Der Feiertag: Einspieler der Liebe und Gnade Gottes in unser Leben – eine Predigt zum 3. Gebot
„Gedenke des Sabbattages, dass du ihn heiligst." So steht es im 2. Buch Mose. Es ist das Motiv des wieder "Zurechtbringens" des Menschen, des Luft zum Atmen Gebens. Eine Predigt von Pastor Ralf Reuter.
„Gedenke des Sabbattages, dass du ihn heiligst. Sechs Tage sollst du arbeiten und alle deine Werke tun. Aber am siebenten Tage ist der Sabbat des Herrn, deines Gottes. Da sollst du keine Arbeit tun, auch nicht dein Sohn, deine Tochter, dein Knecht, deine Magd, dein Vieh, auch nicht dein Fremdling, der in der Stadt lebt. Denn in sechs Tagen hat der Herr Himmel und Erde gemacht und das Meer und alles, was darinnen ist, und ruhte am siebenten Tage. Darum segnete der Herr den Sabbattag und heiligte ihn.“
So steht es im 2. Buch Mose im 20. Kapitel. Der Herr segne dieses Wort.
Liebe Großfamilie der Ritterorden, Du sollst den Feiertag heiligen, dies Gebot zielt auf nichts Anderes als auf die Ewigkeit. Mit nichts Geringerem haben wir es hier zu tun. Am Sonntag, in unserer christlichen Tradition dem Tag der Auferstehung von Jesus Christus, kommt uns so etwas wie das Ziel allen Lebens nahe, der Himmel Gottes mit seiner Ruhe.
Es lohnt, sich die gewaltige Kraft und Dynamik dieses Gebotes einmal räumlich vorzustellen. Da bricht aus dem Himmel die ganze göttliche Ruhe heraus und ergießt sich auf die Erde. Dringt in unsere Welt hinein, mitten in die Arbeitswelt und unterbricht einen Tag der Woche.
Nimmt unsere Aktivität gefangen, und füllt sie mit dem Atem Gottes, will uns wieder zurechtbringen. Ruft uns auf, auch unseren Mitgeschöpfen diesen Tag zukommen zu lassen, denn Gott hat ihn selber begangen und geheiligt.
Im Sonntag feiern wir das Ruhen Gottes, halten selber diese Ruhe und nehmen mit dieser Ruhe, als ersten Tag der Woche, wieder Anlauf zu unserer Arbeit für den weiteren Lauf der Woche. Eine bei Gott abgeschaute und von ihm geschenkte Rhythmisierung der Woche, von Kraft schöpfen und Kraft schenken.
Motiv der Relativierung von menschlichen Lebenszielen
In diesen Rhythmus spielen viele weitere biblische Motive hinein, angefangen von Tag und Nacht, der kleinsten Einheit, über Sonntag und Alltag zum Sabbatjahr alle sieben Jahre. Ein Motiv ist das wieder zurechtbringen des Menschen, ihm Luft zum Atmen zu geben und ihn nicht einer gnadenlosen Leistungsanforderung auszusetzen. Sonntag und Sabbatical sind Geschenke, die helfen.
Es spielt aber mehr hinein. Es ist auch wohl so etwas wie die Relativierung von menschlichen Lebenszielen. So wie Gott mit seinen Werken erst am Sabbat zur Ruhe kommt, so der Mensch mit seinem Leben und seinen Zielen in der Ewigkeit.
Die große Exodusgeschichte zeigt das sehr schön: Mose erreicht das gelobte Land - das große Ziel - nicht. Das gelobte Land, der von Gott versprochene Landbesitz, wird mit derselben griechischen Vokabel katapausis, Ruheort, benannt, wie Gottes Ruhezustand nach dem Vollenden des Werkes der Schöpfung (Klaus Berger).
Das gelobte Land, das Lebensziel, liegt also nicht irgendwo auf Erden, sondern bei Gott. Das ist Reduzierung von übersteigerten menschlichen Plänen, als ob man das Lebensziel selber hinbekäme und erreichen könnte. Zugleich Trost und Zuspruch, sich mit dem Relativen, dem Fragmentarischen des eigenen Schaffens abzufinden.
