23.12.2025 | Regionalverband Bayerisch Schwaben

Rituale des Erinnerns

Wie Familien ihre eigene Form des Gedenkens finden

Erinnerungskerze
@Alexandra Mekiska

Der Verlust eines nahestehenden Menschen ist für Familien eine tiefgreifende Erfahrung, die das alltägliche Leben oft komplett verändert. Besonders Kinder und Jugendliche, aber auch junge Erwachsene, stehen vor der Herausforderung, den Tod eines geliebten Menschen zu verstehen und gleichzeitig ihre eigenen Gefühle einzuordnen. Lacrima, ein Angebot der Johanniter in Ulm/Neu-Ulm, Kempten und Augsburg, begleitet Familien in dieser schwierigen Zeit. In regelmäßigen Gruppenstunden erhalten Trauernde einen geschützten Rahmen, um Gefühle zu äußern, Erinnerungen zu teilen und eigene Rituale des Gedenkens zu entwickeln.

„Es gibt keine allgemeingültige Methode, mit Trauer umzugehen. Jede Familie muss ihre eigene Form des Gedenkens finden“, erklärt Christine Joos, Leiterin von Lacrima Ulm/Neu-Ulm. „Das kann so einfach sein wie das Anzünden einer Kerze, das Erzählen von Geschichten über den Verstorbenen oder das gemeinsame Besuchen eines Ortes, der besondere Erinnerungen weckt. Rituale schaffen Halt, geben Struktur und machen die Erinnerung greifbar.“

Auch Viviana Boy, Leitung von Lacrima Kempten, unterstreicht, wie wichtig feste Rituale für Kinder sind: „Kinder brauchen wiederkehrende Strukturen, um mit ihrer Trauer umzugehen. Sie helfen, Gefühle auszudrücken, die sonst schwer fassbar sind. Kleine tägliche oder wöchentliche Rituale können dabei helfen, einen sicheren Rahmen zu schaffen.“

Gabriela Becker, Leiterin in Augsburg, betont die Bedeutung gemeinsamer Erinnerungen für die Familienbindung: „Rituale müssen nicht groß oder aufwendig sein. Entscheidend ist, dass sie von Herzen kommen und der Trauer einen festen Platz im Familienleben geben, ohne dass sie verdrängt wird. Das kann ein gemeinsames Vorlesen von Briefen, das Ansehen alter Fotos oder ein Spaziergang zu einem besonderen Ort sein.“

Die Gruppenstunden bei Lacrima finden alle zwei Wochen statt und werden von geschulten Ehrenamtlichen begleitet. Die Teilnahme ist kostenfrei und wird durch Spenden und Förderungen ermöglicht. Die erfahrenen Begleiterinnen und Begleiter helfen Kindern, Jugendlichen und ihren Familien, ihre Trauer zu verstehen und kreative Wege zu finden, um Erinnerungen zu bewahren.

Empfehlungen für Familien nach einem Verlust:

•    Rituale gestalten: Zünden Sie Kerzen an, gestalten Sie kleine Erinnerungsstücke oder legen Sie einen besonderen Platz für Erinnerungen an den Verstorbenen fest.

•    Erinnerungen teilen: Erzählen Sie Geschichten über den Verstorbenen, schauen Sie alte Fotos an oder lesen Sie gemeinsam Briefe.

•    Offene Gespräche führen: Beantworten Sie Fragen der Kinder ehrlich und altersgerecht, ohne sie zu überfordern und nehmen Sie ihre Gefühle ernst.

•    Gefühle zulassen: Lachen und Trauer können nebeneinander existieren. Erlauben Sie Kindern, ihre Emotionen auszuleben, ohne sie zu drängen.

•    Neue Traditionen entwickeln: Passen Sie Feiertage, Geburtstage oder andere familiäre Rituale an, um den Verlust zu berücksichtigen, ungeachtet dessen, was andere erwarten oder sagen.

•    Kreativität nutzen: Malen, Schreiben, Basteln, Toben oder Musizieren kann helfen, Gefühle auszudrücken und Erinnerungen zu bewahren.

•    Unterstützung suchen: Nehmen Sie professionelle Hilfe in Anspruch oder nutzen Sie Angebote wie Lacrima, um den Trauerprozess zu begleiten.

Durch diese Maßnahmen erfahren Familien, dass Trauer Raum braucht, dass sie individuell gelebt werden darf und dass es Wege gibt, den Verlust in das Familienleben zu integrieren. Lacrima zeigt, dass es möglich ist, Erinnerungen bewusst zu gestalten, Halt zu finden und die Verbindung zu den Verstorbenen lebendig zu halten.

Dabei ist den Verantwortlichen bewusst, dass die Trauer um eine oft zentrale Schlüsselfigur – wie etwa Vater oder Mutter – nicht einfach verschwindet. „Dieser Verlust bleibt ein Teil des Lebens“, betonen die Lacrima-Leitungen übereinstimmend. Lacrima hat es sich zur Aufgabe gemacht, Familien ein Stück auf diesem Weg zu begleiten, besonders intensiv in der ersten Zeit nach dem Verlust, aber auch mit dem Ziel, sie nachhaltig zu stärken.

Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene sollen Werkzeuge an die Hand bekommen, die ihnen helfen, mit dem Verlust weiterzuleben und trotz allem hoffnungsvoll nach vorne zu blicken. Gerade für junge Menschen, die ihr ganzes Leben noch vor sich haben, ist diese Unterstützung von besonderer Bedeutung. „Es ist ein großes Privileg, solche Werkzeuge zu erhalten“, heißt es aus dem Lacrima-Team. „Viele Erwachsene berichten rückblickend von eigenen Verlusten und sagen: So ein Angebot gab es bei uns nicht und wir hätten es dringend gebraucht.“

Lacrima setzt genau hier an: Es schafft Räume, in denen Trauer verstanden wird, Erinnerungen Platz haben und Kinder sowie Jugendliche lernen, ihren eigenen Weg mit dem Verlust zu finden, getragen von Begleitung, Gemeinschaft und der Hoffnung, dass das Leben trotz allem weitergehen darf.