16.09.2022 | Dienststelle Ortsverband Wunstorf-Steinhuder Meer

Michael Merz: „Der Rettungsdienst macht Hausbesuche.“

Besuch bei den Johannitern: Landespolitikerin Wiebke Osigus (SPD) und Steffen Krach, SDP Unterbezirksvorsitzender Hannover, sprachen mit Michael Merz, Fachbereichsleiter Rettungsdienst, über eine Vielzahl von Problemen im Rettungsdienst

Zu Besuch auf der Rettungswache in Wunstorf: Die Johanniter Thomas Silbermann (li.) und Michael Merz (2. von re.) gingen mit Steffen Krach (SPD-Unterbezirksvorsitzender), Landespolitikerin Wiebke Osigus und Martin Ehlerding, SPD-Fraktionsvorsitzender im Wunstorfer Stadtrat, ins Gespräch. Foto: JUH/Heun

Der Rettungsdienst ist schnell, verlässlich, qualifiziert – und stark belastet. Gleich mehrere Probleme erschweren seit Jahren das System der Notfallrettung. Der SPD-Unterbezirksvorsitzende Steffen Krach und die Landtagsabgeordnete Wiebke Osigus (SPD) nahmen sich gestern Zeit, um am Johanniter-Standort in Wunstorf ins Gespräch mit Michael Merz, Fachbereichsleiter Rettungsdienst im Ortsverband Wunstorf-Steinhuder Meer, und dem Ortsbeauftragten Thomas Silbermann zu gehen. Es ging um Bagatelleinsätze, überlastete Krankenhaus-Notaufnahmen, den Unterschied zwischen Krankentransport- und Rettungsfahrten, die unzureichende Bekanntheit des ärztlichen Bereitschaftsdienstes unter 116117 – und um einen dicken Ordner mit rund 500 Knöllchen.

Johanniter Michael Merz kam schnell auf den Punkt: „Unser Problem ist nicht die Zahl der zur Verfügung stehenden Rettungsmittel, sondern die zunehmende Verschwendung dieser Ressource.“ Die Zahl der wirklich lebensrettenden Notfalleinsätze sei seit Jahren stabil, ansteigen würden aber die so genannten Bagatelleinsätze. Michael Merz konnte ein aktuelles Beispiel liefern: „Heute Morgen wurde wir zu einem Arbeitsunfall gerufen. Dort hatte sich jemand eine Schürfwunde am Kopf zugezogen. Auf die Frage, warum man dafür den Rettungsdienst bräuchte, kam die Antwort, dass dies vom Unternehmen so vorgegeben sei.“ Rückenschmerzen, Kopfweh, Husten seit zehn Tagen… Mitarbeitende im Rettungsdienst begegnen tagtäglich Krankheitsbildern, die beim Hausarzt oder über den ärztlichen Bereitschaftsdienst besser aufgehoben wären. Landtagspolitikerin Wiebke Osigus wusste, wovon der Johanniter sprach. Sie hatte vor drei Wochen den Rettungsdienst einen Tag lang begleitet und dabei die gesamte Spannbreite vom Bagatelleinsatz bis hin zur Lebensrettung erlebt. Wiebke Osigus: „Es war ein sehr erlebnisreicher Tag, der Handlungsbedarf aufgezeigt hat.“

Gründe für die komplexe Problemlage gibt es viele. Michael Merz: „Hausärzte sind oft nicht leicht zu erreichen und machen immer weniger Hausbesuche. Der ärztliche Bereitschaftsdienst, erreichbar unter 116117, ist nicht bekannt genug. Wenn man dort durchkommt, ist die Hotline gerade für ältere Menschen zu kompliziert zu bedienen. Dann wird lieber die 112 gewählt im Wissen, dass der Rettungsdienst garantiert und schnell kommt.“ Für die eigene Rettungswache in Wunstorf hatte Michael Merz die Einsätze 2022 gesichtet. Eine Erkenntnis: „In mehr als 200 Fällen wurde von uns vor Ort sogar nur eine Beratung gewünscht.“ Solche Einsätze würden nicht nur Zeit kosten, sondern die hoch qualifizierten Rettungsdienstmitarbeitenden nachhaltig frustrieren.

Ähnlich problematisch seien für den Rettungsdienst die überlasteten Notaufnahmen der Krankenhäuser. Es passiere durchaus, dass ein Patient aus Wunstorf mit dem Verdacht eines Schlaganfalls aufgrund abgemeldeter Krankenhäuser in direkter Nähe bis nach Laatzen gebracht werden müsse. Das koste wertvolle Zeit. Gleiches würde für die Nutzung des Rettungsdienstes für Krankentransporte gelten, beispielsweise wenn gehbehinderte Menschen aus Krankenhäusern oder Arztpraxen nach Hause gebracht werden müssen. „Und wie sehen die Lösungen aus?“, fragte Steffen Krach. „Die Bekanntheit der Rufnummer 116117 des ärztlichen Bereitschaftsdienstes muss gesteigert werden“, forderte der Johanniter-Ortsbeauftragte Thomas Silbermann. Möglicherweise helfe auch der Einsatz von Telemedizin. Das gemeinsame Fazit: Viele Probleme, komplexe Strukturen, zahlreiche Akteure. Der einstündige Austausch machte deutlich, wie groß die Herausforderungen sind.

Zum Schluss packte der Fachbereichsleiter Rettungsdienst noch einen dicken Leitzordner auf den Tisch. „Das sind alles Geschwindigkeitsüberschreitungen, die auf der Rettungswache Garbsen seit Jahresbeginn eingefahren wurden“, erklärte er. Weil die Fahrzeuge mit Sonder- und Wegerechten unterwegs waren, müssen die Knöllchen nicht bezahlt, wohl aber bearbeitet werden – ein immenser Zeitaufwand sowohl für die Rettungswachen, als auch für die zuständigen Behördenmitarbeiter. „Und überall steht Regionspräsident drüber“, sagte Steffen Krach, seit fast einem Jahr Regionspräsident in der Region Hannover. Er versprach eine zeitnahe Lösung.