13.06.2025 | Johanniter-Krankenhaus Treuenbrietzen

Insektengiftallergie: Wenn Stiche gefährlich werden

Bienen und Wespen haben Saison. Damit steigt das Risiko für Insektengift-Allergiker. Fachärztin Heike Lehmann-Pötzsch vom Johanniter-Zentrum für Allergologie und Asthma Treuenbrietzen klärt auf.

Heike Lehmann-Pötzsch ist die Leitende Oberärztin des Johanniter-Zentrums für Allergologie und Asthma Treuenbrietzen.

Symptome einer Insektengiftallergie

Wer allergisch ist, bei dem kann eine lokale Reaktion – etwa Schwellung, Rötung oder Juckreiz – auftreten. Das ist bei den meisten Betroffenen der Fall. Das kann sich zur gesteigerten Lokalreaktion ausdehnen, etwa mit Schwellung der gesamten gestochenen Extremität.
Es kann aber auch zu schweren Erscheinungen führen, die den gesamten Körper betreffen, etwa Ausschlag, Nesseln von Kopf bis Fuß, Erbrechen, Luftnot, Kreislaufbeschwerden oder Bewusstlosigkeit. In diesen Fällen sollten Sie einen Notarzt rufen. Es kann lebensbedrohlich sein.
Bienengiftallergiker wurden häufig ein paarmal gestochen, bevor sie schwere Symptome zeigen. Bei Wespengiftallergikern kann es sein, dass sie gar nicht wissen, dass sie allergisch sind und bereits beim ersten Stich schwere Symptome entwickeln. 

Sind Hornissenstiche gefährlicher als Wespenstiche? 

Nein, das kann man so nicht sagen. Wespen sind aber die, die am häufigsten stechen. Dann kommen Bienen- und Hornissenstiche. Am seltensten haben wir Hummelstiche ausgewiesen.
Hornissen sehen dramatisch aus, sind aber allergologisch nicht gefährlicher als Wespen. Die Wahrscheinlichkeit einer allergischen Reaktion ist nicht höher.
Wichtig ist zu wissen, dass Hornissen nachtaktiv sind. Wer allergisch reagiert, sollte die Fenster nachts bei Licht geschlossen lassen oder einen Insektenschutz nutzen.

Kreuzreagibilität  kann vorkommen

Übrigens: Wer auf Bienenstiche allergisch ist, kann auch auf Hummelstiche reagieren. Dasselbe trifft für das Gift von Wespe und Hornisse zu, das heißt, sie sind kreuzreagibel. 

Risikofaktoren für eine allergische Reaktion

Es gibt eine Leitlinie für die Insektengiftallergie, in der Risikofaktoren benannt werden. Dazu zählen Medikamente wie ASS oder ACE-Hemmer. Sie können eine Reaktion verstärken, genauso wie körperliche Belastung oder Alkohol.
Wir wissen, dass die männlichen Patienten, insbesondere über 60 Jahre, häufig schwerer reagieren. Außerdem gibt es Erkrankungen, bei denen die Insektengiftallergie schwerer verlaufen kann, wie zum Beispiel Mastozytose oder auch Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Besonders gefährdet für Stichereignisse sind Menschen, die viel Kontakt mit Bienen oder Wespen haben. Das sind allen voran die Imker, Bäcker oder Menschen, die im Freien arbeiten wie Landschaftsbauer, Landwirte, bei der Müllabfuhr, im Straßenbau …

Wie sollte ich bei einem Stich reagieren?

Vor allem nicht versuchen, den Stachel auszusaugen! Wenn das Giftsäckchen noch dran ist, kann es sein, dass sie es so zusätzlich „reindrücken“. Wenn ein Stachel vorhanden ist, sollte der möglichst vorsichtig entfernt und die Stelle gekühlt werden.
Bei einer gesteigerten Lokalreaktion empfehlen sich die Einnahme einer Allergietablette oder Auftragen einer Kortisonsalbe. Hausmittel wie eine Zwiebel und das Kühlen mit einem Kühlpack helfen ebenfalls. 

Bei schweren Symptomen den Rettungsdienst rufen!

Patienten, die schwer reagieren, sollten unbedingt den Rettungsdienst rufen und später einen Allergologen aufsuchen. Sie brauchen ein Notfallset mit Notfallmedikamenten. Außerdem ist über eine Hyposensibilisierung zu entscheiden.
Eine potenziell lebensbedrohliche systemische Reaktion kann in der Folge auch massive psychische Probleme wie Angsterkrankungen oder posttraumatische Belastungsstörungen verursachen, weil diese Patienten dann oft Angst vor den Insekten haben. 

Eine Hyposensibilisierung kann helfen

Die Hyposensibilisierung ist eine Spritzentherapie, die drei bis fünf Jahre mit dem Gift des jeweiligen Allergens durchgeführt wird. So werden schützende Antikörper im Immunsystem aufgebaut. Wir bieten das in unserer Allergologischen Ermächtigungssprechstunde in der Klinik an und haben viele Patienten, die eine Hyposensibilisierung durchführen.

Wie ist zu erkennen, ob die Allergie-Impfung greift?

Dazu haben wir eine schlechte und eine gute Nachricht: Leider gibt es bei der Insektengiftallergie keinen Labortest, mit dem wir feststellen können, ob Patienten vor der nächsten Stichreaktion ausreichend geschützt sind. Dazu müssten sie tatsächlich vom betreffenden Insekt gestochen werden.
Die gute Nachricht: Als eines der wenigen Häuser im Land führen wir diese sogenannte Stichprovokation durch. Dazu wird der Patient stationär aufgenommen und bekommt unter hohen Sicherheitsvorkehrungen ein Insekt auf den Arm gesetzt und wir sorgen dafür, dass die Biene oder Wespe sticht. Anschließend wird die Reaktion des Patienten über mehrere Stunden engmaschig überwacht, um sofort auf bedrohliche Zustände reagieren zu können.

Darin haben wir viel Erfahrung, wir machen das in der Saison regelmäßig, bei zwei bis vier Patienten pro Woche. 

 

Zentrum für Allergologie und Asthma

Artikel der Märkischen Allgemeinen Zeitung vom 9. Juni 2026