21.07.2021 | Dienststelle Nordhannoverscher Ortsverband

In 60 Stunden zur Sanitätshelferin: Ein Erfahrungsbericht

Im echten Leben hatte FSJlerin Claudett Minaya Vialet bisher wenig Berührungspunkte mit Medizin. Nichtsdestotrotz hat sie jetzt erfolgreich ihren Sanitätshelfer-Lehrgang absolviert. Hier erzählt sie von ihren Erlebnissen.

Foto: Johanniter/Schweigler

Eine Fahrradfahrerin liegt auf dem Boden. Sie blutet und scheint bewusstlos zu sein. Der Autofahrer hat sie nicht kommen gesehen und ist ganz aufgeregt und in Panik. Wie man bei diesem und anderen Notfällen agiert, durfte ich zusammen mit neun weiteren Helferinnen und Helfern des Nordhannoverschen Ortsverbandes in Langenhagen im Sanitätshelfer-Lehrgang lernen.

Nach sechs Monaten im Lockdownbedingten Homeoffice war ich froh, wieder Menschen zu treffen. Daher fuhr ich für drei Wochenenden in aller Frühe nach Langenhagen. Grundvoraussetzung ist ein Erste-Hilfe-Kurs, außerdem die Teilnahme an allen drei Schulungswochenenden. Erfahrungen aus ähnlichen Kursen bringen natürlich gewisse Vorteile. Wie sich herausstellt, waren meine Mitschüler kundiger als ich. Sie waren schon seit einiger Zeit ehrenamtlich im 15. Einsatzzug unterwegs, einige hatten einen Schulsanitätsdienst hinter sich oder wiederholten einfach den Lehrgang als Auffrischung. Und dann war da ich, FSJlerin im Bereich Kommunikation. Mit nicht mehr Erfahrung als meine dreitägige Hospitation im Rettungsdienst und meiner Lieblings-Arztserie Dr. House. Immerhin habe ich nach acht Staffeln eines von Dr. Gregory House gelernt: Nichts bei Notfällen zu tun ist oft das Schlimmste, was zu tun ist.

Die Wochenenden verbrachten wir in den großen und hellen Räumen des Jugendzentrums Langenhagen. Die gesamte Verpflegung der Teilnehmer war eingeplant einschließlich Mittagessen, Snacks und Getränke. Als allererstes mussten sich jeden Morgen die nichtgeimpften Teilnehmer mittels Schnelltest auf das Corona-Virus testen. „Wenn die Augen tränen, macht ihr es richtig“, hörte ich einmal. Dies konnte nur eins bedeuten: Ich bin ein Naturtalent! Danach starteten die Dozenten mit dem Theorie-Unterricht. Wir lernten Merksätze und Schemata, die uns bei bei der Versorgung von Verletzten helfen, zum Beispiel SAMPLERs oder FAST. Auch cABCDE-Probleme, Krankheitsbilder und Eigenschaften des Blutes bekamen wir vermittelt.

Praktische Übungen waren Kern des Lehrgangs. Die Fallbeispiele ähnelten einem Schauspiel. Jemand simulierte einen Patienten mit Beschwerden. Wir gingen den Symptomen auf den Grund und stellten daraus eine Diagnose. Es hört sich vielleicht simpel an, zumindest solange bis der Patient oder sein Begleiter dich anschreit, sie nicht mithelfen, der Patient verstirbt oder alles auf einmal. Dafür trainierten uns zum Glück die Dozenten. Zuletzt lernten wir meinen Lieblingsteil – dies soll bitte niemand missverstehen –: die Reanimation. Dabei mussten wir nicht nur an einer Übungspuppe 30 Mal drücken und zwei Mal beatmen, wie es im Erste-Hilfe-Kurs gelehrt wird, sondern auch intubieren, sprich beatmen.

Wir arbeiten immer in Teams. Meine Partnerin sollte mich in zwei der vier Prüfungsteile unterstützen – bei den Fallbeispielen und der Reanimation. Die Dozenten begleiteten uns stets bei den Übungen und Themen, um einen Lapsus schnellstmöglich zu korrigieren und Fragen aufzuklären. Darüber war ich sehr froh. Es sind viele Fragen, die in der Zeit des Handelns auftauchen. Den Lehrgang, der auch als Pilotprojekt gilt, organisierten die Ehrenamtlichen des 15. Einsatzzuges mit Zugführer Sebastian Hochgräfe. Sie wollten die ursprüngliche Dauer des Lehrgangs optimieren, der bisher mehrere Monate dauert. „Die lange Zeit stellt eine Herausforderung für viele Interessierten dar, die sie sich nicht für längeren Zeiträume fest einplanen können“, erzählt Steffen Schulze, ehrenamtlicher Ausbildungsleiter und Notfallsanitäter aus dem OV Wunstorf-Steinhuder Meer. Die Helferinnen und Helfer haben deshalb unter der Leitung von Schulze in rund 120 Arbeitsstunden ein neues, zeitsparendes Lehrprogramm auf die Beine gestellt. Damit wollten die Ehrenamtlichen erproben, ob die Ausbildung zum Sanitätshelfer in wenigen Tagen trotzdem mit 60 Unterrichtseinheiten erfolgreich abzuschließen ist. 

Das verbleibende Wochenende war für uns alle ausschlaggebend. Wir mussten die vier Prüfungsteile bestehen – eine schriftlich und mündliche Prüfung, die Reanimation und ein praktisches Fallbeispiel. Als erstes fand die schriftliche Prüfung am Samstag statt und den restlichen Tag ging es nur darum, das Gelernte zu festigen. Was uns zugutekam! Alle Teilnehmer haben bestanden. Ich sogar mit sehr guten Noten und meine Partnerin Anna hatte die beste Abschluss-Note des Kurses. Die Prüfer schenkten ihr zur Belohnung einen Kino-Gutschein. Zur Feier des Tages ließen alle den Lehrgang mit einem gemütlichen Grillabend ausklingen. 

Diese drei Wochenendenden waren sehr aufschlussreich im Hinblick auf das Thema Rettung. Wir hatten ausführliche sowie abwechslungsreiche praktische Übungen. Wir haben außerdem nach jeder Übung ein Feedback von den Dozenten erhalten. An Essen und Getränken mangelte es nicht. Die Verpflegung war äußerst köstlich. Für ein Pilotprojekt fand ich das Seminar gut strukturiert und durchgeplant. Nach dem Lehrgang fühle ich mich in vielen Aspekten sicherer und selbstbewusster – es war einfach eine schöne Zeit. Daher freue ich mich, zukünftig mein Wissen in Sanitätsdiensten anzuwenden und dort wo es benötigt wird.