Unser Haustechniker
// Sascha arbeitet als Haustechniker im Johanniter-Haus Dietrichtsroth.
Dass er einmal in einer Pflegeeinrichtung arbeiten würde, hätte Sascha nicht gedacht. Auch nicht, wie zufrieden es ihn machen würde. Denn Sascha kommt aus einer anderen Welt, in der Männer meist unter sich sind und in der ein rauer Ton herrscht. Dass es auch anders geht, weiß er, seitdem er als Haustechniker im Johanniter-Haus Dietrichsroth angefangen hat. Als Mann ist Sascha hier in der Unterzahl, doch das stört ihn überhaupt nicht. Hier fühlt er sich ernst genommen. Das war nicht überall so.
Ursprünglich ist Sascha gelernter Metallbauer. Zuletzt arbeitet er im Lager einer großen Supermarktkette. Der klassische Gabelstapler gehört hier längst der Vergangenheit an. Alles läuft vollautomatisiert – von den Bestellungen übers Kassensystem bis hin zu den Maschinen, die die Ware zusammenstellen. Sascha ist in der Haustechnik tätig, repariert Roboterkräne. An sich macht der Job ihm großen Spaß. Wäre da nicht der Ton, der im Lager herrscht. So modern die Technik auch ist – von flachen Hierarchien hat man hier noch nicht gehört. Wenn Sascha Rat sucht, heißt es: „Nicht diskutieren, einfach machen!“
„Man ist der Depp, der kleine Haustechniker.“ Sascha erinnert sich nicht gern an die Arbeitsatmosphäre im Warenlager.
Ganz anders ist es heute. Als seine Stelle bei der Supermarktkette gestrichen wird, sucht Sascha einen neuen Job – und bewirbt sich im Johanniter-Haus Dietrichsroth. Für ihn ist es eine großartige Erfahrung: Eine Einrichtungsleiterin, die immer ein offenes Ohr für ihn hat. Menschen, die sich freuen, wenn er das Zimmer betritt, um etwas zu reparieren. Er sorgt dafür, dass alles funktioniert, wie es soll. Und zum Glück ist ihm das handwerkliche Geschick sozusagen in die Wiege gelegt worden.
Sascha hat schon immer gern gewerkelt, und das nicht nur im Job. Seit Jahren investiert er in seiner Freizeit viele Stunden Arbeit in ein Haus. Doch nicht in irgendeins. Es ist das Haus seiner Eltern, das Haus, das Saschas Großvater mit eigenen Händen gebaut hat. Seine Wände erzählen die Geschichte von Saschas Familie, die weit ins letzte Jahrhundert hineinreicht.
Es ist 1939. Saschas Großvater ist zehn Jahre alt, als der 2. Weltkrieg ausbricht. Wie jeder Krieg bringt er Zerstörung, die Familie verliert ihr Zuhause, lebt in einem alten, abgestellten Eisenbahnwagon. Kurz nach Kriegsende beginnt der Großvater eine Lehre zum Feintäschner. Arbeitskräfte werden nun dringend gebraucht, mit 16 schon müssen die jungen Männer voll in den Beruf einsteigen. Eine sorglose Jugend kann sich im Deutschland der Nachkriegsjahre kaum jemand leisten.
Dennoch bringt Saschas Großvater es fertig, mit Anfang 20 ein eigenes Haus zu bauen. Im Ort unterstützen die Menschen sich gegenseitig, alle packen mit an. Aus den Trümmern entsteht ein Zuhause, hier gründet Saschas Großvater eine Familie. Im Keller des Hauses richtet er eine Werkstatt ein, stellt hochwertige Lederwaren her. Portemonnaies, Handtaschen, alles entsteht noch in sorgfältiger Handarbeit.
Als Sascha zur Welt kommt, gibt es die Werkstatt noch immer. Als Kind darf er zusehen, helfen, sich auch schon mal ein paar Mark dazuverdienen. Vom Großvater lernt er, mit seinen Händen tolle Dinge zu vollbringen.
Auch wenn Sascha mittlerweile eine eigene Wohnung hat, kümmert er sich gern um dieses Haus, das nicht weniger ist als ein gutes Stück Familiengeschichte. Irgendwann, wenn seine Eltern älter sind und im Alltag Hilfe brauchen, könnte er sich vorstellen, wieder hier zu wohnen. Und auch wenn es die Werkstatt im Keller nicht mehr gibt, wird das, was er dort erlebt und gelernt hat, immer ein Teil von ihm sein.
„Was würdest du tun, wenn du im Lotto den Jackpot knackst?“ – diese Frage hat Sascha sich auch schon gestellt. Viele Menschen würden wohl am liebsten alles hinter sich lassen, um ein Leben in Luxus zu führen. Sascha geht es da anders. Ein wenig träumt er schon von einem Lottogewinn. Seinen Job würde er jedoch nicht hinschmeißen, er würde weiterarbeiten. Und er würde sich einen großen Traum erfüllen. Denn Sascha werkelt nicht nur gern bei der Arbeit und am Haus seiner Eltern herum. Seine Leidenschaft gilt auch alten Autos – Oldtimern, die er gern kaufen und restaurieren würde. Das täte Sascha nicht zum ersten Mal.
Es ist 2001. Sascha ist 18 Jahre alt, als er und sein Vater auf einem Schrottplatz zufällig einen alten Opel Ascona B entdecken. Für 150 Mark nehmen sie die quietschgelb angesprühte Kiste aus dem Jahr 1974 mit nach Hause. Drei Jahre lang verbringen sie ihre Wochenenden damit, das Auto auf Vordermann zu bringen, besorgen Originalbauteile aus den 70ern, bauen einen neuen Motor und ein neues Getriebe ein. Zuletzt bekommt der Oldtimer einen neuen Anstrich, erstrahlt in glänzend-schwarzem Lack.
Bis heute denkt Sascha mit Begeisterung an diese Zeit zurück. Am liebsten würde er mit seinem Vater noch einmal so ein Projekt starten. Doch die Zeit und eine Krebserkrankung haben ihre Spuren hinterlassen. Nichtsdestotrotz träumt Sascha von einer Halle voller Oldtimer, die nur darauf warten, restauriert zu werden. Und wer weiß, ob dieser Traum nicht tatsächlich eines Tages in Erfüllung gehen wird.