05.06.2020 | Standort Ingolstadt

Ehrenamtlicher Organtransport-Fahrer Max Springl im Interview

Bei den Johannitern denkt man zunächst einmal an Pflege oder Rettungsdienst. Wie kam es dazu, dass du in diesem besonderen Bereich des Organtransports tätig bist?

„2013 kam erstmals eine Anfrage von der Deutschen Stiftung Organtransplantation, ob wir einen Transport unterstützen könnten. Ich weiß noch, dass die Fahrt von München nach Erlangen ging. Ich fand den Auftrag interessant, da ich gerne Auto fahre und das Thema Organspende für sehr wichtig halte. Über die Jahre hat sich die Beziehung zur DSO dann weiter ausgebaut und intensiviert.“

Die Fahrten sind also nicht auf das Verbandsgebiet Oberbayern beschränkt?

„Nein, denn Spenderorgan und Empfänger kommen in den seltensten Fällen aus der gleichen Region. Im Jahr 2019 haben in Deutschland gerade einmal 932 Personen ihre Organe postmortal, also nach dem Tod, zur Spende freigegeben. Die Warteliste ist aber um ein Vielfaches länger. Bei den wenigen Organen, können zwischen Spender und geeignetem Empfänger auch schon mal Landesgrenzen liegen. Manchmal fahren wir daher auch in die Niederlande oder nach Slowenien.“

Wie läuft so ein Organtransport ab?

 

„Eine Organspende ist nur möglich, wenn der irreversible Hirnfunktionsausfall zweifelsfrei festgestellt wurde. Dazu gibt es genaue Richtlinien der Bundesärztekammer. Zudem muss eine Zustimmung zur Organspende vorliegen. Diese hat beispielsweise der Verstorbene in einem Organspendeausweis dokumentiert oder die Angehörigen entscheiden nach dessen vermuteten Willen. Dann wird geprüft, welche Organe für eine Transplantation infrage kommen. Die Zuteilung an die Empfänger erfolgt über die internationale Vermittlungsstelle Eurotransplant. Von der DSO, die die gesamte Spende koordiniert, bekommen wir telefonisch den Auftrag, das Organ abzuholen.

Dann geht alles recht schnell. In der Klinik übergibt uns der Koordinator der DSO das Organ - gut gesichert und gekühlt in einer speziellen Organtransportbox verpackt. Anschließend geht es auf die Reise zur Zielklinik.“

Und wenn du kurzfristig mal verhindert bist?

„Dann findet sich immer jemand, der die Fahrt übernehmen kann. Natürlich ist mal jemand im Urlaub, krank oder muss arbeiten. Wir machen das ja alle ehrenamtlich. Bei den Johannitern in Oberbayern haben wir ein Team von zehn Fahrern. Auf langen Strecken sind wir ohnehin immer zu zweit unterwegs, damit sich immer abwechselnd einer ausruhen kann.“

Gibt es einen Zeitplan für die Fahrt?

„Je nach Organ und Zustand beträgt die Haltbarkeit zwischen vier und 24 Stunden. Die Schwierigkeit ist, dass wir die Zielklinik zwar möglichst schnell, aber mit entsprechender Vorsicht erreichen müssen. Eine Vollbremsung oder zu starke Fliehkräfte bei schnellen Kurvenfahrten könnten das Organ beschädigen. Wenn es notwendig ist, dürfen wir während des Transports auch mit Blaulicht fahren. Das erleichtert uns das Vorwärtskommen in stark befahrenen Streckenabschnitten. Pausen machen wir nur zum Tanken oder für den Fahrerwechsel. Eine Einkehr auf dem Rasthof würde nur wertvolle Zeit kosten.“

Kann die Fahrten jeder Führerscheininhaber durchführen?

„Ein Führerschein der Klasse B ist die Grundvoraussetzung, reicht aber noch nicht aus. Für die anspruchsvollen Fahrten setzen wir ein Mindestalter von 21 Jahren und damit einige Fahrpraxis voraus. Außerdem erhalten die Ehrenamtlichen ein Fahrsicherheitstraining und spezielle Blaulichtschulungen sind verpflichtend.“

Mit welchen Fahrzeugen führt ihr die Transporte durch?

„In Ingolstadt haben wir einen VW-Bus, Modell T6. Der ist besonders praktisch, wenn wir neben dem Organ auch Ärzteteams transportieren. Oft sind wir mit Teams von vier Personen plus Gepäck unterwegs, dann brauchen wir viel Platz. Außerdem haben wir noch einen Audi A4. Der ist aber schon in die Jahre gekommen und soll bald durch ein neueres Fahrzeug ersetzt werden. Dazu sind wir aber noch auf weitere Spenden angewiesen.“

Das heißt, ihr befördert auch Menschen zwischen den Kliniken?

„Ja, denn bei Herz- und Lungentransplantationen führt die Explantation, also die Entnahme des Organs, und die Transplantation dasselbe Team durch. Daher müssen auch die betreffenden Ärzte die Klinik wechseln und begleiten dabei das Organ auf seiner Reise.“

Fahrt ihr auch bei länderübergreifenden Transporten die ganze Strecke mit dem Auto?

„In einigen Fällen reisen die Ärzteteams mit dem Flugzeug an und wir sind dann das Shuttle vom Flughafen zum Krankenhaus. Unser Einsatz wird vorher angemeldet und dann dürfen wir in der Regel ohne Sicherheitscheck direkt aufs Flughafengelände fahren. Befindet sich kein ziviler Flughafen in der Nähe, landen die Jets auch auf Militärflughäfen. Daran sieht man den hohen Stellenwert, den das Thema Organspende genießt. Da werden alle Hebel in Bewegung gesetzt. Länderübergreifend, ob zivil oder militärisch spielt keine Rolle.“

Gab es ein Erlebnis, das sich dir besonders eingeprägt hat?

„Bei der Anlieferung stand einmal ein Mann hinter mir in der Klinik und hat gefragt, ob das Organ in der Box für ihn bestimmt sei. Aber Informationen über Spender und Empfänger bekommen wir gar nicht. Das ist auch gut so, da man weitestgehend Distanz wahren muss. Ansonsten nimmt einen das Thema zu sehr mit, wenn man sich mit persönlichen Details der Betroffenen beschäftigt.“

Was würdest du dir zum Tag der Organspende wünschen?

„Dass sich jeder mit dem Thema Organspende befasst, eine Entscheidung trifft und diese im Organspendeausweis festhält.“

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