Dunkle Tage, schwere Gefühle
Wenn Dunkelheit Erinnerungen weckt – Johanniter unterstützen trauernde Kinder und Familien
Wenn die Tage kürzer werden, die Natur sich zurückzieht und die dunkle Jahreszeit beginnt, verändert sich auch die seelische Befindlichkeit vieler Menschen. Besonders für Kinder, Jugendliche, junge Erwachsene und Familien, die einen nahestehenden Menschen verloren haben, kann der Herbst eine besonders schwere Zeit sein.
„Der Herbst und Winter wirken oftmals wie ein Verstärker für die Trauer“, erklärt Christine Joos, Leitung von Lacrima Ulm/Neu-Ulm, dem Johanniter-Trauerzentrum für Kinder und Jugendliche. „Das fehlende Licht, die langen Abende und die Ruhe in der Natur spiegeln oft die eigene Gefühlslage wider. Erinnerungen an gemeinsame Zeiten kommen stärker hoch – und das kann sehr schmerzhaft sein.“
Warum die dunkle Jahreszeit Trauer verstärkt
• Weniger Tageslicht: Das fehlende Sonnenlicht beeinflusst den Hormonhaushalt. Müdigkeit, Antriebslosigkeit und gedrückte Stimmung sind häufig die Folge – Gefühle, die Trauernde ohnehin schon kennen.
• Einsamkeit: Während sich viele Menschen im Winter zurückziehen, kann das für Kinder und Jugendliche bedrückend sein. Besonders an Feiertagen wie Weihnachten tritt die Lücke, die ein verstorbener Mensch hinterlässt, besonders deutlich hervor.
• Symbolik der Jahreszeit: Der Herbst steht für Abschied und Vergänglichkeit – Themen, die unmittelbar an den erlittenen Verlust erinnern.
Wie sich Trauer bei Kindern und Jugendlichen zeigt
Die Reaktionen können sehr unterschiedlich sein. Manche Kinder ziehen sich zurück, wirken stiller oder trauriger als sonst. Andere reagieren mit Wut, Gereiztheit oder körperlichen Beschwerden wie Bauch- oder Kopfschmerzen. Jugendliche und junge Erwachsene berichten häufiger von Leistungsabfall in der Schule oder Ausbildung.
Ein 16-jähriger Jugendlicher, dessen Mutter verstorben war, erzählte in der Lacrima-Gruppe, dass er im Herbst besonders unmotiviert sei und morgens kaum noch zur Schule gehen wolle. „Alles ist so dunkel, das erinnert mich daran, dass auch in meinem Leben etwas fehlt“, schilderte er. In der Gruppe fand er Zuspruch von anderen Betroffenen und lernte, dass seine Gefühle normal sind und er nicht allein damit ist.
Tipps für Familien und Angehörige
• Offen über Gefühle sprechen: Kinder und Jugendliche sollten Trauer benennen dürfen. Ehrlichkeit über den Tod schafft Vertrauen.
• Rituale schaffen: Eine Kerze anzünden, Fotos anschauen oder ein gemeinsames Erinnerungsbuch gestalten, gibt Halt.
• Bewegung und Aktivität fördern: Spaziergänge, Bastelaktionen oder Musik helfen, den Alltag lebendiger zu gestalten.
• Gemeinschaft ermöglichen: Treffen mit Gleichaltrigen in ähnlichen Situationen – wie in den Lacrima-Gruppen – entlasten spürbar.
Warnsignale erkennen – wann Hilfe wichtig ist
Angehörige sollten aufmerksam werden, wenn Kinder oder Jugendliche:
• über längere Zeit sehr zurückgezogen wirken,
• kaum Freude an Aktivitäten zeigen,
• regelmäßig über Schlafprobleme, Bauch- oder Kopfschmerzen klagen,
• oder dauerhaft Hoffnungslosigkeit äußern.
„Wenn die Trauer den Alltag bestimmt und blockiert, ist professionelle Unterstützung notwendig“, betont Joos. „In unseren Lacrima-Gruppen erleben wir, wie entlastend es ist, wenn Kinder und Jugendliche merken: Ich bin nicht allein mit meinen Gefühlen.“
Lacrima – Begleitung an mehreren Standorten
Die Johanniter bieten mit Lacrima geschützte Räume, in denen Kinder, Jugendliche, junge Erwachsene und Familien ihre Trauer ausdrücken und neue Wege finden können. Die Teilnahme ist kostenfrei.
Lacrima gibt es an folgenden Standorten: Augsburg, Kempten und Ulm/Neu-Ulm
Ein Beispiel: Eine Zehnjährige, die ihren Vater verloren hatte, bastelte in der Gruppe eine Erinnerungskiste. „Hier kommt alles rein, was mich an ihn erinnert – dann ist er immer ein bisschen bei mir.“ Solche kleinen Rituale, erklärt Joos, helfen Kindern, den Verlust in ihr Leben zu integrieren.
„Unsere Erfahrung zeigt: Gemeinschaft trägt nicht nur durch die dunkle Zeit“, fasst Joos zusammen. „Das gemeinsame Erinnern, Reden und Erleben gibt Kraft, Hoffnung und Mut für die Zukunft.“
Weitere Informationen zu den Angeboten von Lacrima finden Interessierte unter: www.johanniter.de/bayerisch-schwaben