Schwesterntag 2016

Qualität - Besser geht's nicht, oder doch?

Das war die Frage, der sich 180 Schwestern, Fördermitglieder und Gäste auf dem diesjährigen Schwesterntag vom 31. Mai bis zum 2. Juni  in Nieder-Weisel stellten. Provozierend titelte Dr. Christof Veit, Leiter des Instituts für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG), seinen einleitenden Fachvortrag „Was unterscheidet Qualität von heißer Luft?“

Er berichtete von der Arbeit des Instituts und stellte fest: Das Wort Qualität wird heute viel zu leicht in den Mund genommen, ohne Nachzudenken. Anhand vieler eigens erfahrener Episoden schilderte er lebendig den Begriff Qualität -  nicht in Zahlen, nicht kodiert. Prozesse und der Druck der Wirtschaftlichkeit in der alltäglichen Arbeit im Gesundheitswesen lassen Qualitätsbögen füllen und wachsen – doch diese kommen nicht direkt beim Patienten an, sondern auf dem Tisch des Beauftragten für Qualitätsmanagement. Qualität ist aber mehr als Zahlen auf einem Blatt Papier; sie wird zu einer persönlichen Angelegenheit, für die, die versorgen und die, die versorgt werden. Qualität ist in jedem Menschen, in seinem Handeln, seinem Tun, ein Zusammenspiel von persönlichem und professionellem Sein. Wenn Menschen zusammen arbeiten, gibt es auch eine gemeinsame Qualität – und die kommt nicht von allein – sie braucht das Können, das Wollen und auch die Möglichkeit, sich in jedem von uns und dann auch gemeinsam zu entfalten. Denn das ist etwas, was direkt bei dem Patienten ankommt. Eine gemeinsame Qualität bedeutet auch, gemeinsam zu lernen, sich fortlaufend zu verbessern. Und dabei auftretende Fehler sind auch nur menschlich – manchmal mit fatalen Folgen. Doch wie gehen wir mit Fehlern um, gerade im Verhältnis Führungskraft – Mitarbeiter? Verweisen wir auf Verantwortlichkeiten, sprechen wir uns dadurch von der eigenen Verantwortung frei? Verzeihen wir ignorant dem „schuldigen“ Mitarbeiter? Oder reflektieren wir uns selbst und fragen – habe ich diesen, meinen Mitarbeiter vielleicht in diese Situation gebracht? Bin nicht vielleicht ich verantwortlich, auch wenn ich nicht konkret gehandelt habe? Diese Fragen zur Selbstreflexion lohnen sich; sie bieten Raum für Entwicklung.

Qualität heißt auch Erreichbares erreichen – Dr. Veit fragte in die Runde: Wer von Ihnen hat in der letzten Woche gute Arbeit geleistet? Sehr viele Arme reckten sich schnell in die Höhe. Er fragte weiter: Haben sie auch erreicht, was Sie hätten erreichen können? Nun brauchte es ein wenig Zeit, bis sich dann auch einige Arme in die Höhe streckten – vielmehr kreisten die Gedanken der gebannten Zuhörerschaft in innerer Selbstreflexion….

Seinen anregenden und inspirierenden Vortrag beendete Christof Veit mit den Worten: Das zukünftige Merkmal von Qualität ist die einheitliche Versorgung des Patienten – so steht es auf der Agenda des IQTIG. Gestaltete und gelebte Organisationskultur bieten den Rahmen für die gemeinsame Entfaltung und Reflexion von Qualität. Qualität ist von Menschen für Menschen, professionell und mit Herzblut. Qualität kann Herzen gewinnen! 

Die darauffolgende Abendveranstaltung „Sternschnuppenstunde – Bildung fällt nicht vom Himmel“ nutzte die Schwesternschaft für die Evaluierung und bedarfsgerechte Zukunftsperspektive ihres Fortbildungsangebotes – frei nach dem Titel des Schwesterntages: Besser geht’s nicht, oder doch? Gehirngerecht mit der liegenden Acht angetriggert schrieben die TeilnehmerInnen in Gruppenarbeiten auf, was war und ist gut – und was braucht es, um besser zu werden. Die Ergebnisse sind sehr inspirierend. Unter anderem wünschten sich die Akteure des Abends Pilgern für alle, Angebote zu Identität und christlichem Geist sowie die Fortsetzung des Themas Resilienz. Ihre Ideen und Wünsche werden im Herbst gemeinsam mit dem Vorstand des Fördervereines auf ihre Realisierbarkeit geprüft.  

Am zweiten Tag hatten die TeilnehmerInnen die Möglichkeit, sich in zwei von neun angebotenen Workshops zum Thema Qualität fortzubilden, wobei die Schwesternschaft die Fachkompetenz aus ihren eigenen Reihen nutzte – 6 Workshops leiteten Johanniterschwestern.  Anknüpfend an das im letzten Jahr  entwickelte Profi-Profil der Johanniter-Schwesternschaft untergliederten sich die Workshopthemen.

Die fachliche Kompetenz stärkten die TeilnehmerInnen in den Workshops „Vitaminreiche Kommunikation“, der die salutogenetische Gesprächsführung trainierte; kinaesthetische Interaktion als Werkzeug mit eigenem Lernzyklus erarbeiteten sie praxisnah in „Unsere Annahmen bestimmen unser Tun“. Den Vorbehalten und ethischen Herausforderungen und deren Bedeutung für die Pflege stellten sich die Schwestern in „Die Anhebung des Qualitätslevels durch Monitoring und Automatisierung“. Mit der Frage „Wieviel Halt gibt mir meine Haltung“ und dem „Qualitätsmerkmal Mitgefühl und Herzlichkeit“ entwickelten die Schwestern ihre Persönlichkeit weiter. Die Siegeswilligen oder Sangesfreudigen orientierten sich an den christlichen Werten unter dem Thema „Der Lorbeerkranz für mich - siegen mit Paulus“ und dem „Singen von Taizeliedern“. Anknüpfend an die aktuell politischen Themen gab es informative und intensive Workshops zum Thema „Migration, Interkulturalität und Gesundheit“ und „Auf dem Weg zur Pflegefachfrau/ zum Pflegefachmann“. Für Interessierte stehen die Präsentationen der Workshops und viele Bilder vom Schwesterntag im internen Bereich unserer Website zum Download bereit. 

