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21.05.2023 | Dienststelle Ortsverband Nordenham

Wenn Routinier und Einsteigerin Krankentransporte fahren

Der hauptberufliche Rettungssanitäter Marcell Bleke und die angehende FSJlerin Svenja Wiedenhoeft bilden ein KTW-Team der JUH beim Landesturnfest

Svenja Wiedenhoeft kombiniert ihr deftiges Mittagessen aus Frikadellen, Gemüse und Kartoffeln mit einem Tee. Die Lage ist ruhig und die 19-jährige Sanitätshelferin kann zwischen kleinen Schlückchen ein Gespräch führen. Wiedenhoeft trinkt ihren Tee langsam und mit viel Milch. Rettungssanitäter Marcell Bleke ist längst fertig, drängt die junge Kollegin aber nicht. Bleke wartet geduldig. Wiedenhoeft bemerkt das nicht und fragt, nachdem Teller und Tasse leer sind, ob es losgehen kann. Es geht los – und zwar richtig. Das ungleiche Paar auf dem Krankentransport (KTW) 50/92-1 ist alarmiert, da ist es noch nicht auf den Sitzen. Die beiden Ehrenamtlichen des Ortsverbands Nordenham der Johanniter-Unfall-Hilfe sind beim Erlebnis Turnfest in Oldenburg und engagieren sich im Sanitätsdienst.

Wiedenhoeft fährt Richtung Weser-Ems-Hallen. Die Sanitätshelferin wirkt ruhig. Aber ins Funkgerät zu sprechen und gleichzeitig zu fahren, erfordert offensichtlich Konzentration. In der Halle ist eine Turnerin ungünstig bei einer Übung gelandet. Die junge Frau wird mit Schmerzen im Knöchel erstversorgt und muss wohl in die Notaufnahme. Wiedenhoeft ist entspannt. Das wird sich noch ändern. Bleke ist auch entspannt und das wird sich nicht ändern.

Es sind Gegensätze, die den Transporter beherrschen, eines der Einsatzfahrzeuge, dass die Johanniter-Unfall-Hilfe (JUH) nutzt, um das Turnfest in Oldenburg abzusichern. 18 Jahre und gefühlt ein halber Meter trennen das Duo Wiedenhoeft/Bleke. Die 19-Jährige begann mit Schulsanitätsdiensten und möchte nach dem Freiwilligen Sozialen Jahr bei den Johannitern, das im August beginnt, Hebamme werden. Für sie ist es der erste Dienst bei einer Großveranstaltung. Sie fährt und kennt sich in Oldenburg nicht aus, wie sie sagt. Bleke setzt sich und lässt sich bis zum Zielort kaum hören. Dann funktioniert der 37-jährige hauptberufliche Rettungssanitäter. Locker, freundlich und unterhaltsam klärt er mit den Johanniter-Kollegen vor Ort die Lage und begibt sich ins Gebäude zur Verletzten.

Es ist eine junge Frau aus den Niederlanden. Für Bleke bedeutet das: Lage klären auf Englisch. Schnell steht fest, dass die Frau in die Notaufnahme muss. „Entweder sind die Bänder überdehnt oder es ist ein Band gerissen. Das wird geröntgt“, erklärt Bleke. Nur wo weiß er noch nicht. Alle Notaufnahmen in Oldenburg sind abgemeldet. Bleke steht in sich gekehrt am Wagen, er weiß, dass schnell ein Rückruf kommen wird. Denn die Frau wird nur kurz im Krankenhaus sein. Kreyenbrück meldet sich und das Team samt Turnerin und Betreuerin fährt ab.
Lang ist die Fahrt aber nicht. Nach wenigen hundert Metern sehen Bleke und Wiedenhoeft zwei Frauen die am Boden liegen – Fußgängerin gegen Radfahrerin. Schnell ist klar, sie müssen schauen, ob Hilfe benötigt wird. Wiedenhoeft ist kurz unsicher: Jetzt halten, mitten auf der Kreuzung? Die junge Frau ist sichtlich angespannt, sie befürchtet andere Autofahrer zu behindern. Bleke wird zum Trainer und gibt freundlich aber bestimmt Anweisungen. Er verlässt den KTW und klärt die Lage. Die Fahrt kann weitergehen. Wiedenhoeft zögert, sich wieder in den Verkehr einzuordnen. „Da schlägst du hart links ein und biegst ab“, lässt sich Bleke von hinten hören, laut, aber ohne jede Spur von Ungeduld.

Wiedenhoeft entdeckte ihre Liebe zum Sanitätsdienst 2019 in der Schule: „Ich fand Sanitätsdienst schon immer toll, total interessant.“ Seit 2022 ist sie ehrenamtlich bei der JUH. Nervös sei sie am Anfang gewesen. Aber sie vertraue auf die Kollegen und den Zusammenhalt in schwierigen Situationen.

Bleke klärt einiges mit der Patientin während der Fahrt. Dafür, dass er professionell und produktiv ist, klingt es nach sehr viel Spaß. Das ändert sich auch in der Notaufnahme nicht. Sein Verhalten, Gestik, Mimik am Empfang erwecken den Eindruck, als würde er eine alte Freundin besuchen. Binnen Minuten ist alles geklärt und wie es der Zufall will, hat die behandelnde Ärztin in den Niederlanden studiert. Sie kann sich mit der Patientin bestens verständigen. Die Johanniter übergeben und sind raus.

Am Wagen steht das Säubern an. Aber erstmal erklärt Bleke seiner Fahrerin, welchen Status sie nun bei der Leitstelle angeben soll und fügt eine kurze Exkursion über die Statusmeldungen bei. Dass er darüber schon lange nicht mehr nachdenken muss, ist deutlich spürbar. Es breitet sich der stechende Geruch von Desinfektionsmittel aus. Der Wagen ist schnell wieder sauber und einsatzbereit. Wiedenhoeft und Bleke steuern ihren Ausgangspunkt, das Johanniter-Quartier in der BBS Haarentor an. 16 Minuten Fahrt.
„Jetzt noch eine Frikadelle wäre nicht schlecht“, überlegt sich Wiedenhoeft. Das hätte sie sich wohl besser verkniffen. Wie auf Kommando ertönt der Funk. Mehrere Verletzte an der EWE-Halle.

Die Freunde von Wiedenhoeft, die gerade die Schule beendet haben, sind am Brückentag mit Kaiserwetter Motorradfahren oder anderweitig unterwegs. „Ja, es kann sein, dass sie mich manchmal für etwa irre halten, weil ich Sanitätsdienste mache, statt mitzukommen“, sagt die 19-Jährige mit einem Lächeln. Überhaupt lächelt sie viel an diesem Freitag.