08.03.2023 | Johanniter GmbH

Pflege ist nicht nur Frauensache

Zum Weltfrauentag spricht Pflegedirektorin Ute Pocha der Johanniter-Kliniken Bonn über die Pflege.

  1. Nur knapp jede fünfte Pflegekraft ist laut statistischem Bundesamt männlich. Dass Pflege Frauensache ist, wird also auch von Zahlen bestätigt. Aber warum ist das so?
    Pflege ist traditionell ein Frauenberuf. Das liegt wohl daran, dass Frauen immer noch die größere Empathie und das größere Pflegeverständnis aufgrund ihrer Mutterrolle zugeschrieben wird. Aber es tut sich da etwas. Vor 60 Jahren gab es wohl fast keine männlichen Pflegekräfte. Es gab „Schwesternschulen“ und zu denen hatte männliche Bewerber keinen Zutritt. Heute zeigt sich uns ein anderes Bild.
  2. Ein junger Mann, der den Berufswunsch des Pflegefachmanns äußert, läuft nicht selten Gefahr, auf Vorurteile zu treffen. Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?
    Meine Erfahrung zeigt: Männliche Auszubildende oder auch männliche Pflegekräfte treffen keineswegs auf Vorurteile. Was wir allerdings erleben, ist, dass sie sich weitaus häufiger in Führungspositionen oder in den technischen Berufsfeldern der Pflege, wie im OP und der Intensiv-Anästhesie, etablieren.
  3. Was könnte getan werden, um mit Klischees und veralteten Geschlechterrollen hinsichtlich der Berufswahl aufzuräumen?
    In allen sozialen Berufen -  ein Bespiel sind Kindergärtnerinnen und Kindergärtner -  gibt es prozentual viel weniger männliche Kollegen. Ein Schritt, dies zu verändern, denke ich, ist eine Veränderung der Verdienstmöglichkeiten, um den Beruf auch ökonomisch interessanter zu machen.
  4. Gibt es Bereiche im Pflegeberuf, in denen Männer vielleicht sogar Vorteile gegenüber ihren weiblichen Kolleginnen haben? Stichwort: körperliche Anstrengung in der Pflege.
    Natürlich gibt es einen Unterschied zwischen Männern und Frauen in Bezug auf die Kraft und körperliche Belastbarkeit. Aber nach vielen Berufsjahren haben die weiblichen wie die männlichen Kollegen paritätisch die gleichen körperlichen Beschwerden.
  5. Im Pflegeversicherungsgesetz ist in § 2 zum Thema Selbstbestimmung festgeschrieben: „Wünsche der Pflegebedürftigen nach gleichgeschlechtlicher Pflege haben nach Möglichkeit Berücksichtigung zu finden.“  Der Anteil männlicher Pflegebedürftiger beträgt immerhin knapp 40 Prozent.
    Natürlich sind die Pflegenden bemüht, wenn ein solcher Wunsch geäußert wird, diesen zu erfüllen. Aber ehrlich gesagt, angesichts des Pflegenotstandes in Deutschland ist es trotz aller Bemühungen nicht möglich, einen gesetzlichen Anspruch in dieser Form zu erfüllen.
  6. Wie beurteilen Sie die Rolle von Schulen in Hinblick auf die Berufsorientierung, gerade auch was Pflegeberufe angeht? Wo und in welcher Weise sehen Sie Verbesserungsbedarf?
    Ich denke, es wäre schon mal ein Anfang gemacht, wenn wir mehr Werbung mit Fotos oder Videos mit männlichen Pflegekräften machen würden. Der „Girls and Boys Day“, der ja dazu gedacht ist, die klassische Berufswahl durch Hospitationstage mit Einblick in den Beruf zu verändern, spielt auch eine wichtige Rolle. Positiv auswirken sollte sich auch, wenn wir mehr mit den Entwicklungsmöglichkeiten im Pflegeberuf werben würden. Genau das müssen wir in den Schulen aufzeigen, am besten durch unsere eigenen Mitarbeitenden.