Der Sonntag erinnert uns so, nicht hochmütig auf ein eigenes Bild in der Galerie der Geschichte hinzuarbeiten (Karl Popper), sondern mit Ehrlichkeit und auch Demut uns einzusetzen, für diese Welt, für unseren Nächsten.
In der Ruhe des Sonntags spiegelt sich schon die Ewigkeit, das einst bei Gott sein
Zugleich, das sagt uns der Hebräerbrief deutlich, wir haben hier keine bleibende Stadt, wir sind Gäste und Fremdlinge auf Erden, sind Gäste auf einem schönen Stern, wie mein Hamburger Lehrer Helmut Thielicke das im Titel seiner Lebenserinnerungen schrieb. In der Ruhe des Sonntags spiegelt sich schon die Ewigkeit, die himmlische Ruhe, das einst bei Gott sein.
Es ist für uns der Tag der Auferstehung, der Grund der Hoffnung, dass mit dem Tod nicht alles aus ist. Im Abendmahl, in der Eucharistie, sitzen wir schon einmal am Tisch Gottes, den er für uns bereithält.
Im Kirchgang erinnern wir uns an Gottes Vergebung, die er für uns bereithält, und werden gehalten, auch unseren Schuldnern zu vergeben. Mit der Ruhe der Ewigkeit zieht bei uns auch etwas von der Vollendung Gottes ein. Das Versöhnen der Schöpfung, das Befrieden der Völker und die Einheit seiner Kirche.
Wir gehen nicht dem Alter, der Dunkelheit entgegen, sondern dem Licht, dem Sonnentag Gottes
Der Sonntag verrät uns noch etwas vom Ziel des Lebens. Mit fortschreitendem Leben kommen wir diesem Ziel näher. Wir gehen keineswegs dem Alter entgegen, dem Abbruch, der Dunkelheit, sondern mit dem Sonntag immer dem Licht, dem Sonnentag Gottes. Dies wird uns besonders in der tatsächlichen Not, in der Hinfälligkeit unserer menschlichen Gesundheit zum Trost.
Es überschneiden sich hier die Welten. Unser Leben auf Erden, und schon darin der Anbruch des ewigen Lebens. Wir bleiben menschlich und sind darin schon umfangen vom Göttlichen, leben in dieser Welt, aber nicht von der Welt, immer in der Bewegung nach vorne.
Der Sonntag, der Feiertag, selbst das Sabbatjahr, das sind Tröster, sind einen wieder Zurechtbringer, Einspieler der Liebe und Gnade Gottes in unser Leben. Und sind darin immer Treiber, die einen durch die göttliche Ruhe wieder auf den Weg bringen wollen.
Es gibt hier auf Erden keinen Ruhestand, schon gar nicht mit 65 Jahren oder so. Das bringt uns völlig aus dem Rhythmus von Ruhe und Arbeit, wie die Ruheständler, die nicht einmal am Sonntag Zeit haben, weil sie den Rhythmus nicht mehr einüben. Der Ruhestand kommt nach diesem Leben.
Hier haben wir uns den Herausforderungen zu stellen, mit der uns möglichen und von Gott geschenkten Kraft, in jedem Alter. Die Gelassenheit dazu gibt die göttliche Ruhe mit dem Feiertag, aus ihr heraus bleiben wir in Bewegung.
Wie sollen wir den Sonntag leben?
Doch liebe Familie der Ritterorden, wie sollen wir denn nun diesen Sonntag in der vorfindlichen realen Welt leben? Wie finden wir diesen Ruhetag, Feiertag, heiligen Tag, „dass wir allein Gott in uns wirken lassen“, wie Martin Luther schon 1520 fragt? Wie können wir auch bei uns Gott vorangehen lassen mit seiner Ruhe und sie zum Schwungrad der Woche werden lassen? Wie finden wir den Frieden Gottes in unseren Sorgen und Nöten? Wie üben wir hier schon einmal unser eigenes Ende auf Erden ein, um klug zu werden, gelassener, freier und hilfsbereiter?
