"Der persönliche Kontakt geht leider immer mehr verloren"
Der Ehrenamtliche Frank Rösel engagiert sich seit 2008 als Tandem-Seniorenbegleiter bei uns in Kiel und kümmert sich um ältere Menschen. Er begleitet sie bei Spaziergängen und ermuntert sie, ihre sozialen Kontakte aufrecht zu halten. Im Interview berichtet er von seinem Ehrenamt und davon, dass Senioren heute einsamer sind als früher.
Herr Rösel, bitte stellen Sie sich kurz vor.
Frank Rösel: "Ich bin 59 Jahre alt und habe Anfang 2008 die Ausbildung beim Projekt Tandem-Seniorenbegleitung der Johanniter in Kiel begonnen. Hauptberuflich arbeite ich seit rund 20 Jahren im Universitätsklinikum Schleswig-Holstein in Kiel in der "Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe" in der Onkologie als Medizinisch-Technischer Assistent und auch wissenschaftlich. Mein Erstberuf war "Schäfer", dann studierte ich Veterinärmedizin und arbeitete zehn Jahre lang in einer tierärztlichen Landpraxis. Bevor ich nach Kiel kam, war ich noch zehn Jahre angestellt am Bundesgesundheitsamt in Berlin. Und um den Kreis zu schließen, bin ich auch ausgebildeter Heilpraktiker. Soweit eine Kurzvorstellung von mir."
Wieso engagieren Sie sich als ehrenamtlicher Tandem-Seniorenbegleiter?
"Bereits seit meiner Kindheit habe ich sehr viel Kontakt zu älteren und alten Menschen, darin eingebunden auch Erfahrung mit Erkrankungen wie Demenz u.v.a. Ich lernte früh, wie wichtig persönliche Kontakte auch in solchen Fällen sind und wie dankbar diese angenommen werden. Durch einen selbst erlittenen schweren Unfall kam ich selbst in Berührung mit persönlicher, unabhängiger Hilfe und Unterstützung und möchte diese positiven Erfahrungen weitergeben. Jede Person, welche ehrenamtliche Hilfe und Unterstützung leistet, tut auch etwas für sich selbst und ihr eigenes Wohlbefinden."
Was sind Ihre ehrenamtlichen Aufgaben und wie sind Sie darauf vorbereitet worden?
"Ich absolvierte bei den Johannitern in Kiel eine halbjährige Ausbildung. In dieser Zeit wurden verschiedene Kurse angeboten, wie z. B. „Lebensgefühl und Psyche älterer Menschen besser verstehen lernen“, „Kommunikation und Gesprächsführung“ sowie u.a. „Alterserkrankungen“, „Umgang mit Demenz“, „Tod, Trauer und Abschiednehmen in der Seniorenbegleitung“ und „Information über wichtige rechtliche Regelungen im Alter“. Auch ein „Erste Hilfe Kurs“ gehörte natürlich dazu. Des weiteren bekamen wir die Möglichkeit, Praktika und Hospitationen zu absolvieren.
Unsere Aufgabe ist es, älteren Menschen zu helfen, sich weiter in ihrer vertrauten häuslichen Umgebung wohl zu fühlen, sie zu Aktivitäten anzuregen und bei der Freizeitgestaltung zu unterstützen. Auch Gesprächsangebote sind wichtig, oder gemeinsame Unternehmungen wie: Spaziergänge, Spielenachmittage, Vorlesen, Musik erleben, zum Beispiel als Begleitung bei einem Konzert-, Theater- oder Opernbesuch. Oder einfach nur mal eine Hand halten…
Was ich beobachten konnte, ist, dass sich auch die eventuellen Lebenspartner gern an unseren Angeboten beteiligen und dadurch eine Zeit lang von ihrer täglichen Routine entlastet werden."
Sind die Menschen heute einsamer als früher?
"Die zum jetzigen Zeitpunkt älteren Menschen sind sicher einsamer als früher. Dies liegt u.a. auch an der fortschreitenden, weltweiten Digitalisierung. Junge Menschen, welche damit aufwachsen, entwickeln ein anderes Gefühl für Einsamkeit. Eine digital verbundene Gruppe von Personen ist in Realität weit, eventuell sogar weltweit verstreut und nur digital verbunden.
Viele ziehen sich „digital“ in ihre eigene Welt zurück, so erklärte mir ein junger Mann. Dadurch geht heute leider der direkte persönliche Kontakt immer mehr verloren.
Auch der Egoismus verursacht heute immer mehr Einsamkeit, weil Menschen sich nicht mit Problemen anderer belasten wollen und nur rück – und umsichtslos ihr eigenes Weiterkommen sichern wollen, obwohl gerade so etwas im Team oft einfacher ist."
Welche Reaktionen erfahren Sie von Ihrem „Tandem-Partner“?
"Bisher nur überaus freudige und herzliche Anteilnahme. Bei gesundheitlich stärker beeinträchtigten Personen oder auch dementiell beeinträchtigten Menschen erlebte ich auch schon tolle, überraschende Reaktionen, über welche ich mich sehr freute und welche von der Umgebung auch sehr positiv und mit Freude angenommen wurden."
Haben Sie Angst davor, im Alter einsam zu sein?
"Nein. Ich habe das Glück mit meinen bereits angedeuteten Erfahrungen in diese jetzige Welt reinwachsen zu dürfen und beide Aspekte zu lernen und zu erleben. Ich nenne sie jetzt mal „Persönliche Nähe und Digitale Einsamkeit“. Es gibt sehr viele Möglichkeiten, die Einsamkeit in jedem Falle auszuschließen und darüber bin ich froh und dankbar. Auch den Johannitern."