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13.08.2021 | Dienststelle Ortsverband Wilhelmshaven

Wenn Johanniter mehr die Seele als Wunden versorgen

Aufgaben im Einsatz in Ahrweiler haben sich in den vergangenen Tagen gewandelt

In den Morgenstunden des 12. August brachen in Bad Neuenahr-Ahrweiler, einer der am stärksten von der Hochwasser-Katastrophe betroffenen Städte in Rheinland-Pfalz, knapp 50 Freiwillige der Johanniter-Unfall-Hilfe aus Niedersachsen und Bremen die Heimreise an. Sie waren seit Sonntagabend am Ort und hatten drei Tage und Nächte im Auftrag des Landes Niedersachsen bei der Bewältigung der Flutfolgen geholfen und wurden am Abend in ihren Heimatverbänden erwartet. Für die meisten, darunter der Großteil der Führung, war es bereits der dritte Einsatz in Ahrweiler. Doch die Herausforderungen im Einsatzgebiet haben sich verändert.

Der eigentliche Einsatzauftrag lautet, die medizinische Versorgung in der in Teilen zerstörten 28.000 Einwohner-Stadt zu unterstützen und die Einsätze der Bewohner, der Spontanhelfer sowie der Kräfte des THWs abzusichern. Doch Uwe Drückhammer schüttelt mit Blick auf die Lagekarte den Kopf. „Natürlich sind wir an unseren drei Unfallhilfsstellen bereit, um Wunden zu versorgen und zu impfen“, betont der Leiter des Arbeitsstabes, der den Einsatz vor Ort koordiniert. Doch die sanitätsdienstlichen Einsätze standen zahlenmäßig gar nicht mehr im Vordergrund. „Die Hilfsstellen sind zu sozialen Treffpunkten geworden“, erläutert Drückhammer und verweist auf viele soziale Kontakte zwischen den Betroffenen und den ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern. „Viele Bürger, die von der Katastrophe betroffen sind, haben Gesprächsbedarf“, ergänzt Bastian Reuter aus Ahlhorn, der den Einsatz der Sanitätskräfte führte. „Das, was die Menschen hier erlebt haben, muss im wörtlichen Sinne besprochen werden.“

An allen Markierungspunkten auf der Lagekarte haben Drückhammers Funkhelfer daher neben der Zahl der jeweils eingesetzten Sanitäter auch Personalstärken von Betreuungshelfern sowie Kräften aus der psychosozialen Notfallversorgung (PSNV) notiert. Und an jedem Einsatzabend berichten sie in der Lagerunde von den Erlebnissen draußen. „Wir haben Betroffene, die haben tagelang durchgeschuftet und jetzt, wo in den Eigenheimen das Gröbste erledigt erscheint, wird einigen erst klar, was ihnen eigentlich widerfahren ist“, erzählt Drückhammer, der aus Wilhelmshaven in den Süden gereist ist. Dass die Ehrenamtlichen der Johanniter ein Ohr für die Sorgen, Nöte und Ängste der Betroffenen haben und sich die Zeit zum Zuhören nehmen, wird dankend angenommen. An einigen Häusern, die von der zerstörerischen Kraft des Wassers gezeichnet sind, hängen Papierschilder oder Bettlaken, auf denen der Dank an die Helfer gemalt ist.

„Es geht um Vertrauen und Sicherheit“, erzählt Torsten Dallmeyer vom Ortsverband Aurich, der die soziale Hilfe mit Dingen des täglichen Lebens mit den Bürgerinitiativen vor Ort koordiniert. „Als die Ahr soweit über die Ufer trat, dass sogar die Pegelmessung überflutet wurde, ist das Gefühl einer Sicherheit im heimischen Viertel verloren gegangen.“ Alleine, dass es professionelle Helfer im Stadtbild gäbe, dass niemand weggeschickt werde, der um Hilfe bittet, baue in kleinen Schritten das verlorene Vertrauen wieder auf. „Diese rein menschliche Präsenz ist es, worauf es jetzt ankommt“, sagt Dallmeyer und greift wieder zum Telefon. Seine Helfer sind schon wieder unterwegs, der nächste Einsatzauftrag ruft.