem geläufig, auch in Verbindung mit den beruflich Pflegenden. An Stelle der Vorstellung von Pflege als dienende, aufopfernde und selbstlose Tätigkeit braucht es aber gezielter Kompetenzen, die beruflich Pflegende dazu befähigen, komplexe Pflegesituationen und Herausforderungen im Pflegealltag professionell zu lösen. Um kompetent auf die pflegerischen, medizinischen und sozialen Herausforderungen reagieren zu können, braucht es eine Personalausstattung, die bedarfsgerecht erhoben wird, angemessene Gehälter und interessante Entwicklungsmöglichkeiten für unterschiedliche Qualifikationen. Deshalb ist es wichtig, dass wir selbst in der Veränderung von Strukturen aktiv sind. Nicht zuletzt können wir beruflich Pflegende aller Fachbereiche und Ebenen die Entwicklung in der Pflege immer wieder in die Diskussion bringen und zu einer Veränderung wesentlicher Fragestellungen beitragen. So werden wir uns dafür einsetzen, Nachwuchs für den Beruf der Pflege zu gewinnen und später Pflegende auch nach der Ausbildung langfristig im Beruf zu halten. Hierzu ermutigt und unterstützt die Schwesternschaft Pflegende, die Möglichkeiten der Akademisierung und Weiterentwicklung im Pflegeberuf zu nutzen. Diese Vielfalt ist eine Chance und es gilt selbstbewusst für die Zukunft der Pflegeausbildung und berufspolitische Fragestellungen kompetent und überzeugend einzutreten. Die Schwesternschaft unterstützt die "Freiwillige Registrierung beruflich Pflegender". Durch eine freiwillige Registrierung machen wir nach außen eine beständige Kompetenzerweiterung und ein interessiertes und aktives Berufsverständnis deutlich und beteiligen uns an dem Aufbau wichtiger Daten zur Profession Pflege.

Dies erfüllt in verantwortlicher Weise den Dienst an Menschen mit Beeinträchtigungen durch Krankheit, Alter oder Behinderung in unserer Gesellschaft.

Der Respekt vor der Würde und Individualität der Menschen die wir pflegen, ist für uns eine Selbstverständlichkeit. Die Tugenden aus den Seligpreisungen der Bergpredigt geben uns in unserem täglichen Handeln Orientierung und Kraft. Der gelebte Doppelauftrag des Ordens „tuitio fidei et obsequium pauperum“ verbindet die Schwesternschaft und die Werke des Ordens. Die Johanniter-Schwesternschaft begründet ihre Arbeit im christlichen Glauben und in der Tradition des Ordens. Anpassung an die Anforderungen der Zeit ist dabei kein Widerspruch. Die aktive Verbindung zu den Genossenschaften und den Werken des Ordens will ich weiter pflegen und entwickeln, zur Realisierung unserer gemeinsamen Aufgaben und Ziele.
Ich freue mich auf die Aufgaben als Ihre Ordensoberin und lade Sie dazu ein, sich aktiv an dem Erhalt und der Zukunft einer lebendigen und verantwortlich handelnden Schwesternschaft einzubringen.

Ihre
Dorothee Lerch