22.06.2022 | Lacrima - Zentrum für trauernde Kinder in München und Rosenheim

20 Jahre Begleitung für trauernde Kinder

Lacrima wurde 2002 in München gegründet. Inzwischen gibt es die Johanniter-Trauerbegleitung an über 20 Standorten bundesweit.

Bei den Lacrima-Gruppenstunden erleben Kinder, dass ihre Trauer natürlich und wichtig ist. Und dass sie sich nicht schuldig zu fühlen brauchen, wenn sie auch mal fröhlich sind.

Bei einem Kinderzeltlager lernte Tobias Rilling vor 20 Jahren einen kleinen Jungen kennen, der gerade seinen Vater verloren hatte. Als er dann nach Hilfsangeboten für trauernde Kinder suchte, musste er feststellen: In München gab es keine.

„Der Junge wirkte so, als hätte er schreckliches Heimweh, doch wie sich herausstellte, war es Trauer“, erinnert sich Rilling. „Wir waren sehr betroffen und versuchten, die Situation pädagogisch zu meistern. Darum boten wir eine Fackelrunde für die Kindergruppe des Jungen an. Es war berührend zu erleben, welch große Solidarität, Zuwendung und Verständnis er von den anderen Kindern bekam und wie viel Druck dadurch von ihm abfiel.“

Gemeinsam mit Ehrenamtlichen gründete Tobias Rilling dann 2002 nach einer Ausbildung zum Lebens- und TrauerbegleiterLacrima (lateinisch für Träne) und bot erste Gruppenstunden an. „Ziel war es, ohne eigene Betroffenheit ein fachlich fundiertes pädagogisches Konzept anzubieten, um Kinder und Jugendliche, die ein enges Familienmitglied verloren haben, einfühlsam und zugleich kompetent durch ihre Trauer zu begleiten.“

Johanniter seit 2007 Träger von Lacrima

Fünf Jahre später übernahm die Johanniter-Unfall-Hilfe die Trägerschaft von der Evangelischen Jugend und das Münchner Lacrima-Team half, dass an immer mehr Standorten bundesweit Ehrenamtliche ausgebildet und eine Trauerbegleitung angeboten werden konnte – ermöglicht wurde dies durch zahlreiche Spender sowie die Fördermitglieder der Johanniter. Heute gibt es alleine in der Region München 11 Lacrima-Gruppen. Bundesweit begleiten die Johanniter mittlerweile an über 20 Standorten trauernde Kinder und Familien. Rund 255 Menschen haben sich bislang bei den Johannitern in der Trauerbegleitung für 1600 Kinder und Familien engagiert.

Spezielle Räume für trauernde Kinder und ein besonderes Konzept

Im Jahr 2016 bezog das Lacrima-Team in München mit Hilfe einer privaten Stiftung erstmals Räume, die speziell und dauerhaft auf die Bedürfnisse trauernder Kinder und ihrer Angehörigen ausgerichtet sind. Im Gruppenraum erleben trauernde Kinder, dass sie mit ihrem Schicksal nicht alleine sind, im Snoozleraum können sie sich zurückziehen, im Kreativraum kann Trauer durch Kreativität verarbeitet werden und im Aktivraum darf auch mal die Wut herausgelassen werden.

Bei all der Entwicklung ist eines geblieben: das Konzept. „Bei uns bekommen betroffene Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, gleich welcher Nationalität, religiöser, ethnischer und sozialer Zugehörigkeit, einen geschützten, vertrauensvollen Raum, um mit ihrem Verlust umzugehen“, erzählt Tobias Rilling. „Bei den Gruppentreffen alle 14 Tage werden sie mit Achtsamkeit von geschulten Ehrenamtlichen begleitet.“ Kinder trauern anders als Erwachsene, weiß der 57-Jährige. „Manchmal sind Kinder richtig sauer auf den Verstorbenen, weil dieser sie verlassen hat. Gerade jüngere Kinder drücken ihr Leid nicht unbedingt durch Weinen aus, sondern sehr viel über Spielen, Malen, Schreien und Toben. Manche schlafen schlecht, haben keinen Appetit mehr, ziehen sich zurück oder sind plötzlich aggressiv.“ Bei Lacrima geben die Johanniter den unterschiedlichen Bedürfnissen einen Rahmen. Etwa durch Erlebnisse in der Natur oder mit Tieren, in den Ruhe-, Aktiv- und Kreativräumen und bei Gesprächen. Die Kinder und Jugendlichen erleben dabei, dass andere Gleichaltrige in einer ganz ähnlichen Situation stecken; das bringt Erleichterung.

Freunde vermeiden das Thema Tod und Trauer oft aus Hilflosigkeit

Freunde und Klassenkameraden können sich meist nicht in die Situation der Trauernden hineinversetzen und vermeiden das Thema aus Hilflosigkeit oder aus falscher Rücksichtnahme. Den eigenen Familienmitgliedern wollen viele Kinder mit ihrem Schmerz nicht zusätzlich zur Last fallen, schließlich sind diese oft in ihrer eigenen Trauer gefangen und können den Kindern nicht die Unterstützung geben, die sie in dieser Extremsituation benötigen. So sind viele mit ihrem großen Kummer und ihren Gefühlen wie Trauer, Wut, Hilflosigkeit, Niedergeschlagenheit und Schuld ganz allein und verbergen diesen nicht selten hinter einer scheinbar unbeschwerten Fassade. „Diese verdrängte Trauer kann krank machen“, erklärt Tobias Rilling. „Sie kann zu inneren Blockaden, zu Aggressionen gegen andere oder sich selbst, zu Trennungsängsten und Entwicklungsrückschritten, also zuvielerlei psychischen und physischen Beeinträchtigungen führen und das Leben nachhaltig negativ beeinflussen.“ Genau hier setzt Lacrima an.

„Die Kinder erfahren, dass Trauer natürlich und wichtig ist. Und dass sie sich nicht schuldig zu fühlen brauchen, wenn sie auch mal fröhlich sind. Durch all dies kann jedes Kind in Ruhe den richtigen Weg für sich finden, seine Trauer zu bewältigen und seinen schweren Verlust auf gesunde Weise ins weitere Leben zu integrieren“, so Rilling, der mit seinem ehrenamtlichen Team während der Gruppenstunden auch die Angehörigen berät und ihnen die Möglichkeit gibt, sich miteinander auszutauschen.

Jubiläumsgottesdienst und Fest mit Lacrima-Botschafterin Petra Reiter

Zum 20-jährigen Jubiläum findet für Freunde, Familien und Förderer am 25. Juni um 12:30 Uhr ein Gottesdienst mit Stadtdekan Dr. Bernhard Liess in der Giesinger Lutherkirche statt, bevor es mit einem Jubiläumsfest am Lacrima-Zentrum in der Perlacher Straße 21 weitergeht. Mit dabei wird auch Petra Reiter sein. Die Lacrima-Botschafterin und Ehefrau des Münchner Oberbürgermeisters sagt anlässlich des Jubiläums: „Den Gründern, Diakon Tobias Rilling und seinem Team, ist es zu verdanken, dass die Begleitung trauernder Kinder und Jugendlicher an Bedeutung gewonnen hat. Die Trauer aus der Tabuzone der Familie und in einen gesellschaftlichen Kontext zu setzten, ist im Umgang mit dieser heftigen Grenzerfahrung enorm wichtig. Kinder brauchen jemanden, der die Trauer und den Schmerz versteht und nicht gleich eine Lösung parat hat, sondern aushält und dadurch Wege aus der Trauer in das Leben zeigt. Das macht das Team der Johanniter bei Lacrima.“