Den Festgottesdienst unter der Leitung des Ordensdekans, Ruprecht Graf zu Castell-Rüdenhausen, gestalteten Johanniterschwestern aktiv mit. Der Herrenmeister ernannte 13 Johanniterschwestern. Zu Beginn des festlichen Abendessens betonte der Herrenmeister in seiner Rede, dass die Schwesternschaft als Herzstück des Johanniterordens in der Mitte angekommen sei. Er bedankte sich insbesondere für die geleistete Flüchtlingsarbeit. Anschließend dankte die Schwesternschaft dem Ordensdekan, der sein Amt zum 1.7.2016 an Prof. Christoph Markschies abgibt und somit den Festgottesdienst in diesem Jahr zum letzten Mal hielt, mit dem Lied „Geh mit Gottes Segen“. Die Strophen sang der Chor, in den Refrain stimmten alle mit ein.  

Zum Abschluss der Jahrestagung leitete der Vorsitzende des Verwaltungsrates Dr. Tessen von Heydebreck die Mitgliederversammlung. In ihrem Rechenschaftsbericht blickte die Oberin zurück auf das Bildungsangebot 2015 und stellte die wichtigsten gesetzlichen und politischen Rahmenbedingungen mit ihren Konsequenzen für die zukünftige Arbeit der Schwesternschaft dar. Sie forderte die Schwestern auf, sich berufspolitisch zu organisieren und bot jederzeit Unterstützung an. Sie dankte den Johanniterschwestern für ihre Unterstützung und der pommerschen Genossenschaft für den finanziellen Zuschuss zum Schwesterntag. Der Verwaltungsrat wurde satzungsgemäß neu gewählt. (Eine Auflistung der neu- und wiedergewählten Kandidaten finden sie im Schwesternbrief 8/2016 und auf unserer Website im internen Bereich.) Anschließend verabschiedete die Ordensoberin die Mitglieder und Gäste mit dem Reisesegen.

Aufgetankt mit der Kraft der Gemeinschaft, den neuen Impulsen und in Vorfreude auf den nächsten Schwesterntag verabschiedeten sich die Mitglieder und Gäste. 

Einige Tage nach dem Schwesterntag erreichte uns hier im Büro unter anderem ein Feedback von den Schülerinnen aus Bonn - eine Danksagung an alle TeilnehmerInnen. Die Bonner Schülerinnen fühlten sich mit offenen Armen empfangen: „In wenigen Wochen beginnen für uns Schülerinnen im Oberkurs die Prüfungen zum Krankenpflege-Examen, und unsere Zeit in der Krankenpflegeschule geht zu Ende. Deshalb war unsere Freude über die Einladung zum Schwesterntag der Johanniter-Schwesternschaft e. V. vom 31. Mai bis 2. Juni 2016 riesengroß. Während unserer Ausbildung haben wir ja durch unsere Lehrerinnen auch sehr viel über die Johanniter und deren Geschichte gehört. Nun konnten wir in Nieder-Weisel selbst erleben, wie familiär die Schwestern miteinander umgehen. Wir wurden sehr herzlich aufgenommen und fühlten uns direkt wohl. 

Nach dem Kaffeetrinken haben wir zusammen mit Frau Geißler und Frau Obst die Komturkirche besucht; die Atmosphäre innen hat uns sehr beeindruckt. Am Abend fand sogar im dortigen Kapitelsaal eine Gruppenarbeit  als „Sternschnuppenstunde“ statt zum Thema „Bildung fällt nicht vom Himmel“. Es hat uns gut gefallen, wie einfach es war, mit allen in Kontakt zu kommen und zu erleben, dass auch unsere Meinung wichtig ist.

Am nächsten Tag konnten wir aus vielen interessanten Workshop-Angeboten zwei Veranstaltungen aussuchen, in denen wir dann morgens und nachmittags gearbeitet haben. Wie wichtig das Thema „Qualität“ ist, erleben wir ja theoretisch und praktisch in fast allen Bereichen unserer Ausbildung und der Arbeit auf Station.

Der Höhepunkt unserer Tage in Niederweisel war natürlich der feierliche Gottesdienst in der Komturkirche, wo wir die Ernennung von Schwestern erleben konnten, die in die Johanniter-Schwesternschaft aufgenommen wurden. Mit vielen neuen Eindrücken ging es dann leider am nächsten Tag schon wieder zurück ins Klassenzimmer.

Was uns am besten gefallen hat: Alle waren sehr herzlich und wir verstehen jetzt, warum die Johanniterschwestern von ihrer „Familie“ sprechen. Es ist wichtig, viel miteinander zu reden und daran zu arbeiten, dass unser Beruf eine bessere Anerkennung findet. Zusammen ist man immer stärker, oder?

Wir möchten uns vor allem ganz herzlich bei Ordensoberin Andrea Trenner und der Johanniter-Schwesternschaft bedanken, die uns diese Erfahrung ermöglicht hat. Ein großes Dankeschön sagen wir auch Frau Geißler und Frau Obst, die immer für uns da waren.“

Vivian Weber, Referentin der Johanniter-Schwesternschaft e.V.