Miriam

// Miriam arbeitet als Pflegefachkraft im Seniorenwohnsitz Quellenhof.

„‘Ich kann das nicht!‘ habe ich am Anfang gesagt. Nach den ersten drei Tagen damals im Pflegepraktikum wollte ich alles hinschmeißen. Aber dann – nach dem dritten Tag – war das alles wie weggewischt. Seitdem wusste ich, ich will beruflich unbedingt in die Pflege gehen. Jetzt kümmere ich mich seit 20 Jahren um unsere Bewohnerinnen und Bewohner und die Einrichtung fühlt sich inzwischen wie mein zweites Zuhause an.

Meine Arbeit zeigt mir: Es sind die kleinen Dinge, die das Leben lebenswert machen. Letztens zum Beispiel habe ich eine unserer dementen Bewohnerinnen ins Bett gebracht. Ich habe sie versorgt, alles schön gemacht und das Bett aufgeschüttelt. Dann habe ich ihr gute Nacht gewünscht. Sie lag so unschuldig und verletzlich in ihrem Bettchen drin. Ich habe gewunken und sie hat zurück gewunken. Diese Momente sind für mich so kostbar – der Grund, warum ich meinen Beruf mache. Wenn ich sehe, dass die Bewohnerin sich geborgen fühlt, dann weiß ich auch, dass ich es richtig mache.

So nah am Menschen dran zu sein wirft automatisch Fragen auf. Ich erlebe ja tagtäglich das Schicksal einiger Leute. Manchmal ist es schwer zu akzeptieren, dass man selbst nichts weiter tun kann. Am meisten geht es mir nahe, wenn die Leute allein und so ganz ohne Angehörige sind. Dann kommt es mir so vor, als seien mir die Hände gebunden – aber dann erinnere ich mich daran, dass ich ihnen wenigstens meine Hand reichen kann. Meine Arbeit hat mich sehr verändert. Ich bin mit der Zeit gewachsen und gereift – und durch die Lebenserfahrung vieler Bewohnerinnen und Bewohner habe ich auch gelernt, viele Dinge des Lebens besser zu verstehen.“

„Die Fußball-WM 1990: Deutschland und Argentinien sind im Endspiel. Mein Bruder und ich liegen mit großen Augen unterm Esstisch vor dem Fernseher, meine Eltern sitzen fiebernd auf der Couch – und dann endlich das Tor in den letzten Minuten! Was für ein Sieg, was haben wir da mitgegrölt. Bei dieser Erinnerung wird mir warm ums Herz. Solche Erinnerungen leuchten ein Leben lang.

Ich war schon immer sportbegeistert. Bereits als Kind habe ich jegliche Sportveranstaltungen im TV angesehen. Aber früher konnte ich das nie so wirklich teilen – ich hatte nie jemanden, der mich mit ins Stadion genommen hätte. Das hat sich ganz schnell geändert, als mein Mann in mein Leben getreten ist. An dem Abend, an dem wir uns kennenlernten, war der Klitschko-Kampf. Meine Freundinnen und ich waren in der Disco und als die schließ, sind wir noch fröhlich Klitschko gucken gegangen. Mein Mann hatte das wohl an dem Abend mitgekriegt. Denn nur kurze Zeit, nachdem wir ein Paar geworden sind, hat er mich zu meiner ersten Boxveranstaltung mitgenommen. Dass mein Mann und ich uns getroffen haben – da mussten so viele Zufälle passieren, das gibt es gar nicht.

Zufälle, die eigentlich gar keine sein können, haben mich auch mit meiner längsten Freundin zusammengeführt. Wir waren beide Täuflinge am selben Tag in einer großen Kirche – nur wussten wir davon natürlich noch nichts. Später haben wir uns dann beim Ballett mit sechs Jahren wieder getroffen, nur um uns dann wieder aus den Augen zu verlieren. Aber das Leben wollte es anders – denn danach haben sich unsere Wege am Konfirmandenunterricht wieder gekreuzt. Seitdem haben wir diese innige Freundschaft. Sie ist die Person, die ich auch nachts um 2 Uhr anrufen kann – sie ist so wie eine Art Seil, auch wenn alle anderen Stricke reißen.“

„Mein Mann und ich lernten uns damals in der Disco kennen. In einem kleinen Moment hat sich mein ganzes Leben auf den Kopf gestellt. Dass ich so jemanden wie ihn treffen würde, hatte ich nicht erwartet. Ich hatte zu dem Zeitpunkt die Nase voll von Beziehungen und wollte einfach nur einen ruhigen, schönen Mädelsabend mit meinen Freundinnen verbringen. Ich weiß noch, als ich ihn auf der Tanzfläche gesehen habe, mein erster Gedanke war: ‚Ne, das ist jetzt zu groß für mich.‘ Aber ohne ihn kennenzulernen nach Hause zu gehen – das konnte ich auch nicht. Uns hat es zueinander hingezogen. Und im Endeffekt standen wir dann auf der Tanzfläche und haben uns über alte Leute unterhalten – bei Rockmusik. Denn neben der Begeisterung für Sport und unserer Liebe zu Rockmusik haben wir noch etwas ganz anderes gemeinsam: Mein Mann ist Koch in einer Altenpflegeeinrichtung.

Letztes Jahr war unser zehnter Hochzeitstag. Es ist immer noch so: Wenn ich einen schlechten Tag habe, muss er nur zwei Sprüche bringen – und dann sieht die Welt schon wieder ganz anders aus. Ich besinne mich auch ganz gerne wieder auf die kleinen und großen Momente, die ich mit ihm gemeinsam habe: die Konzerte, unsere Reisen oder auch die ganz normalen, alltäglichen Momente. Letztes Jahr zum Beispiel waren wir auf den Seychellen – und dieses Jahr in Südafrika und Eswatini. Den Reichtum an Erfahrungen von diesen Reisen kann einem keiner mehr nehmen.

Wenn ich später mal alt bin, möchte ich nicht das Gefühl haben, etwas verpasst zu haben. Ich möchte dann auch – so wie meine Bewohnerinnen und Bewohner – von meinen schönsten Erinnerungen zehren, meine Lebenserfahrung weitergeben und in Erinnerung davon leben.“