Volker
// Volker ist die gute Seele in der Hauswirtschaft auf Sylt.
„Das Kochen habe ich von meiner Großmutter gelernt. Als Kind war ich oft bei ihr. Während die anderen Kinder draußen spielten, war ich in der Küche und habe ihr zugesehen. Sie war da locker, hat auch mal den Kochlöffel aus der Hand gegeben, damit ich mich ausprobieren kann. Die Küche hatte für mich schon damals eine riesige Anziehungskraft. Wir haben in Husum gelebt, meine Großeltern hatten einen Viehbetrieb, damals gab es ja noch den Husumer Viehmarkt, und eine Gastwirtschaft mit Fremdenzimmern. Und dann hat meine Großmutter noch täglich für die Familie gekocht, für 5 oder 6 Leute, und ich habe mitgemacht.
Rollenklischees hat es bei uns in der Familie nicht gegeben. Meine Mutter konnte tapezieren, hat Regale und Schränke gebaut. Ich selbst habe in der Schule Häkeln und Stricken gelernt. Da musste ich mich aber schon durchsetzen. Ein Junge, der anstelle des Werkunterrichts Handarbeit machen möchte. Mir ging es darum, etwas Praktisches zu lernen, das mir im Leben weiterhilft. „Ich will meine eigenen Strümpfe selber stopfen können und nicht zu Mama laufen!“, habe ich dem Lehrer gesagt. Das Argument hat gezogen.
Nach der Schule war dann klar, dass ich Koch werden will. An einem Donnerstag saß ich beim Arbeitsamt. Man sagte mir, dass es in der Nähe keine Lehrstellen gibt. Sie hätten nur eine Stelle in Brunsbüttel – das sei aber mehr als 100 km entfernt. Ich kam also raus aus diesem Büro und stellte mich an die Straße. Mit meiner abgeschnittenen Jeans, einem zerrissenen T-Shirt und Schlappen. So trampte ich dann nach Brunsbüttel. Es war Nachmittag, als ich in dem Hotel ankam, pünktlich zur Kaffeezeit. Die Wirtin hat einen Kaffee mit mir getrunken, und am darauffolgenden Montag habe ich angefangen.
Später habe ich erfahren, dass es ihr imponiert hat, wie ich da aufgetaucht bin. So wie ich war, ganz spontan eben.“
„Essen ist für mich ein Stück Leben. Es hält Leib und Seele zusammen, spricht alle Sinne an. Natürlich isst das Auge auch mit. Gutes Essen macht einfach Spaß. Und wenn es nicht schmeckt, ist der ganze Tag im Eimer. Das ist auch im Job mein Motto. Seit 5 Jahren bin ich im Johanniter-Haus Westerland in der Hauswirtschaft tätig und gehöre jetzt schon zum lebenden Inventar. Wir richten das Essen an und bereiten Zwischenmahlzeiten zu. Wenn jemand einen besonderen Wunsch hat, geben wir unser Bestes, um ihn zu erfüllen. Wir versuchen, keine Lebensmittel wegzuschmeißen und zaubern aus dem, was da ist, leckere Gerichte und Shakes. Nach vielen Jahren als Küchenchef bin ich froh, diese Stelle gefunden zu haben.
Nach der Lehre bin ich damals als Koch zur Bundeswehr gegangen. Ich wollte mal raus und die Welt sehen. In Süddeutschland, wo ich stationiert war, gab es viele US-Soldaten, wir haben Tür an Tür gewohnt. So kam ich Ende der 80er Jahre in die USA, habe in der Nähe von Boston gearbeitet. Dort habe ich mein Faible für Sprachen entdeckt. In der Schule habe ich mich da immer verweigert, und plötzlich konnte ich Englisch sprechen. Da war ich dann selbst verblüfft, was alles in mir steckt.
Später hat es mich nach Ägypten und nach Italien verschlagen. Ich war immer dort glücklich, wo ich ein Auskommen hatte. In diesem Job muss man flexibel sein und sich immer wieder was einfallen lassen.
Im Ausland habe ich gelernt, wie man aus den Gerichten noch etwas herauskitzeln kann. Man kann Fisch mit Salz und Pfeffer würzen, doch mit Minze und Ras el-Hanout schmeckt es eben noch besser.
Ich selbst probiere alles. Damit ich wenigstens mitreden kann. Auf dem Markt in Ägypten habe ich einmal gegrillte Heuschrecken gegessen. Die schmecken gar nicht so schlecht, leicht nussig, und knackig sind sie auch, für mich hat aber das eine Mal gereicht.“
„Ein Traum von mir ist es, einmal in der Freilichtarena in Verona die Oper Nabucco von Verdi anzuschauen. Seit meiner Jugend bin ich ein großer Opern-Fan. Ich habe damals drei Semester lang Ernährung und Hauswirtschaft studiert. Mit den Kommilitonen haben wir einmal einen Ausflug nach Kiel gemacht und uns den Vogelhändler von Carl Zeller angesehen. Ich war total fasziniert. Seitdem bin ich drangeblieben, habe heute eine stattliche Sammlung.
Eine Oper hat so viel Ausdrucksstärke, man muss sie mit dem ganzen Körper hören, muss sich Zeit nehmen und die Musik wirken lassen. Ich mache ein Stück an, lehne mich zurück und genieße.
Auch meine Frau liebt die Oper, eher die leichteren Stücke und Operetten. Wir lernten uns kennen, als ich in den 90er-Jahren aus Italien zurück in die norddeutsche Heimat kam. Im September werden wir Silberhochzeit feiern. Bis heute koche ich fast jeden Tag für sie. Das hat sie verdient.
Leider hatte ich wegen meines Berufs nie wirklich Zeit, in die Oper zu gehen. In der Gastronomie arbeitet man meistens im Teildienst. Vormittags trifft man Vorbereitungen, und nach einer Pause am Nachmittag geht das Abendgeschäft los. Das ist schon ein Knochenjob, man muss dafür gemacht sein. Aus gesundheitlichen Gründen musste ich schließlich aufhören. Heute arbeite ich 30 Stunden in der Woche und habe geregelte Arbeitszeiten. Mit 60 ist man eben nicht mehr so belastbar wie früher.
Die Reise nach Verona machen wir, wenn ich in ein paar Jahren in Rente gehe. Dann bleiben wir etwas länger und reisen noch ein wenig rum. Und natürlich schauen wir uns die Nabucco an. Der Gefangenenchor ist wirklich einzigartig. Allein wenn ich daran denke, bekomme ich Gänsehaut.“