07.11.2022 | Dienststelle Stuttgart

800.000 Minuten Beistand in den dunkelsten Zeiten

Ein viertel Jahrhundert Krisenintervention der Johanniter in Stuttgart

Da sein. Mut machen. Kraft spenden. Zuhören. Einen geschützten Raum anbieten. Helfen, wenn man selbst verzweifelt ist und kein Licht mehr in der Dunkelheit sieht. In den schlimmsten Stunden steht das Kriseninterventionsteam (KIT) der Johanniter Menschen bei und unterstützt mit viel Feingefühl die Betroffenen bis sie sich wieder etwas stabiler fühlen. Bis das Soziale Netzwerk aktiviert ist. Bis die Unmacht weniger Macht über sie hat.

Seit 25 Jahren erfüllen die dreizehn Ehrenamtlichen ihre Aufgabe mit viel Leidenschaft und Hingabe. Bestens ausgebildet und immer einsatzbereit. „Seit unserer Gründung 1997 hatten wir rund 7.000 Alarmierungen und 18.000 Klienten“, berichtet Dr. Ralf Oberfell, Leiter des Johanniter-KIT. „Unsere Einsätze sind nicht zeitlich begrenzt. Wir bleiben so lange wie es notwendig ist. Das ist unser oberstes Gebot. Wir möchten Sicherheit geben“, fährt Oberfell fort. 800.000 Minuten reine Betreuungszeit direkt mit dem Klienten kamen so in einem viertel Jahrhundert zusammen. Die Dienstbereitschaft übersteigt diese Zahl um ein Vielfaches, da das KIT 24/7 an 365 Tagen ehrenamtlich im Dienst ist. Dies bedeute natürlich auch ein großes Entgegenkommen der Partner*innen und Familien wie auch der Arbeitgeber, damit ein solch wichtiges Ehrenamt überhaupt angeboten werden kann. „Ein großes Dankeschön an dieser Stelle. Wir erfahren ein sehr großes Vertrauen und es freut mich, dass wir die Möglichkeit bekommen, in diesem Umfang helfen zu können. Wir haben 24-h-Schichten und sind an den Stuttgarter Rettungsdienst angegliedert. Die Integrierte Leitstelle alarmiert uns, damit wir uns um Angehörige und Augenzeugen kümmern können.“ Solche Fälle sind bspw. nach einem Todesfall im häuslichen Bereich oder während/nach einer Reanimation, nach einem Suizid/–versuch, nach dem Verlust eines Kindes (Plötzlicher Kindstod), während und nach der Überbringung einer Todesnachricht durch die Polizei, bei Gewaltdelikten wie häusliche Gewalt, Vergewaltigung, Tötungsdelikte oder Raubüberfall sowie schwere Unfälle im Straßenverkehr, Schienen- und Busunfälle.

Das Stuttgarter KIT arbeitet sehr eng mit Kooperationspartnern wie dem Bevölkerungsschutz der Stadt Stuttgart, der Feuerwehr und Polizei sowie mit der Stuttgarter Straßenbahnen zusammen. Bei den Feierlichkeiten zum 25-jährigen Jubiläum am 29. Oktober waren daher zahlreiche Vertreter eingeladen, die ebenfalls ihren Dank und ihre Wertschätzung den Teammitgliedern überbrachten. Auch ein bundesweites Netzwerk existiert, so dass während der Flutkatastrophe in Ahrweiler auch Mitglieder aus dem Stuttgarter Johanniter-KIT in das Krisengebiet zur Unterstützung gefahren sind. „Wir bekommen sehr viel Dank auch gerade von der Bevölkerung. Katastropheneinsätze wie in Ahrweiler 2021 oder Amokläufe wie in München 2016 zeigen wie wichtig, neben der körperlichen Notfallrettung, die Psychische-Erste-Hilfe ist. Traumaauslösende Ereignisse sind vielfältig und gerade in der Akutphase ist es wichtig, unmittelbare Unterstützung zu erfahren. Wir Menschen sind empfindsame Wesen und unsere Psyche ist ein wichtiger Baustein unserer Gesundheit. Ich bin sehr froh, dass dieser Bereich immer mehr Relevanz in unserer Gesellschaft findet und ernst genommen wird. So können langfristig Folgeerkrankungen gemildert oder evtl. sogar vermieden werden“, erklärt Dr. Oberfell und selbst Mitglied seit 18 Jahren weiter.

Mit ein Grund warum das Johanniter-KIT nach wie vor weitere ehrenamtliche Helfer*innen sucht. Wichtige Voraussetzungen sind: mind. 24 Jahren, PKW-Führerschein und mindestens zwei Jahre Fahrpraxis, Stabile Persönlichkeit und Lebenssituation, keine Berührungsängste mit den Themen wie Sterben, Tod und Trauer, Sensibilität, Toleranz und Verlässlichkeit und Interesse am Umgang mit Menschen.

„Unsere ehrenamtlichen Helfer*innen werden sehr intensiv auf die Einsätze vorbereitet und ausgebildet“, erklärt Ralf Oberfell. In der Regel dauert die Ausbildung um ein Jahr. Dazu gehören eine medizinische Ausbildung mindestens zum Sanitätshelfer sowie das Absolvieren der Grund- und Aufbaumodule mit ca. 110 Unterrichtseinheiten. Inhalte sind darin u.a. Psychische-Erste-Hilfe, Trauer, Psychotraumatologie, Stressbearbeitung, Besondere Einsatzsituationen, uvw. Ein ganz wesentlicher Bestandteil ist die Hospitationsphase, in der erfahrene Kollegen bei Einsätzen begleitet werden, um Einsatzerfahrung zu sammeln. Daran anschließend folgt die Mentorenphase bei der die Auszubildenden durch ein erfahrenes Teammitglied begleitet werden, während dem Einsatz und zur Nachbesprechung zu Verfügung stehen. „Für unsere ehrenamtliche Einheit ist die Teilnahme an regelmäßigen Supervisionen essentiell und Voraussetzung. Genauso aber auch das Dabei sein bei Teamabenden und regelmäßigen Fortbildungen“, zeigt Ralf Oberfell auf.

 „Wir führen regelmäßige Infoabende durch, bei denen wir das Ehrenamt nochmal ausführlich erklären, Raum für Fragen ist und wir kennengelernt werden können. Wer Interesse hat, kann gerne dabei sein“, lädt Dr. Oberfell ein. Interessierte können sich über www.johanniter.de/kit-stuttgart informieren oder sich direkt an kit.stuttgart(at)johanniter.de wenden.

Abschließend gibt Dr. Oberfell noch einen Ausblick auf die Zukunft: „Für die nächsten 25 Jahre haben wir uns viele Ziele gesetzt: Wir möchten weiterhin Ehrenamtliche akquirieren und ausbilden, um damit die Anzahl an Teammitgliedern zu erhöhen. Außerdem werden wir die Zusammenarbeit mit unseren Partnern in und um Stuttgart weiter ausbauen und stärken. Das wichtigste strategische Ziel ist es, einen Rahmen für ein starkes Ehrenamt bei den Johannitern zu bieten. Dadurch ermöglichen wir es, dass Freiwillige dieses Ehrenamt mit Engagement ausüben und Menschen in ihren schwersten Stunden beistehen können."