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20.03.2024

Von der Bankerin zur Flüchtlingshelferin aus Überzeugung

Tamasha Sherstyuk berät Menschen aus der Ukraine

Tamasha Sherstyuk berät einen Mann aus der Ukraine.

Braunschweig. In Braunschweig leben zurzeit laut Angaben der Stadt Braunschweig rund 3.300 Ukrainerinnen und Ukrainer, die Schutz vor dem Krieg in ihrer Heimat suchen. Seit dem Ausbruch des Krieges hat sich eine breite Unterstützung von staatlichen Stellen, Hilfsorganisationen und der Zivilbevölkerung formiert, um den Schutzsuchenden das Ankommen in Deutschland zu erleichtern. Eine Helferin der ersten Stunde ist Tamasha Sherstyuk.

Gleich zu Beginn des Krieges von Russland gegen die Ukraine kam sie zur Notunterkunft (NUK) in der Stadthalle, die die Johanniter-Unfall-Hilfe e.V. (JUH) im Auftrag der Stadt Braunschweig betrieb. Die gebürtige Ukrainerin war ein echter Glücksfall. Warmherzig, engagiert und fix darin, sich in neue Inhalte einzuarbeiten, packte sie gleich mit an. Im Sozialdienst kümmerte sie sich um die Betreuung der Menschen in der NUK. Hilfe bei Anträgen, Bekleidung beschaffen oder einfach ein offenes Ohr: Tamasha Sherstyuk half, wo es nötig war. „Ich sah das Elend, das der Krieg über meine Heimat gebracht hatte, und wollte einfach so gut es geht meine Landsleute hier in Deutschland unterstützen“, erzählt die studierte Betriebswirtin über ihre Motivation. Über zwei Jahre ist ihr Start als Flüchtlingshelferin nun schon her, doch die Aufgabe hat sie nicht mehr losgelassen. Der Krieg dauert an, aber auch ihre Hilfe für Geflüchtete bricht nicht ab.

Nach dem Schließen der NUK in der Stadthalle, dolmetscht sie für das Jobcenter. Danach geht es für sie weiter beim Deutschen Roten Kreuz (DRK). Heike Blümel von der DRK-Sprungbrett gGmbH, einer Tochterfirma des DRK Kreisverbandes Braunschweig-Salzgitter, die Tamasha Sherstyuk über ihre Arbeit bei den Johannitern kennengelernt hat, holt sie als Mitarbeiterin in das zur Flüchtlingsunterkunft umfunktionierte Vienna Hotel. Nach dem Ausscheiden des DRK als Betreiber der Unterkunft kommt Tamasha Sherstyuk nach kurzer Pause als Beraterin für Geflüchtete ins Beratungsbüro Ukraine, das an die DRK-Kaufbar in der Helmstedter Straße angegliedert ist. Zuerst wird die Stelle vom DRK finanziert. Dann bekommen die Johanniter Gelder von der NDR-Benefizaktion „Hand in Hand für Norddeutschland“ für die Beratung von ukrainischen Kriegsvertriebenen. Für das nächste halbe Jahr ist so die Stelle gesichert. „Wir hatten die Förderung einer Beratungsstelle über die Diakonie zugwiesen bekommen und da das DRK über Räumlichkeiten und bereits umfassende Erfahrungen in diesem Bereich verfügte, sind wir auf sie zugekommen“, so JUH-Vorstand Dirk Gähle. Ein gutes Beispiel für die unbürokratische, unkomplizierte und schnelle Zusammenarbeit von Hilfsorganisationen, von der er überzeugt ist. „Wir gehen hier eine Kooperation um der Sache willen ein, um das Beste für diese Menschen auf der Flucht vor Krieg und Zerstörung herauszuholen“, unterstreicht Heike Blümel, die beim DRK unter anderem für die Flüchtlingsarbeit zuständig ist.

Mit ihrer neuen Tätigkeit hat Tamasha Sherstyuk ihre berufliche Bestimmung gefunden. Denn eigentlich kommt sie aus einer ganz anderen Branche. Nach dem Betriebswirtschaftsstudium in Hannover arbeitet sie viele Jahre für Banken im In- und Ausland. Spricht sie über ihre neue Arbeit, ist zu spüren, wie viel sie ihr bedeutet. „Meine neuen beruflichen Aufgaben finde ich einfach wichtiger und es ist toll zu sehen, was wir so alles bewirken können“, sagt sie. Die Geflüchteten suchen bei ihr Hilfe im Umgang mit Behörden, benötigen Unterstützung bei Fragen zu Schule oder Kindergarten oder es geht um den Kontakt zu Krankenkassen oder potenziellen Arbeitgebern. Ihr jüngstes Erfolgserlebnis: Sie hat einer Konditorin aus Odessa zu ihrem Traumjob in einem Braunschweiger Café in Nähe der Universität verholfen. „Ich empfinde es einfach als total befriedigend und sinnstiftend diese Beratungen und Begleitungen zu machen“. Viele der Menschen, die zu ihr kommen, kennt sie schon von Anfang an, seitdem der Krieg ausgebrochen ist. „Es sind viele schlimme Schicksale dabei und jeder hat eine einzigartige Geschichte. Dankbar macht mich, dass ich spüre, dass die Menschen sich bei uns wohl fühlen. Sie kommen mit offenem Herzen und wenden sich ganz vertrauensvoll an uns.“

Bis zum Sommer steht nun die Finanzierung von Tamasha Sherstyuks Stelle. „Wie es danach weitergeht, ist jedoch noch unklar. Wir hoffen alle sehr, dass sich Lösungen finden und Tamasha weiter beschäftigt werden kann“, so DRK-Geschäftsführerin Nicole Kumpis und Dirk Gähle gleichermaßen. Ihr Wissen und ihre Kompetenzen dürfen nicht verloren gehen, denn die Geflüchteten brauchen auch weiterhin dringend Unterstützung in Form von individueller Beratung.