26.10.2022 | Landesgeschäftsstelle Sachsen

Gewalt im Einsatz nimmt zu – richtig reagieren wird immer wichtiger

Eine Kieferfraktur und eine gebrochene Nase. Im Sommer und Herbst erwischte es zwei Sanitäter aus Plauen. Ohne Vorwarnung fiel ein brutaler Schläger über die her, die gekommen waren, um zu helfen. Nächster Präventionskurs 8. November 22

„Ich liebe meinen Beruf als Notfallsanitäter – auch bei zunehmender Aggressionsbereitschaft da draußen,“ unterstreicht Heiko Hellinger, Bereichsleiter Einsatzdienste im Regionalverband Zwickau/Vogtland. Nicht ohne Grund ist er seit 25 Jahren im Blaulichteinsatz – bis vor kurzem als Wachleiter in Plauen.

Und selbst als Bereichsleiter steigt er noch regelmäßig in den Rettungswagen, wenn die 112 alarmiert wird. „Das Wichtigste ist doch, dass wir Menschen in Notsituationen helfen“, so Heiko. „Zudem ist der ‚Retterberuf‘ äußerst spannend. Total motivierend ist außerdem die ehrliche Dankbarkeit, wenn wir helfe konnten.“

Allerdings fällt es Heiko Hellinger zunehmend schwerer, nur diese schönen Seiten seines Jobs zu sehen. Der Grund: Beleidigungen, Bedrohungen und Gewalt gegenüber Einsatzkräften. „Wir haben damit nicht jeden Tag zu tun, aber die Aggressionsbereitschaft nimmt zu.“

Heikos Plauener Kollege Daniel Raithel erlitt im Einsatz einen Kieferbruch. Ohne Vorwarnung schlug ihn ein scheinbar Hilfsbedürftiger mitten ins Gesicht. Im September traf es Rettungsassistent Nicky Lippert: Als er einem Mann helfen wollte, brach dieser ihm mit einer heftigen Kopfnuss die Nase. Es war derselbe Täter, der Daniel im Sommer den Kiefer brach. Nicky weiß nun auch, es sei gar nicht so einfach, über diese böse Erfahrung körperlich und psychisch hinwegzukommen.

Das Problem ist größer, als es diese Einzelfälle vermuten lassen. Schon 2018 hatte eine anonyme und nicht repräsentative Umfrage des Landesverbands Sachsen ergeben: Knapp die Hälfte aller Befragten im Bereich Rettungs- und Fahrdienst haben in ihrer Dienstzeit zwischen drei und mehr Übergriffe erlebt. Meist handelt es sich um Beschimpfungen und Beleidigungen oder die Abwehr medizinischer Maßnahmen durch Wegschubsen. In der Regel geht die Gewalt von der hilfsbedürftigen Person aus beziehungsweise von Menschen aus dessen persönlichem Umfeld. Die beiden Fälle aus Plauen stellen somit einen traurigen brutalen Höhepunkt dar.

Übergriffe sind ein unhaltbarer Zustand. Darum schützen wir unsere Mitarbeitenden

In der aktuellen Seminarreihe „Gewalt im Einsatz“ schulen die Johanniter die Kolleginnen und Kollegen. Hier werden Haupt- und Ehrenamtliche ganz praktisch fit gemacht, Aggressionen frühzeitig zu erkennen und deeskalierend zu reagieren oder sich selbst zu schützen. Nächster Termin: 8. November in Heidenau. Johanniter, die dabei sein wollen, melden sich bitte bis 2. November bei

Auch wegen solcher unschönen Übergriffe hat der Regionalverband Dresden ein eigenes Team für die Psychosoziale Notfallversorgung (PSNV) gegründet. Die Kolleginnen und Kollegen um den PSNV-Fachberater Stephan Kays, bauen gerade das Angebot für die Johanniter in Sachsen aus. Sie sind zu erreichen unter: https://www.johanniter.de/kontakt/mail/an/10069/ oder +49 173 7150064 bzw. +49 351 20914-69

Verletzungen durch solche Übergriffe werden wie Arbeitsunfälle behandelt. Folglich kümmert sich die Unfallkasse Sachsen um die Übernahme der Kosten, einigt sich in der Regel mit der Krankenkasse und prüft Ansprüche gegen Dritte – wie gegen die Verursacher.

Wir tun alles, damit die schönen Aspekte dieses Berufes überwiegen. Unsere „Heldinnen“ und „Helden“ sollen weiterhin mit Leidenschaft helfen!