Milenia
// Milenia ist als Pflegedienstleitung im Johanniter-Stift Berlin-Johannisthal tätig.
„Es ist besser zu lachen als zu meckern. Mit Meckern können wir niemandem helfen, mit Lachen schon.“ Die Stimme der 49-Jährigen klingt warm und herzlich, ihr Gesicht strahlt unverstellte Fröhlichkeit aus. Milenia ist eine dieser besonderen Personen, die unbeirrbar eine positive Stimmung verströmen – und die sie auch in herausfordernden Momenten nicht verlieren. Momente wie beispielsweise den, als sie 2001 abrupt in eine andere Welt katapultiert wird.
2001 verlässt Milenia zusammen mit ihrem Mann und ihren zwei kleinen Kindern ihr Heimatland Bolivien und wandert nach Deutschland aus. So richtig planen konnte sie dabei nicht. „Innerhalb von drei Monaten sind wir nach Deutschland gekommen“, erinnert sie sich. Denn die Firma ihres Ehemannes sattelt nach Deutschland um – und ihr Mann muss mit. „Deswegen habe ich gesagt, okay, ich gehe mit dir“, sagt Milenia, nun etwas bedachter. „Aber am Anfang ist man überlastet, es ist schwierig“. Das Diplom der studierten Finanzökonomin wird nicht anerkannt, Sprache und Umgebung sind fremd. Das Gefühl, auf einmal abhängig zu sein, ist der Frau mit den großen braunen Augen am meisten im Gedächtnis geblieben. „Wenn man immer gewohnt ist, selbstständig zu sein, seine Arbeit zu haben, und dann ist man auf einmal abhängig – das war hart für mich“, sagt sie leicht nachdenklich.
Doch Milenia sieht das Glas lieber halb voll als halb leer. Diese energische Art, mit der Milena auch heute noch auf das Leben zugeht, hilft ihr in der ersten Zeit in Deutschland. Anstatt sich von den vielen Aufgaben überwältigen zu lassen, stürzt sie sich mitten hinein: Ihre zwei kleinen Kinder, der Deutschkurs, die Suche nach einer neuen Arbeit – sie braucht es am Anfang, beschäftigt zu bleiben. Noch einmal drei Jahre in die Uni zu gehen, damit ihr Diplom anerkannt wird, kommt dabei nicht infrage. „Ich habe mich gefragt – was mache ich jetzt? Ich wusste nur, ich will arbeiten“, schmunzelt sie.
Jeden Tag spaziert Milenia in ihrer ersten Zeit in Deutschland an einer Pflegeeinrichtung mit einem achtspitzigen Kreuz vorbei – und so führt sie Neugierde zu den Johannitern. Obwohl sie die Sprache noch nicht ganz beherrscht, entscheidet sie sich kurzerhand für ein Praktikum. Sechs Monate nach ihrer Ankunft in Deutschland startet sie die Ausbildung. Die Arbeit mit den Bewohnerinnen und Bewohnern hilft Milenia. „Ich konnte zwar noch nicht perfekt Deutsch, aber die Bewohner, die mochten mich. Sie wollten alles von mir wissen, und wenn ich was falsch gesagt habe, dann waren sie auch meine Deutschlehrer“, erinnert sie sich begeistert zurück.
Die Begeisterung für ihre Arbeit ist auch nach nunmehr 20 Jahren noch nicht abgeebbt. Ganz im Gegenteil – wenn Milenia von ihren Aufgaben als Pflegedienstleitung spricht, sprudelt sie über vor Tatendrang. „Meine erste Aufgabe jeden Tag ist es, mit dem Pflegepersonal zu reden, das ist meine Priorität. Auch wenn es nur fünf Minuten sind“, bekräftigt die 49-Jährige. Zwar könne sie mit einem Klick im Computer alles sehen – doch der menschliche Kontakt, die Wertschätzung für ihre Kollegen, das stehe für sie an erster Stelle.
Milenia verschreibt sich ihrer Arbeit mit Leib und Seele. „Ich kämpfe darum, dass der Beruf gut anerkannt wird“, sagt sie entschlossen. Ihre zugewandte, offene Art und ihr offensichtliches Talent auch in schwierigen Situationen zu vermitteln, setzt sie dabei für alle beteiligten Parteien ein – für die Bewohnerinnen und Bewohner, das Personal und die Angehörigen. Denn wo Menschen sind, gibt es auch Konflikte. Aber Milenia erweckt keineswegs den Eindruck, je davon müde zu werden.
Milenias unverkennbares Talent, vor Temperament und Engagement nur so zu sprudeln, hat sie im Laufe der Jahre weise einzusetzen gelernt: „Früher hatte ich keine Geduld, jetzt denke ich erst und sage dann etwas“, gibt sie humorvoll zu. Was das Geheimnis für ihre Zufriedenheit und Leidenschaft anbelangt, gibt es für sie eine kurze, aber knackige Antwort: „Man soll mögen, was man macht. Ich liebe meine Arbeit, aber ich kann auch gut abschalten. Wenn ich zu Hause bin, bin ich zu Hause“, sagt sie.
Ihr Zuhause – das ist für Milenia mittlerweile in Elbe Elster auf dem Land. Sie liebt die Natur und das Landleben. „Ich habe einen Bauernhof, aber ohne Tiere, dafür habe ich keine Zeit“, lacht sie wieder. Wenn man nach der Arbeit nicht abschalten kann, werde man krank – und ihre Erkenntnis, wie wichtig es ist, wirklich präsent im Moment zu sein, offenbart sie damit ganz nebenbei.
In ihre Heimat Bolivien ist sie unterdessen seit acht Jahren nicht zurückgekehrt. Hier hat die Pandemie ihr wie so vielen anderen auch einen Strich durch die Rechnung gemacht. Aber Milenia wäre nicht Milenia, wenn sie nicht auch hier das Gute sehen würde. So locker und großzügig, wie sie ganz nebenbei Lebensweisheiten verrät, sagt sie: „Ich habe acht Jahre wegen allem Möglichen damit gewartet, nach Hause zurückzukehren. Dann, eine Woche bevor ich endlich alles zusammen hatte, haben sie die Grenzen zugemacht. Daraus habe ich etwas gelernt: Man soll die Dinge nicht aufschieben“, verrät sie – wieder mit einem Lächeln auf den Lippen.