Selina

// Selina arbeitet als Pflegehelferin in der ambulanten Pflege im Johanniterhaus Mansfeld.

Nur wenige Meter von dem Backsteinhaus beginnt der Wald. Wenn Selina von einer Schicht nach Hause kommt, nimmt sie die Hunde an die Leine. Dann gehen sie und Kevin eine große Runde in der Natur spazieren. Die Hunde bekommen ihren Auslauf, Selina und ihr Freund lassen den Tag Revue passieren, genießen die frische Luft, das Grün und die Stille. Alle beide lieben sie den Wald, kommen hier nach einem langen Tag zur Ruhe. Seit sechs Jahren sind die zwei schon ein Paar. Sie hätten sich irgendwo zwischen Walbeck und Möllendorf über den Weg laufen können, vielleicht bei einem Spaziergang im Grünen. Am Ende jedoch war es ein schlauer Algorithmus, der sie zusammenbrachte. Oder auch das Schicksal. Wie man‘s nimmt.

6 Jahre zuvor. Selina ist 17, sie hat vor kurzem die Schule beendet und eine Ausbildung zur Pflegehelferin in Gerbstedt begonnen. Die junge Frau lebt noch zu Hause, auf Partys geht sie nicht gern. Hin und wieder wirft sie einen Blick in die Dating-App auf ihrem Handy, schaut, ob das Herz einen Sprung macht. Und dann ist da Kevin. Schon beim Tippen springt der berüchtigte Funke über. Nur wenige Tage nach der ersten Nachricht beschließen die zwei, sich zu treffen. 

Manchmal ist das erste Bauchgefühl einfach das richtige. Selina weiß das, und Kevin auch. Die beiden fackeln nicht lange. Nur eine Woche nach ihrem ersten Treffen packt Selina zuhause ihre Koffer, zieht mit Kevin zusammen, in das alte Backsteinhaus am Waldrand. Ihre Eltern sind zunächst nicht so begeistert. Sie finden die Entscheidung überstürzt. Schließlich kennen Selina und Kevin sich kaum. 

Liebe macht blind, sagt der Volksmund. Wenn Selina und Kevin mit ihren Hunden einen ausgedehnten Spaziergang machen, wenn sie die Zweisamkeit genießen oder überlegen, welches Zimmer des Hauses sie als Nächstes renovieren wollen, wissen sie, dass es richtig war, ihrer Intuition zu vertrauen. Und über das, was der Volksmund so sagt, können die beiden nur schmunzeln.  

Früher, als Selina noch keinen Führerschein hatte, brachte Kevin sie jeden Morgen mit dem Moped zur Arbeit nach Mansfeld. Die beiden waren erst 17 als sie zusammenzogen, doch es war gleich klar, dass sie sich umeinander kümmern und füreinander da sein wollen. Heute ist Selina selbst mit dem Auto unterwegs. Sie arbeitet als Pflegehelferin beim Johanniter-Pflegedienst Mansfeld, fährt von Haus zu Haus, um ihre Patientinnen und Patienten zu versorgen. Es ist ein abwechslungsreicher Job, der ihr viel Freude bereitet. Hinter jeder Haustür ist eine andere Welt, sind die eigenen vier Wände des Menschen, um den die junge Frau sich kümmert. Es fällt ihr leicht, sich auf die Pflegebedürftigen einzustellen. Sie kennt die Vorlieben und Eigenarten ihrer Patientinnen und Patienten, weiß, wer es nicht mag, den Rücken geschrubbt zu bekommen, wer lieber nur alle zwei Tage rasiert werden will. Schnell stellt sich Vertrautheit ein, und manchmal ist es sogar so, dass eine tiefe Freundschaft entsteht. 

Selina hat Frühschicht. In der Einrichtung für betreutes Wohnen, die sich gleich gegenüber des Johanniterhauses Mansfeld befindet, besucht sie eine neue Patientin. Die Seniorin sitzt gerade mit einem ihrer drei Söhne beim Frühstück. „Du bist Frau L. aus Walbeck!“ begrüßt sie der Mann und bietet ihr an, mit ihnen gemeinsam zu frühstücken. Selina ist erstaunt und bis heute kann sie sich nicht erklären, woher der Sohn der Patientin sie kennt. Doch seit diesem Morgen am Küchentisch ist es fast so, als gehörte sie zur Familie. Die Seniorin schließt die junge Frau ins Herz. „Du bist wie die Tochter, die ich nie hatte“ sagt sie einmal zu Selina. In solchen Momenten ist Selina besonders glücklich darüber, in ihrem Beruf so viel Dankbarkeit und Liebe zu erfahren.   

In den sechs Jahren, in denen Selina und Kevin zusammenwohnen, hat sich in dem alten Backsteinhaus viel getan. Als Kevin in die Doppelhaushälfte einzieht, rechnet er nicht damit, dass die Frau seines Lebens so schnell am Horizont auftaucht. Doch das Schicksal hat eben seine eigenen Pläne. 

Bevor Selina Kevin kennenlernt, lebt sie noch Zuhause. Sie ist gerade mal 17, hat vor kurzem die Schule beendet und den ersten Schritt ins Arbeitsleben gewagt. Während ihrer Schulzeit hat sie Praktika in der Pflege gemacht, und sie weiß jetzt, dass es genau der Job ist, den sie machen will. Natürlich muss sie noch viel lernen und Erfahrungen sammeln. Berührungsängste hat sie keine, und sie lernt, mit Geduld und Einfühlungsvermögen das Vertrauen der Patientinnen und Patienten zu gewinnen. Heute will die junge Frau sich fachlich weiterbilden, möchte bald eine Ausbildung zur Pflegefachkraft machen, um ihre Patientinnen und Patienten noch besser versorgen zu können.  

Auch in ihrem neuen Zuhause muss Selina am Anfang einiges lernen. Früher hat ihre Mutter sich um alles gekümmert, morgens hat sie Selina geweckt und sie zur Ausbildungsstelle nach Gerbstedt gefahren. Zum Glück ist Kevin es schon gewohnt, für sich selbst zu sorgen. Er zeigt Selina, wie man den Haushalt schmeißt. Hin und wieder passiert ihr noch ein Missgeschick, dann sind die Spiegeleier plötzlich so schwarz und ungenießbar wie Schuhsohlen. Kevin nimmt es gelassen, zeigt ihr, wie man den Herd richtig einstellt, damit das Essen in der Pfanne nicht verbrennt. 

Heute hat Selina den Dreh raus. Im Job weiß sie genau, wie sie mit ihren Patientinnen und Patienten umgehen muss, wie sie sie motivieren und aufheitern kann. Zuhause teilen sie und Kevin sich alle Aufgaben gerecht auf. Wenn Kevin mit seinem Werkzeugkasten in einem der Zimmer zugange ist, ist es Selina, die sich um den Haushalt kümmert. Schritt für Schritt wollen sie das Haus komplett sanieren. Und wenn es einmal so weit ist, soll es auch ein Kinderzimmer geben. Doch damit lassen sich die beiden ausnahmsweise noch etwas Zeit.