Liebe, Verlust und Worte, die gebraucht werden: eine bewegende Buchvorstellung
„Man sollte zwei Dinge öffnen: sein Herz und ein Buch. Mit dieser Lesung möchte ich beides tun“, so begann Karl Heinz Kristel seine Buchvorstellung im Ehrenamtszentrum der Johanniter.

„Hört nicht auf mit mir zu lachen. Annekathrin hat Krebs“, heißt der autobiographische Roman, in dem Karl Heinz Kristel die Krankheit seiner verstorbenen Ehefrau schildert. Eingeladen zu der Lesung hatte der Ambulante Hospizdienst der Johanniter. Die Koordinatorinnen Jasmin Heinecke und Anika Jagodzinski begrüßten die Gäste – viele von ihnen ehrenamtliche Hospizbegleiterinnen und –begleiter – und führten durch den Abend.
Als Kind erfährt Karl Heinz Kristel einen Verlust: Der Ort, wo er mit seinen Freunden spielt, auf Bäume klettert und Butzen baut, fällt einer neuen Autobahn zum Opfer. Karl Heinz Kristel trauert um sein Abenteuerland und verfasst ein Gedicht. Viele Jahre später wird er wieder Zuflucht im Schreiben finden. Zuerst aber führt Karl Heinz Kristel ein bewegtes, prall gefülltes Leben. Er wird Krankenpfleger, später Lehrer und Rektor an Krankenpflegeschulen, ist an verschiedenen Orten in Deutschland und der Schweiz tätig. Zwei Töchter hat er mit seiner Ehefrau Annekathrin, einer Palliativschwester.
Annekathrin. „Hört nicht auf mit mir zu lachen“, ist auch eine Liebeserklärung an sie. Es beschreibt ihren Humor, bewundert ihre Empathie und ihre Geduld. Karl Heinz Kristel empfindet sie als Vorbild im Umgang mit ihrer Krankheit, zeigt ihren Weg zur Akzeptanz auf. Es beginnt plötzlich: Beim gemeinsamen Mittagessen wird Annekathrin auf einmal schwindlig, schafft kaum den Weg nach Hause. Wenig später kommt die Diagnose: Krebs in den Bronchien mit vielen Metastasen, unter anderem im Kopf.
Karl Heinz Kristel gab bei der Lesung einen Einblick in seinen authentischen Erfahrungsbericht und ließ die Zuhörenden teilhaben an dem Sturm an Emotionen, den die Familie durchlebt. Er erzählte von Panik und Verzweiflung, vom Unbegreiflichen der tödlichen Krankheit, schilderte Momente, in der all das über Annekathrin und ihre Angehörigen hereinbricht: Das Gespräch mit dem Arzt, der die Diagnose erkundet. Das Treffen mit den Töchtern, als beide von der Krankheit ihrer Mutter erfahren und die Fassung verlieren. Die Qualen der Chemotherapie, zu der sich Annekathrin überreden lässt. Der Versuch, Normalität zu wahren, als die Familie Weihnachten feiert. Aber auch von Hoffnung erzählte der Autor, personifiziert durch das neugeborene Enkelkind.
Annekathrin verstirbt 2014. Drei Jahre später beginnt Karl Heinz Kristel mit seinem Buch. „Ich habe es gebraucht, das niederzuschreiben, was ich erlebt habe“, sagte er. Viele, die zur Lesung am 2. November gekommen waren, haben es gebraucht, ihm zuzuhören.