Derya

Derya arbeitet als Pflegeassistentin im Johanniter-Stift Köln-Flittard.

Sie hätten mir auch den Schmuck von Lady Di bringen können

„Ich habe meinen Mann zwei Mal geheiratet. Beim ersten Mal war ich 15, beim zweiten 18 Jahre alt. Wie es dazu kam, ist eine Geschichte für sich.

Unsere Familien kommen aus der Türkei. In unserer Kultur ist es mit der Partnerwahl etwas anders. Die Eltern wollen immer ein Wörtchen mitreden. Ibrahim und ich kannten uns nur vom Sehen. Es war seine Mutter, die ein Auge auf mich geworfen hatte. Also kamen seine Eltern zu uns und hielten sozusagen um meine Hand an.

Nach dem Treffen fragten meine Eltern mich, was ich von Ibrahim halte. Ehrlich gesagt fand ich ihn ziemlich gutaussehend. ‚Ja, ich kann es mir vorstellen‘, war meine Antwort. Wir haben uns dann öfter getroffen und uns gleich gut verstanden. Als die Ferien kamen, fuhr seine Familie in den Urlaub. Sie wollten mich gern mitnehmen, doch so einfach war das bei uns nicht. Also haben wir beschlossen, schon mal standesamtlich zu heiraten, nur auf dem Papier. Die Hochzeitsfeier sollte nach unserer Rückkehr stattfinden.

Der gemeinsame Urlaub war zwar schön, doch als ich wieder zuhause war, bekam ich Zweifel. ‚Ich habe es mir anders überlegt‘, verkündete ich meinen Eltern. Obwohl es schon ein Kleid gab, einen Raum für die Feier, viele Geschenke von Ibrahims Familie usw. Doch sie hätten mir auch den Schmuck von Lady Di bringen können, ich wollte einfach nicht mehr. Mein Vater hörte mir zu, dann sagte er: ‚Derya, egal was ist, du musst dich nicht gezwungen fühlen.‘ Also wurde die Hochzeitsfeier abgesagt, die Ehe wieder geschieden.

Drei Jahre später trafen Ibrahim und ich uns zufällig wieder. Wir gingen einen Erdbeershake trinken und stellten fest, dass wir uns noch immer gut verstanden. Doch dieses Mal war ich älter und reifer. Und jetzt wollte ich doch! Also gab es eine zweite, richtige Hochzeit – mit Henna-Abend, Brautschmuck und dem schönsten Brautkleid – wie bei Lady Di! Das war vor 31 Jahren, so lange schon sind wir eine Familie.“

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‚Ich werde wieder Mama‘, beichtete ich.

Blonde Frau in einem dunkelblauen Oberteil und offenen Haaren. Hinter ihr eine Nebensrtaße mit Büschen, Hecken, einem Auto und Eingängen zu Vorgärten.

„‚Mädchen, ich muss euch etwas sagen!‘ Vor zehn Jahren ist in unserer Familie etwas passiert, womit wir alle nicht gerechnet hatten. Unsere drei Töchter waren zu diesem Zeitpunkt schon Teenager, aus dem Gröbsten waren sie längst raus. Ein paar Jahre zuvor hatten Ibrahim und ich noch darüber gesprochen, ob wir ein viertes Kind wollen. Wir fanden immer, dass ein Kind eine gemeinsame Entscheidung sein sollte. Ich hatte damals schon Lust, nochmal Mama zu werden, doch Ibrahim war unentschlossen, also entschieden wir uns dagegen.

Jetzt war ich 40 Jahre alt. Und stellte fest, dass ich unverhofft schwanger war. Zuerst nahm ich meine Töchter zur Seite. Ich war richtig nervös! Es war mir wichtig, was sie davon halten. ‚Ich werde wieder Mama‘, beichtete ich. Erst waren sie etwas schockiert, doch dann haben sie sich sehr gefreut. Wir saßen da und haben zusammen geweint, vor Glück. Jetzt mussten wir es nur noch dem Papa beibringen. Der ist erstmal vom Hocker gefallen und hat es gar nicht geglaubt. Doch dann hat auch er sich riesig gefreut. Als unser Überraschungsgästchen da war, war er noch viel aufgeregter als ich!

Er war bei Almiras Geburt dabei, so wie auch schon bei den anderen drei Töchtern. Ibrahim ist wirklich ein toller Papa. Wenn seine Töchter rufen, ist er immer da. Und natürlich ist er auch ein bisschen der Hahn im Korb, mit fünf Frauen zuhause.

Ich bin sehr glücklich, dass wir Almira haben – unser Überraschungskind. Auch, wenn ich beruflich erst mal eine Pause einlegen musste. Doch so richtig stillsitzen konnte ich noch nie. Ich habe immer einen Weg gefunden, etwas dazuzuverdienen. Jetzt bin ich wieder in meinem alten Job als Pflegeassistentin im Johanniter-Stift Köln-Flittard tätig. Es ist toll, wieder in dem Haus zu arbeiten, das ich mit aufgebaut habe, als es damals neu eröffnet wurde.“

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Wenn man seine Vorfahren leugnet, hat man keine Zukunft.

Kopf und Schultern einer lächelnden blonden Frau in einem dunkelblauen Oberteil

„‚Wenn du in die Schule gehst, sprichst du Deutsch‘, haben meine Eltern gesagt, als ich ein Kind war. Zuhause aber haben sie Türkisch gesprochen. Sie wollten, dass wir unsere Wurzeln kennen. Ich bin ja in Deutschland geboren. Meine Eltern aber kamen als Gastarbeiter in dieses Land. Sie waren noch jung, gerade frisch verheiratet. Mein Vater wollte eigentlich nach Australien auswandern. Doch meine Mutter hatte gehört, dass es dort viele Schlangen gibt. ‚Wir fahren nach Deutschland oder nirgendwohin!‘, hat sie gesagt. Und sie bestand darauf, als erste hinzufahren. Damit er nicht auf die dumme Idee kam, sie zurückzulassen. Sie war eine Frau, die genau wusste, was sie will!   

In unserem Zuhause hat es immer viel Liebe gegeben. Meine Eltern haben nie gestritten, zumindest nicht in meiner Erinnerung. Stattdessen sagten sie einander Gedichte auf. Später fand ich heraus, dass es ihre Art war, miteinander zu diskutieren, ohne dass die Kinder es mitbekamen. Ein Gedichts-Battle, wirklich romantisch!

Für ihre Generation waren meine Eltern sehr liberal. Ich hatte viele Freiheiten und das Gefühl, ohne Begrenzungen aufzuwachsen. Natürlich gab es Werte, die ihnen wichtig waren. Zum Beispiel Respekt und Hilfsbereitschaft. Älteren Menschen zu helfen, zum Beispiel, indem man ihnen die Einkäufe nach Hause trägt, war in meiner Jugend ganz normal. Vielleicht ist das auch ein Grund, warum ich diesen Beruf gewählt habe.

Es ist mir wichtig, dass meine Kinder wissen, wo ihre Wurzeln sind. Wenn man seine Vorfahren leugnet, hat man keine Zukunft. Genauso wichtig ist es, andere Menschen zu respektieren. Wir sind gläubige Moslems. Ich trage die Religion in meinem Herzen, auch wenn ich nicht fünfmal am Tag bete. Dass meine beiden ältesten Töchter mit Christen verheiratet sind, ist für mich überhaupt kein Problem. Sie sind glücklich, also bin ich es auch.“

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