Olga
Olga arbeitet als Wohnbereichsleiterin im Johanniter-Haus Köln-Finkenberg.
Wenn Mama Karriere macht, haben alle was davon
„In meinem Leben hat es schon mehr als einmal einen Neuanfang gegeben. In meiner Jugend gab es gleich zwei Umzüge, die mich sehr geprägt haben. Und auch beruflich hat das Leben eine unerwartete Wendung genommen. Das war vor fast zehn Jahren. Ich war damals Mitte 20 und Mutter von zwei kleinen Kindern. Nach sechs Jahren Elternzeit wollte ich mir eine Arbeit suchen. Doch ich hatte nicht viel vorzuweisen. Meine erste Berufsausbildung hatte ich abgebrochen, als ich mich dazu entschloss, eine Familie zu gründen.
‚Olga, komm doch zu uns!‘ Als mir eine Freundin vorschlug, in die Altenpflege zu gehen, habe ich erstmal den Kopf geschüttelt. ‚Das schaffe ich nicht‘, dachte ich damals. Doch sie ließ nicht locker, also habe ich sie auf der Arbeit besucht. Und meine Vorurteile waren wie weggewischt. Ich bewarb mich um eine Stelle als Pflegehelferin. Nach nur zwei Wochen war mir klar: Das ist es! Das ist mein Job!
Ich bin schon immer gern zur Schule gegangen und habe Neues dazugelernt. Also entschloss ich mich, die Ausbildung zur Pflegefachkraft zu machen. Dafür musste ich natürlich vieles unter einen Hut bekommen. Meine Jungs waren damals drei und sechs Jahre alt. Doch sie haben verstanden, wie wichtig das für mich ist und haben mir Freiraum zum Lernen gegeben. Als ich meinen Abschluss in der Tasche hatte, habe ich meinen Kindern gedankt, dass sie es möglich gemacht haben. Wir haben gemeinsam gefeiert und es gab Geschenke – aber nicht für mich, sondern für die Jungs.
Seitdem habe ich nicht aufgehört, mich fortzubilden. Mittlerweile leite ich in unserer Einrichtung zwei Wohnbereiche. Für meine Jungs möchte ich ein Vorbild sein. Dass ich immer wieder die Schulbank drücke, finden sie klasse. Und sie wissen ja, dass ich es auch für sie tue. Wenn Mama Karriere macht, haben eben alle was davon.“
Mit 17 Jahren der zweite Neuanfang
„Als ich zwölf Jahre alt war, hat es in meinem Leben einen ersten großen Einschnitt gegeben. Meine Familie lebte damals in Kasachstan, doch mein Vater hatte Arbeit in Russland gefunden. Also zogen wir um – weit weg von Familie und Freunden, von allen, die wir kannten. Die Trennung von meiner Cousine Oxana war für mich besonders schwer zu verkraften. Wir kannten uns unser ganzes Leben, waren gleich alt und sind zusammen ausgewachsen. Wir waren nicht nur beste Freundinnen, wir waren wie Schwestern. Plötzlich war sie weit weg. Einander besuchen war unmöglich. Wir konnten ja noch nicht mal telefonieren. Es waren die 90er Jahre, Anrufe ins Ausland waren teuer und Oxana hatte zuhause gar kein Telefon.
Wir vermissten einander schrecklich. Also schrieben wir uns Briefe. Viele, viele Briefe. Es war die einzige Möglichkeit, um in Kontakt zu bleiben. Es sollte fünf Jahre dauern, bis wir wieder zusammen sein würden.
Fünf Jahre, in denen unsere Familien auf eine Einreisegenehmigung nach Deutschland warteten. Denn wir haben ja deutsche Wurzeln. Als Spätaussiedler konnten wir 2002 endlich nach Deutschland ausreisen. Ich war 17 Jahre alt und stand schon zum zweiten Mal vor einem Neuanfang. Doch diesmal war ich nicht mehr so allein. Meine Großeltern und auch Oxanas Familie waren ebenfalls nach Deutschland gekommen. Die ersten Monate lebten wir gemeinsam in einer Notunterkunft. Alles war neu, außer den Großeltern sprach niemand auch nur ein Wort Deutsch. Doch wir waren wieder zusammen. Das war großartig – und es gab uns Halt.
Neben Oxana ist Lidia ein weiterer wichtiger Mensch in meinem Leben. Wir sind schon seit 20 Jahren befreundet – kennengelernt hatten wir uns damals bei einem Sprachkurs. Als sie vor fünf Jahren nach Köln zog meinte ich zu ihr ‚Komm doch zu uns, wir haben auf der Arbeit eine sehr gute Atmosphäre. Dir wird bestimmt gefallen, bei uns zu arbeiten‘. Ich könnte nicht glücklicher darüber sein, dass wir nun auch Arbeitskolleginnen sind.“