Liebe Schwestern und Brüder, ich weiß nicht, wie das gehen kann. Ich kann nur von der Verheißung des Sonntags, von diesem Gebot, den Feiertag zu heiligen, erzählen. Von dieser Gottesgabe, auch heute, solange die Erde besteht, so lange das Leben gewährt. Ich will mir auch die Beschreibung des heutigen Alltags des Sonntags ersparen. Will da keinen Spott und Hohn verbreiten, nicht sitzen, wo die Spötter sitzen. Dazu ist der Tag viel zu kostbar.
Ich will nicht zurück zu alten Zeiten, obgleich ich immer wieder davon träume. Vom Einläuten des Sonntags am Vortage, von der sonntäglichen Stille, vom sonntäglichen Kirchgang, der Sonntagskleidung. Vom Sonntagsbraten, vom sonntäglichen Mittagsschlaf, vom Kaffeetrinken mit Kuchen im Kreis der Familie oder bei Verwandten, Freunden, vom Sonntagsspaziergang. Vom Tag der Kontemplation, vom Hören der Bach-Kantate, vom Lesen eines guten Buches, vom Krankenbesuch, von Konzert und Museum, vom Spielen mit Kindern und Enkeln, die geistliche Vorbereitung der Woche.
Und das Weitergehen durch die kirchlichen Feste des Jahres, vom Advent über Weihnachten, über Passion und Fastenzeit zu Karfreitag und Ostern, über Christi Himmelfahrt zu Pfingsten, Erntedankfest, Allerseelen, Ewigkeitssonntag. Und von Jahr zu Jahr zu den eigenen Festen des Geburtstages als Gottesgabe, der Jahrestage zu Taufe, Trauung, Jubiläen, der Feier der Beerdigung.
Ob es das alles wirklich einmal gab oder das auch nur eine nachträgliche Romantisierung ist? Ich habe das zumindest in den Jahren, als die Kinder noch klein waren, in meiner Landgemeinde erleben dürfen. Vielleicht ging es im Pfarrhaus leichter. So wie es im Orden leichter geht, unsere Ritterorden sind ja immer auch geistliche Orden.
Mit Zwang geht es nicht – neue Wege finden
Bei uns allen, unterschiedlich intensiv, ist noch etwas davon da, der Sonntag, vielmehr das Wochenende, ist frei, noch kennen wir vieles davon und versuchen, es zu leben. Vielleicht war es immer schon nur in Teilen da, in der Relativität allen Hinbekommens auf Erden. Mit Zwang geht es nicht, wie schön, sich hier an das Jesuswort zu erinnern, der Sabbat ist für den Menschen da.
So füllt uns Gott auch an diesem Wochenende mit seiner Ruhe, er spricht in unsere neue Zeit hinein, er ist nicht abhängig von ganz bestimmten Formen der Kultur. Die Messe, der Gottesdienst, das Wort, die Predigt, und das Gebet, dies wird bleiben, bleiben müssen, in welcher Ausgestaltung auch immer. Hier mahnt uns das Gebot, nicht nachzulassen, neue Wege zu finden. Denn mit dem Sonntag bricht seine Ewigkeit zu uns hinein. Da können wir doch gar nicht anders als uns mitnehmen zu lassen auf dem Weg des ewigen Lebens.
Und der Friede Gottes, welcher höher ist denn alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus, Amen.
Predigt: RR Pastor Ralf Reuter
Die Predigt fand statt im Rahmen einer ökumenischen Andacht des Einkehrtages des Johanniter- und Malteserordens, des Deutschen Ordens und des Ritterordens vom Hl. Grab zu Jerusalem am 26. Oktober 2019 in der kath. Pfarrkirche St. Paulus-Augustinus.
Der Text wurde übernommen aus dem Kommende-Kurier der Hamburgischen Kommende des Johanniterordens.