Johannistag - 24. Juni 2025
Liebe Johanniterinnen und Johanniter,
der 24. Juni fällt kurz nach der Sommersonnenwende. Im bäuerlichen Kalender ist er ein fester Markstein. Die Tage beginnen langsam wieder kürzer zu werden, die Spargel – und Rhabarberzeit endet. Es beginnt die Kräuterernte, die Glühwürmchen erscheinen. Zusammengefasst ist der 24. Juni ein Tag zwischen Reifen und Blühen, zwischen Licht und Rückzug.
Johannistag – für uns Johanniter ist er ein besonderer Festtag. Wir denken an den Geburtstag des Namensgebers unseres Ordens: Johannes, der Täufer.
Kein gesetzlich begangener Festtag. Nein, er ist verankert mitten im Arbeitsalltag und erinnert uns an einen geistlichen Wendepunkt: Von der Mitte des eigenen Ichs zu einer Haltung meines Gegenübers. Oder auf den Punkt gebracht: Es geht nicht um mich. Es geht um den Anderen. Denn das bestimmt grundlegend die Gestaltung des Alltags. Und wir Johanniter haben eine Ahnung von dieser lebensbestimmenden Wirklichkeit.
Der französische Philosoph Emmanuel Lévinas hat diesen Gedanken radikal zugespitzt: „Der Andere ist nicht ein Fall, nicht eine Aufgabe. Er ist mir anvertraut. Seine Not fordert mich heraus. Seine Würde unterbricht meinen Alltag. Und seine Andersheit mahnt mich zur Demut.“ Soweit der Philosoph, der mit diesen Worten das Wesen der Mit-Menschlichkeit beschreibt. Diese Haltung, die wir letztlich einander schulden ist kein berufliches Extra in unseren Einrichtungen. Sie ist die geistliche Grundlage unseres Engagements im sozialstaatlichen Kontext. Wer bereit ist, dem „Anderen“ so begegnen zu wollen, der tritt aus seinem Selbstbezug heraus. Im positiven Sinne lassen wir uns stören – und genau darin beginnt die Spiritualität, kommt der Johannitergeist zur Wirkung.
Dieser Geist ist mehr als nur eine traditionelle „Folklore“, die an diesem Tag gefeiert wird, mehr als das Johanniterkreuz auf der Jacke und Dienstkleidung: Mehr als Fürsorge im Dienstplan, wenn es die Zeit zulässt. Johannitergeist ist gelebte Spiritualität – nicht im „Rückzug“ einer gottesdienstlichen Feier, sondern in der konkreten, alltäglichen Hinwendung, den „Herren Kranken gegenüber. Davon wollen ja gerade die Johanniterschwestern Zeugnis ablegen, wenn sie sich in die Schwesternschaft rufen lassen und dies in einem Gottesdienst bekräftigen, so wie auf dem letzten Schwesterntag vom 10.-12.06.2025 in Nieder-Weisel wieder eindrücklich geschehen.
In den „Herren Kranken“ begegnen wir auf Schritt und Tritt Gott selbst in Jesus, der von sich als Menschensohn gesprochen hat. In diesem so unscheinbaren Wort kommt die Beziehung zur Sprache, die Gott mit uns eingegangen ist und immer wieder eingehen will, wenn wir Johanniter einander begegnen; auf den Fluren in unseren Einrichtungen, wenn wir an die Krankenbetten herantreten, wenn wir uns als Team gemeinsam dem Ordensauftrag stellen und uns gegenseitig als den „Nächsten, als die Nächste“ begegnen, als der bzw. die Andere! Und die Demut, die ihre Wurzel im johanniterlichen Geist hat, ermutigt, dem anderen, meinem Du Raum und Zeit zu geben, nicht unterwürfig, sondern in der ganzen Würde seines Antlitzes, das Gott Ebenbild trägt. Das macht unsere Arbeit im Vergleich zu den anderen sozialen Anbietern nicht besser, aber eben doch anders.
Und daher erinnert uns das Wort Johannes des Täufers gerade in unserem Dienst an diese Haltung: „Er muss wachsen, ich aber muss abnehmen.“ (Joh 3,30) Johannes ermutigt uns, sich selbst zurückzustellen, damit ein lebensbejahender Raum entstehen kann. Für den Anderen, für Christus, wie er uns täglich im Anderen, im „Herren Kranken“ begegnen will. Deshalb diese altertümliche Formulierung, die uns in unserer täglichen Arbeit aber auf wunderbare Weise den Art. 1 des Grundgesetzes in Erinnerung ruft: die unantastbare Würde des Menschen.
Liebe Johanniterinnen und Johanniter, ob in der Pflege, Verwaltung, Leitung, Seelsorge oder Hauswirtschaft, möchte dieser Geist Raum gewinnen. Wo Menschen mit dieser Haltung arbeiten, wird Diakonie im wahrsten Sinne des Wortes geistlich. Und wird somit mehr als nur Versorgung, es wird Begegnung im Zeichen des Kreuzes.
Ich wünsche uns, gerade im Alltagsgeschehen des 24. Junis, also für heute, einen gesegneten Johannistag.
Bernd Kollmetz
Fördermitglied der Schwesternschaft &
Seelsorger in den Johanniter-Ordenshäusern Bad Oeynhausen