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08.03.2022 | Dienststelle Ortsverband Emden

Wie erklärt man Kindern eigentlich den Krieg? Ein Versuch im Hort.

Malaktion für die Menschen in der Ukraine im Hort Grüner Baum am Wall in Emden

Der dicke Pinsel trägt mit mehreren Strichen die gelbe Farbe auf die kleine Leinwand auf und es bedarf nicht allzu viel Phantasie, schon bald eine Friedenstaube zu erkennen. Das 7-jährige Mädchen, welches den Pinsel führt, hat genau im Kopf, was es am Ende werden soll. „Ich male gleich noch den blauen Himmel“, erklärt sie und schaut mit wachem Blick über den Rand ihrer rosafarbenen Maske. „Die Taube fliegt ganz hoch hinaus, bis in die Ukraine.“

Kim Westerhof muss schlucken, wenn sie solche Sätze hört. Die Leiterin des Hortes „Grüner Baum am Wall“ der Johanniter in Emden steht etwas abseits am Fenster und schaut nachdenklich nach draußen. „Das Thema Krieg ist allgegenwärtig“, erzählt sie. Und: „Die Kinder kriegen viel mehr mit, als man so denkt.“ Daher war die Entscheidung gemeinsam mit ihren Kolleginnen auch schnell gefallen, sich an einer Aktion der Fresena-Galerie aus der Stadt zu beteiligen. Nun sitzen 15 Kinder in dem Hort der Johanniter an dem langen Tisch und malen ihre Gedanken, ihre Wünsche und ihre Hoffnungen zur Lage in der Ukraine auf kleine weiße Leinwände.

„Die Bilder übergibt mein Team an die Galerie“, erklärt Westerhof den Plan. 30 Stück werden es wohl wer­den, vielleicht auch ein paar mehr. In den kommenden Tagen wird man diese Bilder kaufen können, bei Fresena, aber auch bei Kaufleuten in der Emder Brückstraße, die sich nachbarschaftlich beteili­gen wollen. Den Preis bestimmt der Käufer selbst – und die Gelder gehen in die Hilfsaktionen für die Menschen, die von den Kampfhandlungen, aber auch von der Flucht betroffen sind.

Nicht immer sind die Motive voller Hoffnung. Und so braucht Kim Westerhof einen Moment, als ein kleiner Junge ihnen mit leiser Stimme von der Angst erzählt, die er jetzt hat. „Was passiert, wenn der Krieg zu uns kommt?“, wiederholt die 28-jährige Erzieherin die Frage, die ihr der Kleine gestellt hat. Eine richtig gute Antwort hatten sie im Team nicht, aber es hilft den Kin­dern, dass die Erwachsenen im Hort authentisch damit umgehen. „Wenn vielleicht auch mal bei uns eine Träne rollt, was soll’s?!“, so Westerhof. „Es ist ja auch traurig, was da passiert.“

Neben Kim Westerhof steht Cord Siedenberg und nickt. Der Ortsbeauftragte der Johanniter in Emden kennt das Leid von Geflüchteten: Seit Jahresanfang betreuen seine ehrenamtlichen Einsatzkräfte ein Ausweichquartier der Landesaufnahmebehörde in Emden – und der nächste Einsatz steht schon vor der Tür: „Unsere regionale Einsatzleitung hat Voralarm gegeben“, berichtet Siedenberg. „Denn schon bald könnten viele ukrainische Geflüchtete nach Niedersachsen kommen und unsere Hilfe brau­chen.“ Doch auch wenn die ehrenamtlichen Einsatzkräfte von den vergangenen Wochen gefordert waren: „Wir Johanniter sind einsatzbereit“, sagt Cord Siedenberg entschlossen.

Kim Westerhof schaut derweil über die weiteren Bilder, die die Kinder gemalt haben. „Unser Beitrag heute mag ein kleiner Beitrag für den Frieden sein“, sagt sie mit Blick auf die Hilfstransporte, die auch von den Johannitern und ihren Partnern derzeit Richtung Osteuropa rollen. Mit fester Stimme setzt sie nach: „Doch in dieser furchtbaren Situation zählt jedes Zeichen, alles.“ Heute Morgen noch standen die Kinder in der Schule für eine Friedensaktion gegen den Krieg auf, auch das kleine Mäd­chen mit dem rosafarbenen Mund­schutz. Nun bringt sie ihre Gedanken auf die Leinwand und spricht über das, was ihr dabei durch den Kopf geht.

Für jene Kinder, denen das schwerfällt, haben die Erzieherinnen einen Pappkarton als Kummer­kasten aufge­stellt. Dort können die Kinder kleine Zettel mit ihren Fragen und ihren Sorgen einwerfen, auch gemalte Bilder sind erlaubt. Nächste Woche wollen sie den Kasten dann leeren. „Und dann sprechen wir mit den Kindern drüber“, sagt Kim Westerhof und zuckt etwas unsicher mit den Schultern. Als Cord Siedenberg wenig später geht, sieht er im Augenwinkel einen blonden Jungen, der den ersten Zettel in die Box wirft. Das Team von Kim Westerhof wird kommende Woche Antworten geben müssen. Dabei sind gute Antworten auf den Krieg rar.