„Wir kommen nur zurecht, wenn wir andere respektieren“
Im Dominik-Brunner-Haus der Johanniter feiern Kinder verschiedenster Kulturen und Religionen gemeinsam Weihnachten. Ein Expertengespräch zu Vielfalt, Toleranz und Gemeinschaft.
Ein reich geschmückter Christbaum, selbst gebastelte Kalender, weihnachtliche Lieder, kleine Geschenke und große Wünsche: In den meisten Kinder- und Jugendeinrichtungen in München wird in den nächsten Wochen die Adventszeit gefeiert. Wie das mit Menschen aus 18 verschiedenen Nationen mit unterschiedlichen Kulturen und Religionen harmonisch funktioniert und was man dabei über Toleranz lernen kann, verrät Waisuddin Fakhri, Einrichtungsleiter des Dominik-Brunner-Hauses der Johanniter in Ramersdorf, in dem sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche gefördert werden.
Wie feiert man Weihnachten mit Kindern und Jugendlichen unterschiedlichster Religionen und Kulturen?
Waisuddin Fakhri: Vielfalt ist das, was das Dominik-Brunner-Haus der Johanniter ausmacht. Wir haben Kinder und Jugendliche aus 18 verschiedenen Nationen bei uns im Haus. Da ist es umso wichtiger, in den Vordergrund zu stellen, dass wir eine Gemeinschaft bilden, aufeinander aufpassen, es miteinander schön haben. Weihnachten ist ein Fest, an dem Hoffnung und Liebe an erster Stelle stehen. Wir wollen die Vorfreude auf dieses Fest für alle erlebbar machen – egal, ob unsere Kinder Christen, Muslime oder Hindus sind, einer anderen oder keiner Religion angehören. Wir feiern an diesem Tag die Gemeinschaft, das gute Miteinander, die Nächstenliebe und denken ganz besonders an jene Menschen, denen es nicht so gut geht wie uns.
Sie begleiten Menschen in verschiedenen Lebensphasen, von der Kinderkrippe bis zur Ausbildung. Wie bringen die sich jeweils ein in die Adventszeit?
Alle machen aktiv mit – bei der Dekoration und beim Fest. Wir schmücken gemeinsam den großen Weihnachtsbaum bei uns im Eingangsbereich: Da sind Lichterketten aus der Krippe dabei, Kerzen, ganz viel Glitzer aus dem Hort und selbst gebastelte Sterne von den Jugendlichen. Das ist total bunt und wunderschön. Auch für unsere Kinderweihnachtsfeier in der Turnhalle bereitet jeder Bereich etwas vor: Manche tragen ein Weihnachtsgedicht vor, manche lesen aus einer Geschichte, andere singen gemeinsam ein Lied. Jedes Kind bekommt ein Geschenk, das wird über Spenden finanziert. Und jedes Kind darf eine Frage zu Weihnachten stellen, die von einem anderen Kind beantwortet wird. Letztes Jahr durfte ein muslimisches Vorschulkind die Fragen beantworten und hat das ganz toll gemacht – es genießt die Weihnachtszeit bei uns sehr.
Werden auch Feste anderer Religionen gemeinsam im Dominik-Brunner-Haus gefeiert?
Die meisten Kinder sind Angehörige verschiedener Weltreligionen. Daher versuchen wir die großen Feste zu feiern wie das muslimische Zuckerfest „Bayram“ oder das hinduistische Lichterfest „Diwali“. Im gemeinsamen Festefeiern und damit verbunden auch im Kennenlernen der verschiedenen Religionen stellen wir immer wieder fest, dass uns mehr verbindet als uns trennt. Unser Ziel ist es, verschiedenen Menschen aus verschiedenen Glaubensrichtungen zusammenzubringen. Für uns sind verschiedene Kulturen mit ihren unterschiedlichen Ritualen Möglichkeiten, Diversität sichtbar und positiv erfahrbar zu machen. Daher begehen wir die Feste ganz bewusst, um die Gemeinschaft zu fördern. Bei unseren Sommerfesten feiern oft 300 Leute miteinander, die sich zum Teil nur mit Hilfe von Gestik und Mimik verständigen können. Im Mittelpunkt steht aber immer das Gemeinsame wie Toleranz, Respekt und Freundschaft.
Wir kommen nur miteinander zurecht, wenn wir andere respektieren, wie wir sind, gleich, welche Herkunft, sexuelle Orientierung oder Hautfarbe wir haben. An erster Stelle müssen wir stets den Menschen und das Gemeinsame und Verbindende sehen. Dafür wollen wir in unserer Einrichtung Bewusstsein schaffen, Verständnis fördern und ein lebendiges Beispiel geben, wie ein Miteinander, über verschiedene Kulturen, Religionen und Sprachgrenzen hinweg, im Guten funktionieren kann.
Was wünschen sich die Kinder und Jugendlichen aus Ihrer Einrichtung zu Weihnachten?
Jedes Kind darf auf ein Kärtchen schreiben, was es sich wünscht. Da ist Platz für etwas Materielles und eine eigene Zeile für weitere Wünsche. Diese sind ganz verschieden: Dass die Mutter wieder gesund wird, dass der Vater eine Arbeit findet, dass sich die Schwester wieder mit ihrer Freundin versteht. Wir sehen aber auch, was verbindend ist und welche Werte die Kinder durch ihre Wünsche widerspiegeln: Sie wünschen sich, dass sie eine schöne Zeit mit ihren Liebsten haben und dass es den Menschen um sie herum gut geht.
Das Dominik-Brunner-Haus der Johanniter
Im Dominik-Brunner-Haus der Johanniter in München-Ramersdorf werden sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche individuell gefördert. Unterstützung bekommen sie im schulischen und emotionalen, aber auch im sozialen Bereich. Dadurch sollen die Kinder den Anschluss an eine Schulform finden, die ihrer Begabung entspricht. Fördermaßnahmen wie intensive schulische Hilfe, motorische, musische und gesundheitliche Förderung und soziales Training greifen ineinander. Praktische Fähigkeiten werden ebenso geübt wie friedliche Konfliktlösungsstrategien. Ein großer Schwerpunkt gilt auch der gezielten Sprachförderung, weil das Sprechen einer gemeinsamen Sprache, des Deutschen, verbindet.
Weitere Informationen zum Dominik-Brunner-Haus der Johanniter und die Möglichkeit zur Online-Spende für die Förderung von Kindern und Jugendlichen gibt es hier.