Retter in Thessaloniki und Notfallsanitäter in Hildesheim
Vom ersten Austausch bis zur erfolgreichen Weiterqualifizierung: Nun hat Kimon Rudolf als erster internationaler Anwärter der Johanniter-Akademie seine Urkunde als Notfallsanitäter erhalten und steht fest im Berufsleben.
380 Stunden Theorie im Anpassungslehrgang an der Johanniter-Akademie, 400 Stunden angeleitete Tätigkeit an der Lehrrettungswache Hildesheim sowie 240 Stunden klinische Ausbildung am St. Bernward Krankenhaus in Hildesheim – für Kimon Rudolf gehen in diesem Juni vierzehn arbeitsintensive Monate zu Ende, in denen sich der griechische Retter seit April 2024 erfolgreich zum Notfallsanitäter in Deutschland weiterqualifiziert hat.
Nun konnte er seine Urkunde offiziell von Akademieleiter Kersten Enke und im Beisein von Akademie-Projektleiter Konstantinos Lazaridis sowie Maximilian Kairat, Fachbereichsleiter Rettungsdienst in Hildesheim, entgegennehmen. Auch seine Stelle als Notfallsanitäter in Hildesheim hat er bereits angetreten: „Ich freue mich sehr, dass ich nun etwas zurückgeben kann“, erklärt der 34-Jährige. „Ich hatte sehr viel Unterstützung durch die Akademie und die Wache. Nur so konnten wir zahlreiche bürokratische Herausforderungen überwinden oder mich kurzfristig von meiner Arbeit an der Wache freistellen, wenn an der Akademie die erforderlichen Lerninhalte im Stundenplan angesetzt waren.“
Kimon Rudolf, geboren in Deutschland und aufgewachsen in Griechenland als Sohn eines deutschen Vaters und einer griechischen Mutter, hat in Griechenland eine Ausbildung mit dem in Deutschland vergleichbaren Rettungsassistenten absolviert und entsprechend mehrjährige Berufserfahrung. Er lernte Konstantinos Lazaridis, verantwortlich für internationale Projekte und Fachlehrer Rettungsdienst der Akademie, am Rande einer ERAMUS+- Mobilität in Thessaloniki kennen. Dabei tauschten sich die beiden über die unterschiedlichen Systeme und Lebenswirklichkeiten in der Rettung aus. Kimon Rudolfs Interesse an einer Weiterqualifizierung in Deutschland wurde dabei bestärkt.
Das Austausch-Programm der Johanniter-Akademie bot ihm die Möglichkeit einer angepassten Weiterqualifizierung. Erforderlich waren dazu noch bestimmte Lernfelder aus dem Lehrplan der Akademie sowie die praktische Begleitung durch die Arbeit auf der Rettungswache und in der Klinik. Finanzielle Unterstützung erhielt Kimon Rudolf nach seinem Antrag durch das Förderprogramm IQ – Integration durch Qualifizierung. Es wird über das Bundesarbeitsministerium und den Europäischen Sozialfonds Plus (ESF Plus) gefördert und durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge administriert.
Konstantinos Lazaridis zieht nach diesem ersten positiven Abschluss Bilanz: „Das ist sicher kein einfacher Weg, hier braucht es einen starken Willen. Aber wir haben so viel menschliche Kompetenz und eine hohe psychische Resilienz bei Kimon erlebt, das ist beeindruckend.“ Übergreifend hält der Fachlehrer die Förderung von Transparenz und Mobilität in der beruflichen Bildung innerhalb der EU für wichtig: „Qualifizierte und motivierte Fachkräfte sollten nicht an bürokratischen Hürden scheitern. Statt zum Beispiel ein B2-Sprachzertifikat bereits mit dem Antrag auf eine Weiterqualifizierung einreichen zu müssen, sollte es möglich sein, bei vorhandenen sprachlichen Grundkenntnissen darauf aufzubauen. Das Zertifikat könnte dann parallel mit dem Ende der Weiterqualifizierung abgelegt werden.“
In der Praxis hat sich die enge Zusammenarbeit zwischen Akademie und der Rettungswache Hildesheim bewährt, wie der Fachbereichsleiter Rettungsdienst, Maximilian Kairat, unterstreicht: „Wir haben uns sehr bewusst auf dieses Projekt eingelassen, um bei dieser nicht vorgeplanten Ausbildung schnell reagieren zu können – sei es bei der Freistellung für den schulischen Unterricht oder der kurzfristigen Organisation der klinischen Ausbildung.“ Und es hat sich gelohnt, wie Kairat resümiert: „Die Wache ist mit diesen Erfahrungen gewachsen und es ist ein großer Vorteil, jemanden mit einer anderen, speziellen Perspektive im Team zu haben. In diesem Rahmen stehen wir auch gern weiterhin für das Projekt zur Verfügung.“ Entsprechend zügig konnten sich beide Seiten auf eine Festanstellung einigen. Für den Perspektivwechsel und die tatkräftige Unterstützung steht Kimon Rudolf also auch weiterhin in Hildesheim bereit. Darauf aufbauend sieht er persönlich noch weitere Entwicklungsmöglichkeiten: „Der Beruf des Notfallsanitäters hat wirklich Strahlkraft, das trägt zur Motivation bei und ich möchte weiterhin lernen. Fortbildungen im Bereich Intensivtransport oder Luftrettung finde ich sehr spannend. Oder auch als Praxisanleiter – dann kann ich mein Wissen hier und im Austausch mit den Kollegen in Griechenland teilen und weitervermitteln.“
Hintergrund
Das große Netzwerk der Johanniter-Akademie ermöglicht zahlreiche Begegnungen mit qualifizierten Menschen, die im Rahmen einer möglichen Migration innerhalb der EU keinen Zugang zu ihrem Beruf im Rettungsdienst finden. Um dieses Potenzial zu fördern, schreitet die Johanniter-Akademie Niedersachsen/Bremen mit diesem innovativen Projekt voran. Das Pilotprogramm hat im Mai 2024 mit der Integration von zwei griechischen Mitarbeitenden in der Hildesheimer Johanniter-Rettungswache begonnen, die sich hier durch praktische und theoretische Schulungen weiterqualifizieren. Gemeinsam mit dem internationalen Netzwerk prüft die Akademie zudem auch berufliche Anerkennungen und Qualifizierungsmöglichkeiten deutscher Absolventen für andere europäische Länder.
Das Projekt der Akademie sieht eine intensive 31-wöchige Ausbildung vor, die praxisnahe Einsätze im Krankenhaus sowie umfassende Schulungen der Notfallmedizin in der Johanniter-Akademie und auf einer Lehrrettungswache umfasst. Die Johanniter-Unfall-Hilfe stellt den Fachkräften Wohnraum zur Verfügung und ermöglicht ihnen eine sofortige Anstellung als Rettungssanitäter. Dieses Projekt dient nicht nur der Überwindung bürokratischer Hürden, sondern auch der Förderung interkultureller Kompetenzen und der Harmonisierung von Standards im Gesundheitswesen.