Ute

// Ute ist als Betreuungskraft in unserem Team tätig.

„Mich einfach frei und ohne Plan treiben lassen. Ins Auto steigen, immer der Nase nach, Richtung Italien. Und dann anhalten, wo es mir gefällt. Das sind die schönen Seiten, wenn ich daran denke, in Rente zu gehen. Es gibt so viele Orte, an denen ich noch nicht war – ich möchte in den Tag hineinleben und ohne den Wecker morgens aufstehen. Auf der anderen Seite kann ich es mir noch gar nicht vorstellen, wie es ist, hier nicht mehr zu arbeiten. Ich denke, wenn es so weit ist, werde ich mich nur ganz langsam ausklinken – und vielleicht einmal wöchentlich als Ehrenamtliche in die Betreuung gehen.

Ich sorge mich nicht zu viel vor dem Alter – ich bin zufrieden mit meiner Eigentumswohnung, ich habe tolle Nachbarn und eine wirklich schöne Umgebung. Da ist ein wunderschönes Naturschutzgebiet mit einem See, in dem man toll spazieren gehen kann. Wichtig sind mir aber ganz besonders meine sozialen Kontakte. Sonst hätte ich Angst, dass mir die Einsamkeit im Alter zu schwer auf der Seele liegt.

Als ich noch jünger war, kam ich an einen Punkt in meinem Leben, an dem ich mich ganz bewusst dazu entschieden habe, meinen Weg allein ohne einen Partner zu wählen. Ich habe einfach zu viele Beziehungen um mich herum in die Brüche gehen sehen. Ich war nie der Typ, der über Probleme spricht – höchstens vielleicht dann, wenn ich sie schon gelöst habe. Ich war mit mir und meinen Gedanken und Herausforderungen einfach schon immer gern allein.

Im Urlaub komme ich am besten mit meiner längsten Freundin klar. Wir kennen uns seit über 40 Jahren – da geht man durch einige Höhen und Tiefen. Im September brausten wir etwa wieder auf Iskia durch die Gegend.“

„Als mein Bruder fort war, hat sich alles verändert. Er fehlt mir immer noch. Ich habe gedacht, das müsste doch mal ein bisschen besser werden. Ich versuche, stark zu bleiben und mich an die schönen Zeiten mit ihm zu erinnern. Aber es ist schwer – wir hatten noch so viel vor für die Zeit, in der wir beide in Rente gehen. Er war mein engster Vertrauter und mit einem Schlag war er nicht mehr da – und ich konfrontiert mit dem Haus meiner Eltern, mit der Verantwortung für meinen pflegebedürftigen Vater und für meine Mutter, die völlig am Boden war. Ich habe mich so oft gefragt: ‚Warum? Es hätte doch nicht sein müssen. Hätte er doch nur mit mir geredet.‘ Aber mein Bruder war ein Einzelgänger. Er lebte sehr zurückgezogen – und über seine Probleme hat er mit niemandem geredet.

Ja, als mein Bruder fort war, hat sich wirklich alles verändert – mit mir inklusive. Früher musste ich dies und jenes haben, immer das Neueste vom Neuen. Ich war sehr materiell eingestellt. Heute kann ich mich über das erste Gänseblümchen im Frühling mehr freuen, als wenn mir jemand einen teuren Blumenstrauß schenkt. Nachdem mein Bruder beerdigt worden war, hatte ich diesen Gedanken, der kam wie einen Blitzschlag. Ich dachte: ‚Mein Gott, jeder Tag ist so kostbar. Genieße ihn!‘ Früher ist mir das schwergefallen. Aber jetzt genieße ich den Anblick der ersten roten Erdbeere – ich sehe auf einmal die Schönheit in diesen kleinen Dingen.

Eine Sache, die ich auch sehr genieße, ist kochen und backen! Eines meiner liebsten Rezepte ist der ‚Große Hans‘ – eine Mehlspeise, die sich sowohl als Hauptgericht als auch als Dessert eignet. Damit möglichst viele Menschen in den Genuss davon kommen können, habe ich das Rezept im Leib & Seele Kochbuch der Johanniter-Seniorenhäuser eingebracht, das zum Tag der Pflege 2023 alle Mitarbeitenden als Geschenk erhielten.“

„Musik kann wahre Wunder bewirken. Das fällt mir besonders bei den Bewohnerinnen und Bewohnern auf – gerade bei Volksliedern sind die voll mit dabei. Wie zum Beispiel letztes Jahre an Fasching: Erst bekamen wir nicht gerade die besten Rückmeldungen für unsere Idee, Fasching zu feiern. Die Bewohnerinnen und Bewohner haben eher mürrisch reagiert. Aber als es dann so weit war – was war das für eine Bombenstimmung! Wir haben gesungen, wir haben getanzt, einige waren verkleidet – wieder andere wurden angemalt. Wir hatten sogar eine Büttenrede auf das Haus bezogen. Es war wirklich eine riesige Fete. Jedes Mal, wenn wir Volkslieder singen, tauen die Bewohnerinnen und Bewohner richtig auf. Ich wundere mich immer nur, wie viele Strophen es gibt, die ich noch nicht kenne. Aber auch das ist ein Lernprozess für mich – auch ich will jetzt alle Strophen lernen und mitsingen.

Vor ein paar Jahren hätte ich mir das noch nicht träumen lassen – dass ich noch so viel Neues lerne. Ich war drei Jahre arbeitsunfähig durch meine Knie-OPs. Wenn man so lange bewegungseingeschränkt ist, lernt man erst, wie wertvoll Gesundheit ist. Meine Gesundheit ist das Wichtigste. Solange die noch mitspielt, möchte ich diesen Job noch so lange machen, wie es geht. Nach drei Jahren wieder Anschluss zu finden, war nicht leicht – aber bei den Johannitern wurde ich mit offenen Armen empfangen.

Dass ich noch so viel von den älteren Menschen lernen kann, hätte ich auch nicht gedacht. Es tut mir unheimlich gut, dass ich ihnen noch ein Lächeln ins Gesicht zaubern kann. Die Menschen sind so dankbar für jeden kleinen Handgriff, den ich tue. Dieser enge menschliche Kontakt ist wichtig für die Bewohnerinnen und Bewohner – aber er ist mindestens genauso wichtig für mich.“