Lidia
Lidia arbeitet als Pflegefachkraft und Praxisanleiterin im Johanniter-Haus Köln-Finkenberg.
Ich bin in Deutschland durch die Pflege angekommen
„Ich bin mit meinen Eltern 2002 nach Deutschland gekommen, aber wollte eigentlich nur zu meinen Freunden und in mein altes Leben zurück. Wir kommen aus Kasachstan – und bei der Entscheidung auszuwandern hatte ich als junges Mädchen ehrlich gesagt nicht viel mitzureden. Ich war damals 21 und hatte viele Freunde in Kasachstan. Als ich dann nach Deutschland kam, war erstmal alles neu für mich. Ich war jung und hatte andere Sachen im Kopf.
Ein Jahr lang habe ich ein bisschen Kummer gehabt – bis ich dann mein erstes Praktikum in der Pflege angefangen habe. Auf einmal hatte ich etwas gefunden, was mich richtig interessierte! Auch wenn ich zu dem Zeitpunkt noch die Sprachbarriere hatte. Ich hatte Spaß bei der Arbeit, und mein Praktikum gab mir etwas, das mich motivierte.
Als ich mich dann für die Ausbildung entschieden habe, war das sehr prägend für mich. Ich war gerade mal zwei Jahre in Deutschland. Zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, die deutsche Sprache umsetzen zu können, ich konnte mich durchsetzen, hatte das Gefühl, weiterzukommen. Das war natürlich nicht immer einfach – wenn eine Klausur bevorstand, musste ich aufgrund meiner Sprachbarriere doppelt so lange lernen. Aber für mich war es wichtig, dieses Ziel zu erreichen und die Ausbildung durchzuziehen. Ich war noch nicht so lange in Deutschland, deswegen war es teilweise schwierig für mich, aber ich habe trotzdem weiter gemacht. Und meine Geschwister arbeiten jetzt mittlerweile auch in der Pflege, so begeistert war ich. Kaum zu glauben, dass das jetzt schon über 20 Jahre her ist. Nun habe ich meine drei Kinder, meinen Mann und meinen Traumjob hier. Ich bin in Deutschland durch die Pflege angekommen – beides ist jetzt Teil von meinem Zuhause.“
Wenn alle an einem Strang ziehen
„Vor drei Monaten bin ich noch einmal Mutter geworden. Dass ich ein Kind bekommen würde, hatte wirklich keiner erwartet. Ich habe schon zwei Kinder – es war wirklich eine komplette Überraschung! Aber für meinen Mann und mich stand die Entscheidung gleich fest.
Bei drei Kindern und zwei berufstätigen Eltern ist es natürlich zwischenzeitlich nicht einfach. Da ist die Organisation einfach alles. Wenn alle an einem Strang ziehen, dann kann man planen. Wenn ich Schichtende habe, muss ich direkt von meiner Rolle als Fachkraft in die Mutterrolle zurück schlüpfen. Manchmal wünschte ich mir, dass der Tag mehr Stunden hat. Aber man muss sich halt absprechen – kurz gesagt, es klappt alles, wenn man redet. Mein Mann ist als Messebauer selbstständig. Das ist körperliche Arbeit, manchmal steht er allein auf der Baustelle, weil ihm die Arbeitskräfte fehlen und er kämpft auch.
Aber gerade in schwierigen Situationen kommt es doch darauf an, dass man sich selbst und auch andere motiviert. Dass man sagt: Komm, das geht auch vorbei. Das Problem in unserer Gesellschaft ist doch, dass die meisten sofort den Kopf in den Sand stecken, sobald mal ein bisschen was schiefläuft. Für mich ergibt es keinen Sinn, herumzusitzen und zu jammern. Das bringt erstens nichts und zweitens macht man sich damit kaputt – physisch und psychisch. Es kommt darauf an, weiterzumachen. Man muss weiterkämpfen, auch wenn es manchmal Tage gibt, an denen man glaubt, es gehe nicht mehr weiter.“
Kommen Sie morgen wieder?
„Eine Alternative zu meinem Job gibt es für mich nicht. Ich habe mich auch mal eine Zeit lang bei meinem Mann als Sekretärin versucht, aber es hat nicht lange gedauert, bis ich zu ihm gesagt habe: ‚Schatz, es tut mir leid. Aber ich gehe zurück in die Pflege.‘
Auch jetzt, wo ich wieder in Elternzeit bin, vermisse ich meine Arbeit. Ich vermisse es, mit den Bewohnerinnen und Bewohnern über dies und jenes zu reden, oder wie sie mich mit zufriedenem Blick anschauen und dann fragen: ‚Kommen Sie morgen wieder?‘ Ich bekomme es immer wieder aufs Neue bestätigt: Eine meiner besten Entscheidungen war eindeutig die Entscheidung für eine Laufbahn in der Pflege. Und dass ich im Johanniter-Stift gelandet bin, habe ich meiner besten Freundin Olga zu verdanken. Sie war so begeistert von der Arbeitsatmosphäre, dass ich schnell überzeugt war. Nun verbindet uns nicht nur unsere 20-jährige Freundschaft, sondern auch unser Arbeitsplatz.
Kommunikation und Pflege gehen halt Hand in Hand – das eine gibt es ohne das andere nicht. Das würde ich auch gerne als Praxisanleiterin den Schülern mitgeben: Man kann nicht einfach ins Zimmer kommen und anfangen zu pflegen, ohne eine Beziehung mit der Bewohnerin oder dem Bewohner aufzubauen. Man braucht das Interesse für den Menschen, der vor einem steht. Das ist der Vorteil daran, wenn man einen Beruf wählt, den man liebt: Dann braucht man keinen Tag mehr zu arbeiten.“