Nach-gedacht: Hoffnung trägt Schwesternfarbe – Meditation zum 1. Advent
Liebe Johanniterinnen und Johanniter,
„Hoffnung ist das geduldige Vertrauen darauf, dass Gott aus dem, was ist, das machen kann, was gut ist.“
Dieser Satz von Dietrich Bonhoeffer beschreibt auf leise, aber kraftvolle Weise, was uns als Johanniter bewegt: Hoffnung ist kein Gefühl, das zufällig aufleuchtet. Sie ist eine Haltung, die wir Tag für Tag, so gut es uns gelingen mag, leben – in der Pflege, im Dienst, im Miteinander. Hoffnung bedeutet, dem Leben zu trauen, weil Gott sich ihm zuwendet.
Der 1. Advent lädt uns ein, unser Herz bereit zu machen. Nicht, indem wir noch mehr tun, sondern indem wir innerlich aufhorchen. Gott kommt – so verheißt es der Prophet Sacharja: „Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helferdemütig und reitend auf einem Esel“ (Sacharja 9,9)
Diese alte Verheißung ist ein stilles Gegenbild zu all dem, was in unserer Welt, auch in unserer Johanniter-Welt laut, mächtig und drängend erscheint, Der König, der da kommt, ist kein Triumphator – er kommt nicht, um zu herrschen, sondern um nahe zu sein. Er kommt zu dir. Das ist die Bewegung des Advents: Gottes kommen geschieht mitten in unseren Wegen, in die Orte, an denen Menschen warten, hoffen, helfen, aushalten.
Ich denke an eine Schwester in einer Johanniter-Einrichtung, die an einem frühen Wintermorgen einen Bewohner beim Aufstehen begleitet. Die Nacht war unruhig. Doch statt hastig ihrer Arbeit nachzugehen, bleibt sie einen Moment stehen, legt ihre Hand auf seine Schulter und sagt: „Heute beginnt Advent- Gott kommt, ganz leise, vielleicht zu uns.“ Der Bewohner lächelt müde. Und in diesem Augenblick geschieht, was Sacharja verheißt: Der Gerechte, der Helfer kommt – unscheinbar, aber wirklich. Gott wollte Mensch werden, unser Antlitz tragen. Und sein Antlitz kennt seitdem viele Gesichter. Wir sollten nur bereit sein, sie auch zu sehen, so, wie er uns durch sie an - sieht.
Oder ein anderes Bild. Diesmal in einem Krankenhaus auf der Intensivstation. Ein Patient befindet sich in einem kritischen Zustand. Die ärztliche Kunst wird an ihre Grenze geführt. Eine Ärztin nimmt sich die Zeit, sich an das Bett zu setzen, sie bleibt für eine kurze Zeit und nimmt die Hand des Patienten, spricht ihn ruhig mit Namen an, inmitten von Technik und Alarmtönen. Und es geschieht das, was der Prophet gesehen hat: Gottes Helfen zeigt sich im Bleiben, im stillen Mitgehen. Der König kommt – in der Haltung derer, die in seinem Geist handeln. Ich habe die Hoffnung, dass dies nicht nur konstruierte Alltagsgeschichten sind, sondern das sie sich wirklich so ereignen.
So wird die Verheißung aus längst vergangener Zeit auch heute, im Advent 2025 lebendig: Siehe, dein König, dein Gott kommt zu dir; nicht als vertröstendes Versprechen, sondern als Gegenwart, die sich in den Gesten der Barmherzigkeit zeigen Überall dort, wo sich Johanniterinnen und Johanniter den „Herren Kranken“ zuwenden, wo Nähe wichtiger ist als Tempo, wo Trost geteilt wird, geschieht Advent.
Darum ist der Advent für uns Johanniterinnen und Johanniter, für die Johanniter-Schwesternschaft, mehr als ein kalenderabschnitt. Er ist eine geistliche Grundhaltung; genau genommen jeden Tag im Jahr. Es ist der stille Mut, sich von der Hoffnung führen zu lassen, dass Gottes Zukunft mitten im Heute beginnt – in uns, mit uns, durch uns.
Liebe Johanniterinnen und Johanniter,
„Siehe, dein König kommt zu dir“, - in die Krankenzimmer, in die Gespräche am Bett, in das geduldige Warten, in das stille Gebet.
In den nächsten Tagen breche ich auf zu meinen Verwandten nach Brasilien. Dort habe ich ein Sprichwort aufgegriffen, dass wunderbar in die vor uns liegende Adventszeit passt: „Warten heißt nicht, Zeit verlieren, sondern Hoffnung im Herzen pflanzen.“ Vielleicht ist genau das der tiefste Sinn des Advents – und der schönste Ausdruck unserer aller Berufung als Johanniter, als Johanniter-Schwester: Hoffnung zu pflanzen, wo das Leben sie braucht. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen sowie Ihren Familien: Abencoado tempo do Advento 2025.
P.s.: Mit diesem Beitrag verabschiede ich mich als „aktiver“ Seelsorger der Johanniter-Ordenshäuser Bad Oeynhausen und werde sie weiterhin als „Pastor i.R.“ ,so Gott will, mit meinen Gedanken seelsorglich begleiten. Denn es gilt: Einmal Johanniter – immer Johanniter. Also Gott befohlen und bis zum nächsten Mal.
Ihr Bernd Kollmetz