08.03.2023 | Johanniter Seniorenhäuser GmbH

Pflege ist nicht nur Frauensache

Nur knapp jede fünfte Pflegekraft ist laut statistischem Bundesamt männlich. Ist Pflege also immer noch Frauensache? Anlässlich des Weltfrauentages fragten wir Gabriele Roettger, Leiterin des Johanniter-Hauses Dietrichsroth in Dreieich.

Frage: Nur knapp jede fünfte Pflegekraft ist laut statistischem Bundesamt männlich. Dass Pflege Frauensache ist, wird also auch von Zahlen bestätigt. Warum ist das so? 

Antwort: Pflege ist traditionell ein Frauenberuf. Das liegt wohl daran, dass Frauen immer noch die größere Empathie und das größere Pflegeverständnis aufgrund ihrer Mutterrolle zugeschrieben wird. Zudem lag der Pflegeberuf Jahrhunderte lang in den Händen von Ordensschwestern und diese haben auch noch bis in unsere Zeit hinein den Begriff der Pflege geprägt. Vor 60 Jahren gab es, soviel ich weiß, fast keine männlichen Pflegekräfte. Wir hatten „Schwesternschulen“ und zu denen hatten männliche Bewerber keinen Zutritt. Heute zeigt sich uns ein anderes Bild. Es tut sich da etwas.

Frage: Ein junger Mann, der den Berufswunsch des Pflegefachmanns äußert, läuft nicht selten Gefahr, auf Vorurteile zu treffen. Welche Erfahrungen haben Sie gemacht? 

Antwort: In keinem Bereich gibt es bei uns Vorurteile. Unsere Erfahrungen insbesondere mit jungen Männern mit Migrationshintergrund sind sehr positiv. Sie bringen aufgrund ihrer Sozialisierung eine hohe Wertschätzung des Alters mit und werden von unseren Seniorinnen und Senioren sehr geschätzt. 

Frage: Was könnte getan werden, um mit Klischees und veralteten Geschlechterrollen hinsichtlich der Berufswahl aufzuräumen?

Antwort: Vor Abschaffung der Wehrpflicht konnten junge Männer und Frauen während ihres Zivildienstes in die sozialen Berufe hineinschnuppern und Vorurteile abbauen. Diese sozialen Erfahrungen fehlen uns heute bei der Berufswahl. Wir in den Johanniter- Seniorenhäusern versuchen mit den vielfältigsten Angeboten, wie Freiwilliges Soziales Jahr, Bundesfreiwilligendienst und Ehrenamt mit Aufwandsentschädigung, Menschen für unseren unglaublich erfüllenden Beruf zu gewinnen. Wir weisen in unseren Anzeigen darauf hin, dass wir selbstverständlich alle Kollegen und Kolleginnen nach Tarif bezahlen und es bei uns gute Möglichkeiten gibt, sich weiterzuentwickeln. Mit unserer neuen Personalkampagne machen wir auch mit Fotos von unseren männlichen Pflegekräften Werbung.

Frage: Gibt es Bereiche im Pflegeberuf, in denen Männer vielleicht sogar Vorteile gegenüber ihren weiblichen Kolleginnen haben? Stichwort: körperliche Anstrengung in der Pflege.

Antwort: Natürlich gibt es einen Unterschied zwischen Männern und Frauen in Bezug auf die Kraft und körperliche Belastbarkeit. Aber nach vielen Berufsjahren haben die weiblichen wie die männlichen Kollegen paritätisch die gleichen körperlichen Beschwerden.

Frage: Im Pflegeversicherungsgesetz ist in § 2 zum Thema Selbstbestimmung festgeschrieben: „Wünsche der Pflegebedürftigen nach gleichgeschlechtlicher Pflege haben nach Möglichkeit Berücksichtigung zu finden.“  Der Anteil männlicher Pflegebedürftiger beträgt immerhin knapp 40 Prozent. 

Antwort: Auf jeden Fall sind die Pflegenden bemüht, wenn ein solcher Wunsch geäußert wird, diesen zu erfüllen. Aber ehrlich gesagt, angesichts des Pflegenotstandes in Deutschland ist es trotz aller Bemühungen nicht möglich, einen gesetzlichen Anspruch in dieser Form zu erfüllen. 

Frage: Wie beurteilen Sie die Rolle von Schulen in Hinblick auf die Berufsorientierung, gerade auch was Pflegeberufe angeht? 

Antwort: Wir sind gut mit den Schulen vor Ort vernetzt. Soziale Praktika bei uns im Haus werden daher gern wahrgenommen. Daraus ist schon die eine oder andere Ausbildungsanfrage entstanden. Nach den coronabedingten Einschränkungen der letzten Jahre, freuen wir uns, dass wir unsere Einrichtung nun wieder breiter öffnen und auch wieder Informationstage anbieten können.

Frage: Können Sie derzeit alle Ausbildungslätze im Haus besetzen?

Antwort: Im Johanniter-Haus Dietrichsroth können wir alle 13 Ausbildungsplätze gut besetzen und erhalten weiterhin Bewerbungen, auch von jungen Männern, die die Arbeit in der Pflege nicht zuletzt als sicheren Arbeitsplatz schätzen. 

Frage: Was ist den Bewerbern besonders wichtig?

Antwort: Ein zentrales Thema bei den Bewerbungen ist die berufliche Weiterentwicklung. Bei uns kann man mit einer sehr geringen schulischen Qualifikation einsteigen. Aufgrund der vielfältigen Weiterbildungsmöglichkeiten in den Johanniter-Seniorenhäusern entwickeln wir aber Karrieren. Wir haben dafür Bildungsgutscheine. Und wir nutzen die Jahresgespräche. Erstaunlich ist, dass in diesen Gesprächen oft die Tätigkeit in der bewohnernahen Versorgung als erfüllend angesehen wird.