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07.05.2025 | Regionalgeschäftsstelle Münsterland/Soest

Chaos mit System: Großübung in Münster simuliert Massenunfall beim Radrennen

Ein Auto steht mitten in der Menge von verletzten Personen. Menschen liegen reglos, verdreht, schreiend oder verstummt. Es wirkt wie der Albtraum eines jeden Veranstalters – was hier zu sehen ist, ist eine Massenkarambolage beim Giro Radrennen in Münst

Ein Auto steht mitten in der Menge von verletzten Personen. Menschen liegen reglos, verdreht, schreiend oder verstummt. Es wirkt wie der Albtraum eines jeden Veranstalters – was hier zu sehen ist, ist eine Massenkarambolage beim Giro Radrennen in Münster und der Beginn einer der größten Katastrophenschutzübungen des Jahres.

Mit über 70 Einsatzkräften, 20 professionell geschminkten Verletztendarstellerinnen und -darstellern sowie mehreren Organisationen aus dem Münsterland wurde in einer geplanten Übung der Ernstfall simuliert. Ziel: die Einsatzfähigkeit der Strukturen testen – und das in einer der komplexesten denkbaren Lagen.

„Solche Übungen müssen wir mindestens zweimal im Jahr durchführen“, erklärt Hannes Oberfeld, Übungsleiter und Ortsbeauftragter der Johanniter in Münster. „Nur so können wir unsere Abläufe, unsere Kommunikation und unser Material realistisch prüfen.“

Täuschend echt inszeniert

Auf dem Asphalt liegen junge Menschen, teils blutüberströmt, mit geschminkten Platzwunden, offenen Brüchen, bläulich verfärbten Gesichtern. Kunstblut tropft auf die Bordsteine. Ausgebildete Mimen, etwa von der Johanniter-Akademie NRW oder der Malteser Jugend, spielen schwer verletzte oder hysterische Opfer. Immer wieder hallen Schreie durch die Straße – auch als Beobachter spürt man: Diese Illusion ist verstörend gut.

Besonders fordernd: einige Darsteller übernehmen Rollen als verwirrte, schreiende „Passanten“, die durch unkoordiniertes Verhalten die Arbeit der Rettungskräfte zusätzlich erschweren. „Auch das gehört zur Realität großer Einsatzlagen“, so Hannes Oberfeld und betont, wie auch solche Situationen trainiert werden müssen. 

Triage unter Hochdruck

Als erstes trifft der Rettungswagen der Johanniter Münster ein. Zwei Sanitäter steigen aus, ihre Gesichter konzentriert. Innerhalb von Sekunden müssen sie sich einen Überblick verschaffen: Wer lebt noch? Wer braucht sofort Hilfe? Wer kann warten?

Sie tragen sogenannte Triagekärtchen bei sich – kleine Zettel, auf denen sie die Verletzungsschwere mit Grün, Gelb oder Rot markieren. Rot bedeutet: Lebensgefahr. Schnell wird klar – mehrere Personen sind bewusstlos, einige schreien nach Hilfe, andere starren nur noch leer in den Himmel.

Die, die gehen können, werden zu einem Zelt gebracht, das einige Helferinnen und Helfer zusammen aufgebaut haben. Hier werden die Verletzten Betreut. Psychosoziale Betreuung gehört genauso zur Übung wie die medizinische Versorgung. „Wer schwer verletzt ist, braucht nicht nur Medikamente und Stabilisierung – sondern auch jemanden, der beruhigend spricht, bei der Hand bleibt, Halt gibt“, sagt eine Einsatzkraft. 

Hightech aus der Luft

Ein Team der Johanniter aus Rheine hat eine Drohne in die Luft gebracht. Sie schwebt über der Unfallstelle, sendet gestochen scharfe Bilder an die Einsatzleitung. „In so einer unübersichtlichen Lage können Luftaufnahmen manchmal sehr hilfreich sein“, ein Mitglied des Drohnenteams. Über sie lassen sich Verletzte schneller lokalisieren und Rettungswege besser planen.

Mit dabei waren nicht nur die Johanniter aus Münster und Rheine, sondern auch der Löschzug Geist der Freiwilligen Feuerwehr, die DLRG, die Malteser Münster und das Deutsche Rote Kreuz. Ein eingespieltes Team aus fünf Übungsbeobachterinnen und -beobachtern dokumentierte jeden Handgriff – zur späteren Auswertung.

Nach rund zwei Stunden endet der simulierte Albtraum. Die „Verletzten“ stehen auf und alle sammeln sich zu einem abschließenden Gruppenfoto. Für die Einsatzkräfte geht es zurück zur Wache – mit einem entscheidenden Plus an Erfahrung.

Ein Grillabend an der Geringhoffstraße bildet den versöhnlichen Abschluss. Gespräche entstehen, Netzwerke wachsen, aus Organisationen wird ein Team. Denn eines ist klar: Wenn der Ernstfall eintritt, zählt jede Sekunde – und jeder Griff muss sitzen.