Daniel Stappenbeck: Der Herr der Zahlen

Hinter den Kulissen einer Großveranstaltung

Alles im Blick: Daniel Stappenbeck im Einsatzstab.

Daten sind sein Steckenpferd: Unser Helfer Daniel Stappenbeck aus dem Regionalverband Harburg engagiert sich ehrenamtlich im Katastrophenschutz. Als Gruppenführer Logistik und Technik kümmert er sich um technische Infrastruktur für den Einsatz der Johanniter. In der Stabsfunktion S2 - Lage unterstützt er beim Sanitätsdienst auf dem Deichbrand Festival. Dort ist er gemeinsam mit über 600 weiteren Ehrenamtlichen im Einsatz und ist zuständig für das Lagebild und die Einsatzdokumentation.


Seit Tag 1 ist er dabei: Für Daniel Stappenbeck ist das Deichbrand-Festival ein fester Termin im Kalender. Dabei steht für den 35-Jährigen jedoch nicht das Konzerterlebnis im Vordergrund: Er will helfen. 2014 haben die Johanniter die sanitätsdienstliche Versorgung des Festivals erstmals übernommen – seitdem reist der engagierte Harburger aus Eißendorf zusammen mit mehreren hundert weiteren Einsatzkräften jedes Jahr nach Cuxhaven und sorgt für Sicherheit. Insgesamt werden die Johanniter dieses Jahr acht Unfallhilfsstellen (UHS) auf dem gesamten Veranstaltungsgelände betreiben.

Das Deichbrand-Festival ist wie eine Kleinstadt auf Zeit: Rund 50.000 Festival-Besucher kommen für das Konzerterlebnis an die Nordseeküste. Als ausgebildeter Zugführer ist Stappenbeck während des Festivals im Einsatzstab der Johanniter zuständig für den Stabsbereich S2 (Lage). Dazu gehört das Beschaffen, Kanalisieren und Auswerten von Information zum Einsatzgeschehen, auch rund um das Festivalgelände. Diese Informationen bereitet er der Einsatzleitung laufend zur Entscheidungsfindung auf. „Ich habe das in vielen Augen trockenste Thema mit den Zahlen. Aber ich beherrschte bisher immer die Kunst, alle Stakeholder dafür zu begeistern, die benötigten Zahlen jeweils rechtzeitig an die Einsatzleitung zu melden“, schmunzelt er. Hauptberuflich arbeitet Stappenbeck als Logistik- und Produktionsleiter in einem Handelsunternehmen – auf Großveranstaltungen ist er der Herr der Zahlen. „Die Daten sind mein Steckenpferd. Wenn in der Schule nach dem Lieblingsfach gefragt wird, gehen bei Mathe nur wenige Hände hoch. Meine war dabei. Ich kann die Menschen für die Daten begeistern.“

Aus den Daten bereitet Stappenbeck kleine Kunstwerke auf: visuell ansprechende und lesbare Diagramme. Warum das so wichtig ist? „Der Veranstalter benötigt ein dezidiertes Lagebild.“ Das enthält beispielsweise die Zahl der Verletzten in bestimmten Abschnitten, die Verletzungsmuster, aber auch Angaben der Polizei zum An- und Abreiseverkehr, zu Stausituationen rund um das Gelände, um Rettungsmittel koordinieren zu können, oder meteorologische Informationen, um das Wetter einzuschätzen. So kann der Veranstalter bei Bedarf reagieren. „Wenn etwa viele Menschen in einem bestimmten Abschnitt aufgrund der Trockenheit mit Augenverletzungen durch Staub behandelt werden müssen, dann müssen diese Flächen bewässert werden. Schließlich steht die Sicherheit der Gäste im Vordergrund“, erläutert der Gruppenführer. „Diese Informationen können wir liefern und interpretieren. Wir haben dafür in den letzten Jahren ein ausgeklügeltes digitales System entwickelt, in das alle Daten einfließen.“ Für die Einschätzung der Wettersituation vor Ort sorgen externe Meteorologen: Droht ein Gewitter? Wie heiß wird es? „An der Küste ändert sich das Wetter schnell. Aber auch darauf müssen wir reagieren.“

