Wir
Auf alle Fälle
Starkregen, Unwetter und Überschwemmungen haben von Ende Mai bis Mitte Juni 2024 nicht nur für schwere Schäden an Häusern und Infrastruktur gesorgt – sie haben auch Menschenleben gefordert. Die bayerischen Johanniter haben dabei gezeigt, wie wichtig ein funktionierender Katastrophenschutz ist.
Mit seinen offiziellen Unwetterwarnungen für das Fronleichnams-Wochenende 2024 sollte der Deutsche Wetterdienst recht behalten: Niederschläge von bis zu 150 Litern täglich brachte das atlantische Tief Orinoco und löste so eine katastrophale Hochwasserlage aus. 15 Landkreise und drei kreisfreie Städte in Schwaben, Oberbayern, Niederbayern sowie der Oberpfalz stellten während der ersten zwei Juniwochen den Katastrophenfall fest.
Der Vielzahl der Betroffenen standen 500 ehren- und hauptamtliche Einsatzkräfte der Johanniter aus allen sieben Regionalverbänden mit Unterstützung von Kräften aus Baden-Württemberg zur Seite. 200 weitere waren in Bereitschaft. Schnell, professionell und engagiert halfen sie dabei, die Auswirkungen der Katastrophe zu mildern. In den besonders betroffenen Regionen in Oberbayern, Ostbayern und Schwaben waren sie in vielen Bereichen aktiv: Johanniterinnen und Johanniter unterstützten die Einsatzleitungen vor Ort, koordinierten Hilfsmaßnahmen und halfen bei der Verteilung von Hilfsgütern. Fachkräfte leisteten medizinische Notfallhilfe, waren an der Evakuierung von Pflegeheimen und Wohnhäusern beteiligt und versorgten Menschen mit den Kriseninterventionsteams psychosozial, als die betroffenen Bewohner in ihre teilweise massiv beschädigten Häuser zurückkehren durften. Zudem stellten viele Helferinnen und Helfer die medizinische Notfallversorgung sicher, insbesondere für Menschen mit eingeschränkter Mobilität oder mit Vorerkrankungen.
Auch in der technischen Hilfe waren die Johanniter in partnerschaftlicher Kooperation mit anderen Hilfsorganisationen und Feuerwehren aktiv: Bei der Deichsicherung, dem Transport von Sandsäcken und Pumpen sowie beim Wiederaufbau kritischer Infrastruktur. In vielen Orten unterstützten sie auch die Koordination der Hilfskräfte vor Ort und organisierten zentrale Anlaufstellen für Betroffene. Selbst nach dem Rückgang des Wassers blieben die Johanniter aktiv und stellten für eine längerfristige Hilfe kostenlos Bautrockner und Werkzeuge bereit, informierten zu Fördermöglichkeiten und begleiteten Menschen durch die bürokratischen Herausforderungen beim Wiederaufbau.
„Wir sind dankbar und stolz auf das sehr hohe Engagement und die Einsatzbereitschaft unserer Ehrenamtlichen. Gerade in Krisen und Katastrophen ist es wichtig, füreinander da zu sein. Und wir Johanniter sind da, wenn wir gebraucht werden“, sagt Alexander Hameder, Bereichsleiter Einsatz- und Notrufdienste im Landesverband Bayern.
Vorsorgen mit Hochwasserdepots
Um auf kommende Ereignisse noch besser vorbereitet zu sein, haben die Johanniter in Ingolstadt und Kempten 2024 ein neues Projekt angestoßen: Warum nicht denen künftig schneller mit Hilfsmitteln zur Seite stehen, die zwar nicht um Leib und Leben, aber um Haus und Hof kämpfen? Weil es im Ernstfall erfahrungsgemäß einen riesigen Bedarf an Geräten gibt, mit denen Hausbesitzer selbst Strom erzeugen, Keller auspumpen und Flutschäden beseitigen können, brachten die Johanniter die „mobilen Hochwasserdepots“ auf den Weg: einfach einsetzbare Hilfsmittel wie Aggregate, Pumpen und Reinigungsgeräte, dezentral vorgehalten und im Notfall schnell in die betroffenen Regionen gebracht. „Bei dem Material haben wir uns sehr genau an dem orientiert, was in der Vergangenheit auch nachgefragt wurde“, sagt Marcus Röhe, der im Regionalverband Bayerisch Schwaben im Bevölkerungsschutz tätig ist.
Hilfe über Ländergrenzen hinweg
In zwei Regionalverbänden gibt es jetzt diese Depots mit jeweils Material für 20 Haushalte. „Viele schauen heutzutage auf sich selbst. Mit unserer Konzeption dieser Hilfe wollen wir da auch etwas gegensteuern: etwas für die Gemeinschaft tun und so vielleicht auch die Nachbarschaft unterstützen“, sagt Röhe. Dass das Angebot passgerecht ist, darüber ist sich Sven Müller, Fachberater Bevölkerungsschutz im Regionalverband Oberbayern, ziemlich sicher: „Ich glaube, dass wir mit unserem Angebot sehr gut eine bestehende Lücke füllen.“
Erfahrungen über diese Art der Hilfe haben die bayerischen Johanniter bereits im September 2024 gesammelt: 148 Bautrockner gingen an Betroffene einer Hochwasserlage im niederösterreichischen Judenau. Mit überschwänglicher Dankbarkeit wurde die Hilfe aus dem Nachbarland angenommen. Und Müller sieht einen weiteren Aspekt: „Wenn die Betroffenen selbst aktiv werden, entlastet das auch die professionellen Einsatzkräfte.“
ZukunftsSicher 2028
Nicht nur auf die Abwehr von Naturgefahren gemünzt ist das 2024 gestartete Projekt „ZukunftsSicher 2028“. Angesichts der zunehmend unsicheren geopolitischen Lage und sich ständig wandelnder Bedrohungen wollen sich die bayerischen Johanniter strukturiert und nachhaltig im Bereich Zivilschutz, Bevölkerungsschutz und Krisenvorsorge vorbereiten. Zwingend notwendig ist es, die Resilienz und Einsatzfähigkeit des zivilen Bevölkerungsschutzes in Deutschland zu verstärken.
„Proaktiv und zukunftsorientiert werden wir mit ,ZukunftsSicher 2028’ erarbeiten, dass wir auch in den kommenden Jahren allen Herausforderungen gewachsen sind“, verspricht Georg Seidl, Landesbereitschaftsleitung der bayerischen Johanniter. „Dazu gehört aus unserer Sicht auch, ganzheitlich die unterschiedlichen internen und externen Zielgruppen im Blick zu haben“, ergänzt Thomas Witzel, ebenfalls Landesbereitschaftsleitung.
In dem umfassenden Prozess ist auch eine verbesserte zivilmilitärische Zusammenarbeit mitgedacht. Kernpunkte des Konzeptes sind der gezielte Aufbau von Kompetenzen, eine nachhaltige Finanzierung, die Gewinnung und Bindung von Helfenden sowie eine Optimierung der vorhandenen Ressourcen und Entwicklung effizienter Strukturen. Regelmäßige Netzwerktreffen und die aktive Teilnahme an Großübungen sind wichtige Komponenten in diesem fortlaufenden Prozess.