Michael S.

// Michael arbeitet als Hausmeister im Johanniterhaus Johann Sebastian Bach in Salzgitter.

„‘Wie kannst du als Mann nur in die Pflege gehen?‘ Diesen Satz habe ich zu Anfang meiner Ausbildung zigmal gehört. Als ich 1991 kurz nach der Wende anfing, waren das noch andere Zeiten! 

Kurz vorher hatte ich einen schweren Unfall gehabt. Monatelang lag ich im Krankenhaus – unfähig, mich zu bewegen. Lange war nicht klar, ob ich gelähmt sein würde. Sollte ich es nicht sein – das schwor ich mir – würde ich direkt aus dem Krankenhaus heraus und rein in die Pflege spazieren. Der Unfall hatte mir klar gemacht, wie schnell es gehen kann: Plötzlich bewegungsunfähig und vollkommen hilfsbedürftig. Und ich habe hautnah gesehen, was die Schwestern alles leisten mussten. Männern wurde das damals ja gar nicht zugetraut – in die Pflege zu gehen. Aber ich habe mich von Anfang an gleich richtig wohlgefühlt. 

Danach hat man mich mit Mitte 20 noch mal als ‚alten Daddy‘ zur Bundeswehr geholt. Am Anfang war alles prima, aber kurze Zeit später kam der Sarajevo-Konflikt. Darauf waren wir nicht vorbereitet. Meine Frau war gerade mit unserem Sohn frisch schwanger und ich saß auf einmal in einer Transall und bin Einsätze von Fliegerhorst Wunstorf nach Sarajevo geflogen.

Am 17. August standen wir, als wir gerade Lebensmittel und Medikamente über dem Gebiet abgeworfen hatten, unter Beschuss. Ich konnte einzig und allein an meine Frau denken. Viele können sich so etwas schwer vorstellen – wie das ist, wenn einem die Kugeln um die Ohren fliegen. Und auch bei mir waren es ja nur ein paar Schuss. Aber wenn man das erlebt, dann lernt man seine Familie und seine Freunde erst wirklich und wahrhaftig wertzuschätzen. Ich war schon immer ein Familienmensch – aber seither steht die Familie mehr denn je an allererster Stelle.“

„Also ich könnte ohne meine Frau nicht leben, ganz ehrlich. Wir sind beide Baujahr 1969 und haben uns bereits im Kindergarten kennengelernt. Ich wusste damals schon, dass wir uns irgendwann das Ja-Wort geben. Das Leben hat uns dann getrennt, aber 1987 habe ich sie wiedergefunden. Und von diesem bis zum heutigen Tag entscheiden wir uns immer wieder aufs Neue füreinander. Denn zu heiraten – für mich ist das nicht einfach nur ein Wort. Man muss das auch wirklich leben. 

Zu unserer Silberhochzeit haben wir uns einen Traum erfüllt. Wir sind nach Las Vegas geflogen und haben dort noch mal geheiratet. Von unserem ersten Hochzeitstag an haben wir dafür gespart – jeden Monat, was wir eben übrig hatten. Meine Frau ist bis zu diesem Zeitpunkt noch nie in einem Flugzeug gesessen. Der Flug war die absolute Hölle für sie. Aber nichtsdestotrotz: Die Elvis-Kapelle, den Grand Canyon und den Hoover Damm zu sehen, das war ein einmaliges Erlebnis. Für unseren 50. Hochzeitstag haben wir schon das nächste Ziel: Da möchten wir uns hier in Deutschland noch einmal vermählen. 

Meine Familie ist durch Schicksalsschläge oder Schwierigkeiten eigentlich nur noch immer enger zusammengerückt. Die Krebserkrankung und der Tod meines Vaters hat uns gezeigt: Mensch, die Familie muss viel mehr zusammenhalten. Klar gibt es auch bei uns Reiberein. Aber dass Jung und Alt nicht zusammenleben können, ist totaler Quatsch. Zwei Jahre lang haben meine Frau, ich, unser Sohn und unsere Enkeltochter Anastasia unter einem Dach gelebt. Das war eine herrliche Zeit! Egal, wie müde ich nach einem langen Tag nach Hause kam, für meine kleine Prinzessin hatte ich immer Zeit.“

„Mein Uropa meinte: Junge, aus dir wird mal ein Fischer! Und damit hat er Recht behalten, denn die gesamte Familie Scholz ist eine große Anglerfamilie. Meinen Angelschein habe ich 1982 gemacht, da war ich gerade zwölf Jahre alt. Seither waren wir schon in den tollsten Angelgebieten unterwegs – von Seen im Harz bis zu Fischerausflügen in Amerika.

Es gibt ja diese Anglerwitze, wie etwa: ‚Was ist noch langweiliger als Angeln? Beim Angeln zuzugucken!‘  Davon können wir auf jeden Fall kein Lied singen. Beim Angeln werde ich eins mit der Natur – die Ruhe und die Erholung ist einfach das Größte für mich. Selbst meine Frau, die keinen Angelschein hat, ist begeistert – auch wenn wir als Familie während unseren Ausflügen kaum reden. Wenn ich nur reden will, dann kann ich ja auch zu Hause bleiben. Außerdem hören Fische unwahrscheinlich gut. Und das Schöne ist: Nach 5 bis 6 Stunden können sich alle wieder wunderbar unterhalten. Denn am Ende des Tages hat jeder etwas anderes zu erzählen.

Manchmal denke ich darüber nach, wie der Mensch mit der Natur umgeht. Wenn ich an einem Stausee sitze, den Posen zusehe, wie sie im Wasser umherschwirren oder Libellen und unbekannte Insekten beobachte, denke ich manchmal: Wie benehmen wir uns nur in der Natur! Der ganze Müll, der da hingeschmissen wird. Es ist nicht mehr so wie früher. Auch die Arbeitsmoral hat sich verändert, finde ich. 

Aber nur rumzusitzen und zu jammern, ist nichts für mich. Es gibt heutzutage zu viele Leute, die sagen: Das schaffe ich nicht, das mache ich nicht, das will ich nicht. Für mich gilt: Geht nicht, gibt’s nicht.“