Nach zwei Jahren Pandemie-Pause hat der Helfer großen Respekt vor den anstehenden Aufgaben und dem zu erwartenden coronabedingten Ausfall von Einsatzkräften. Dennoch überwiegt die Freude: „Ich freue mich wahnsinnig auf den einwöchigen Abstecher in diese doch ganz andere Welt, auf die anderen Johanniter und auf die tolle Gemeinschaft. Ich führe eine tolle Truppe und wir erleben gemeinsam spannende Momente. Auch nach 17 Jahren Dienstzeit kann ich jedem empfehlen, bei uns mitzumachen!“ Der Termin fürs Deichbrand-Festival 2023 steht schon im Kalender.

Seit 2005 engagiert sich Daniel Stappenbeck bei den Johannitern im Landkreis Harburg: Auf der Suche nach einer ehrenamtlichen Tätigkeit nutzte er die Gruppenabende der Helferschaft zum Reinschnuppern. Schnell war klar: Das ist es. „Ich habe als Helfer im Sanitätsdienst und im Katastrophenschutz angefangen und bin in die Strukturen hineingewachsen. Heute bin ich ausgebildeter Zugführer im Katastrophenschutz“, berichtet der Ehrenamtliche. Seine Erfahrung bringt er außer bei Großveranstaltungen aktuell zum Beispiel in der Flüchtlingshilfe und in der Pandemiebewältigung ein. „Wir haben für die Flüchtlingsunterkunft in Neu Wulmstorf die Materialtransporte übernommen und Notunterkünfte für Geflüchtete in Buchholz und Meckelfeld errichtet“, erklärt er. Im Pandemiejahr 2021 waren die Johanniter im Auftrag des Landkreises Harburg u.a. zuständig für die digitale Impfstoffüberwachung: Die empfindlichen Impfstoffe durften nur bei bestimmten Temperaturen transportiert und gelagert werden. „Zusammen mit zwei Kollegen habe ich mir eine Lösung ausgedacht und umgesetzt, damit wir zum Beispiel bei einem Stromausfall sofort eingreifen können und die Kühlkette nicht unterbrochen wird.“ Nicht nur in der Pandemiezeit wird deutlich, wie wichtig das ehrenamtliche Engagement für die Gesellschaft ist – und wie vielfältig.

Daniel Stappenbeck im Einsatz auf dem Deichbrand-Festival 2022

Ist ein Sanitätsdienst immer nur Pflaster kleben? Wir haben Daniel Stappenbeck gebeten, uns von einem besonderen Moment auf dem Deichbrand zu berichten.

„In meiner Zeit auf dem Deichbrand bin ich auf eine weibliche Festivalteilnehmerin gestoßen, die sehr aufgelöst und traurig gewesen ist. Ihr Vater hatte sie und ihre Freunde noch zum Bahnhof gefahren. Dann hat sie den Anruf erhalten, dass er auf dem Rückweg suizidal aus dem Leben geschieden ist. Wir haben sie dann erstmal zu uns in einer Unfallhilfsstation in Obhut genommen und ich habe mit ihr und einem Seelsorger über die Situation gesprochen. Wir haben uns dabei sehr viel Zeit genommen. Neben den vielen Fragen zum Warum, war sie sehr dankbar über unsere Nähe und den starken Halt, den wir ihr in dieser Situation geben konnten. In so einer Situation kann man nur zuhören. Ich weiß nicht, was aus der jungen Frau geworden ist, bin aber sehr froh, als Johanniter für sie dagewesen zu sein, als sie uns am nötigsten gebraucht hat. Unter einem Sanitätsdienst stellt man sich meist vor, dass wir nur Pflaster kleben. Aber manchmal erleben wir Situationen, die völlig unerwartet sind. Der Fall dieser jungen Frau ist natürlich ein Ausnahmefall, aber man muss in der Lage sein, sich auf alles einzustellen und professionell damit umzugehen. Und man muss lernen, Abstand zu gewinnen – zum eigenen Schutz. Man muss sich abgrenzen können und darf sich nicht immer fragen, was wohl aus der Person geworden ist. Für solche Fälle haben wir einen professionellen Einsatznachsorgedienst, der den Einsatzkräften hilft, schwierige Fälle aufzuarbeiten.“