Kathrin, unsere Hauswirtschaftsleitung
// Kathrin arbeitet als Hauswirtschaftsleitung in den Johanniter-Pflegewohnhäusern am Rosenstein
„Wenn ich heute an meinen Opa denke, weiß ich, dass er da ist und von oben alles sieht. Opa und ich hatten schon immer eine besondere Verbindung. Als meine Zwillingsschwester und ich noch Kinder waren, haben wir oft die Ferien bei unseren Großeltern im Fichtelgebirge verbracht. Sie lebten in einem 150 Jahre alten Haus, das vermutlich schon immer in Familienbesitz war. Opa ist in diesem Haus aufgewachsen. Nachdem er wegen eines Arbeitsunfalls in Frührente ging, ist das Haus für ihn zu einer Art Lebensinhalt geworden. Er hatte jede Fuge, jede Ecke im Blick, hielt jeden Millimeter liebevoll in Stand. Das Haus hatte einen großen Garten, mit Vogelhäuschen und einem Teich, in dem seine Fische umherschwammen. Vor allem aber gab es Blumen. Denn Opa züchtete mit viel Liebe Dahlien und Rosen. Irgendwann wuchsen dort 120 verschiedene Rosensorten!
Wenn wir in den Ferien zu Besuch waren, hat Opa sich immer viel Zeit für uns genommen. Wir schliefen oben im Dachboden, tagsüber arbeiteten wir gemeinsam im Garten und lernten, die Rosen und Dahlien zu pflegen. Wir bauten große Lager aus Decken, alten Vorhängen und Holzstangen. Im Winter gingen wir zum Schlittschuhlaufen am Dorfweiher. Und im Herbst zum „schwammern“ – also zum Pilze sammeln in den Wald. Zuhause säuberten wir gemeinsam die Pilze und Opa kochte uns sein einziges Rezept: Pilzpfanne mit Ei, die man dann aufs Brot macht. Einfach köstlich!
Es war die schönste Zeit, bei Opa konnten wir einfach Kinder sein. Auch, als ich erwachsen war, besuchte ich meine Großeltern so oft es ging. Vor allem, nachdem Opa an Krebs erkrankt war. Doch Opa hielt sich wacker, und das Haus gab ihm Kraft und einen Lebenssinn. ‚Wer rastet, der rostet‘, war seine Devise. Für uns war klar, dass er bis zuletzt in diesem Haus bleiben würde. Doch dann kam leider alles anders.“
„Die Tragödie passierte vor zwei Jahren. Mein Freund Martin und ich waren über das Wochenende bei meinen Großeltern zu Besuch. Am Sonntag sollten wir nach Hause fahren. Ich weiß noch, dass ich gar nicht aufbrechen wollte. Ich wollte die Zeit bis zur letzten Minute auskosten, wollte bleiben, so lange es geht.
Schließlich sind wir dann doch gefahren. Als wir ein paar Stunden später zuhause ankamen, bekam ich einen Anruf von meiner Mama. Das Haus brannte! Ich konnte es gar nicht glauben. Wir waren doch erst gerade dort!
Der Dachboden hatte Feuer gefangen. Jener Dachboden, in dem ich und meine Schwester als Kinder immer übernachtet haben. Mittlerweile schlief auch Opa oft oben. Wäre das Feuer später am Abend ausgebrochen, hätten die Flammen ihn verschlungen. Zum Glück sind die Nachbarn rechtzeitig auf den Qualm aufmerksam geworden. Meine Großeltern mussten das Haus sofort verlassen. Ein Feuerwehrmann ist sogar noch hoch in den Dachboden, um Opas Geldkassette mit den Ersparnissen von vielen Jahren zu holen!
Den Brand konnten sie schließlich löschen, doch durch das viele Löschwasser war das gesamte Haus nicht mehr bewohnbar. Für meine Großeltern war das traumatisch. Mein Opa hatte sein ganzes Leben in diesem Haus verbracht, hatte es gehegt und gepflegt. Als er krank wurde, hat es ihm einen Sinn gegeben, jeden Tag zu kämpfen.
Meine Großeltern zogen zu meiner Mama nach Bamberg. Das Haus ließen sie zwar wieder aufbauen, doch die Arbeiten würden lange dauern. Nur eine einzige Nacht im alten Haus – das war Opas größter Traum. Wir haben so gehofft, dass er durchhält. Doch Opas Traum ging leider nicht in Erfüllung. Anfang letzten Jahres ist er verstorben. Von ihm geblieben sind uns einige Rosensträucher in seinem Garten, die den Brand überstanden haben. Bald wollen wir einen davon auf sein Grab pflanzen, damit er sich weiter an seinen geliebten Rosen erfreuen kann.“
„Vor dreieinhalb Jahren bin ich aus Nürnberg zu meinem Freund Martin aufs schwäbische Dorf gezogen. Zuvor habe ich in Nürnberg die Theke des Cafés im Literaturhaus geleitet. Eine Weile hatten wir eine Fernbeziehung. Als Beamter konnte Martin nicht so leicht umziehen, also hing die Entscheidung an mir. Ich mochte Nürnberg und meinen Job, aber die Liebe war dann doch größer. Es gab nur ein Problem: Wo sollte ich arbeiten? Zum Glück bin ich auf die Johanniter gestoßen! Schon beim hospitieren merkte ich: Hier nimmt man sich besonders viel Zeit. Mein erster Eindruck stimmte absolut: Als das Haus meiner Großeltern abbrannte, hatte man hier unglaublich viel Verständnis. Ich konnte meinen Urlaub verlängern und für meine Familie da sein.
Als Leiterin der Hauswirtschaft bin ich heute rundum glücklich! Mit den vier Häusern und unserem Café Rosenstein habe ich viel zu tun, aber es macht großen Spaß. Bei Festen gebe ich auch schon mal meine Zirkuskünste zum Besten. Als Kind habe ich mit meiner Zwillingsschwester ein besonderes Hobby gehabt: Für eine Varieté-Show im Hort lernten wir, wie man brennende Pois und Keulen schwingt! Das mache ich bis heute und habe es auch schon für die Bewohnerinnen und Bewohner vorgeführt. Da haben alle große Augen gemacht!
Bei uns in der Einrichtung gibt es einen großen Teich. Dort schwimmen heute ein paar der Fische, die früher im Teich meines Opas im Fichtelgebirge gelebt haben. Auch in Martins Elternhaus, wo wir heute wohnen, gibt es einen Teich mit Opas Fischen. Wir haben auch Dahlien und Rosen gepflanzt, und dabei Opas Gärtnertipps befolgt. Und wir haben uns auf Opas Ratschlag hin Hühner angeschafft. Er war immer ganz aufgeregt und wollte wissen, wann die Hühner kommen. Leider ist er gestorben, bevor wir sie bekamen. Die Blumen, die Hühner, die Fische, all das erinnert mich an ihn. Und ich weiß, dass Opa da ist und von oben alles sieht!“