"Ein Ehrenamt hält Geist und Körper jung"
Das beste Rezept gegen Einsamkeit ist, sich ehrenamtlich zu engagieren, findet Dirk Walter. Der 81-Jährige ehemalige ehrenamtliche Landesvorstand ist Deutschlands wohl dienstältester Johanniter: Seit 1953 ist er dabei. In 65 Johanniter-Jahren hatte er so manches Amt inne. Bis Sommer 2018 war er Beauftragter zur Förderung des Ehrenamtes im Regionalverband Hamburg und noch immer engagiert er sich regelmäßig als ehrenamtlicher Fahrer des Frauen-Gesundheitsmobils. Im Interview spricht er über Einsamkeit.
Herr Walter, Sie sind ein Johanniter-Urgestein und trotz Ihres hohen Alters noch immer ehrenamtlich aktiv. Hält ehrenamtliches Engagement jung?
„Auf jeden Fall! Im Ehrenamt kann man mit Menschen jeden Alters viel erleben. Man trägt Verantwortung für eine Organisation oder das Amt, in denen man noch tätig ist. Außerdem trägt man Verantwortung für Menschen und Material. Das hält den Geist und Körper jung.“
Nicht jeder Mensch schafft es, so aktiv zu bleiben und ein soziales Netzwerk aufrecht zu halten. Kennen Sie einsame Menschen?
„Ja, ich kenne einige. Betroffen sind vor allem ältere Damen, oft sind es Witwen. Sie haben nicht nur ihren Partner verloren, sie sorgen sich ums Überleben. Monat für Monat fragen sie sich: Ist noch genug Rente, ist noch genug Geld vorhanden? Oft fühlen sie sich nicht nur einsam, sondern haben auch viele Ängste.“
Haben Sie sich selbst jemals einsam gefühlt?
„Ja! Und zwar immer, wenn ich alleine auf Reisen war, was früher sehr häufig vorkam. Aber auch, wenn meine Frau mit ihren Freundinnen einmal im Jahr für eine Woche in Dänemark Urlaub machte und ich zuhause blieb. Einsamkeit ist ein sehr beklemmendes Gefühl.“
Was ist Ihr Rezept gegen Einsamkeit?
„Da gibt es viele: Familie, Freundschaften pflegen, Theater-, Opern- und Konzertbesuche planen, eigene Hobbys nicht vernachlässigen und auch im Alter regelmäßig Sport treiben. Hilfreich ist es, Gleichgesinnte in einem Verein zu treffen, so dass man gemeinsame Gesprächsthemen hat. Oder zum Beispiel ein Ehrenamt ausüben. Wer alt ist und allein lebt, kann sich auch Gemeinschaft in einem Heim suchen. Oft gibt es dort gemeinsame Freizeitangebote, die man nutzen kann.“
Ist es heute wahrscheinlicher, im Alter einsam zu werden als früher?
„Ja, das ist wohl heutzutage leider so. Wenn Lebenspartner sterben oder Trennungen stattgefunden haben und die eigene Abhängigkeit vom Partner sehr groß war, dann fallen die Hinterbliebenen in ein tiefes Loch. Besonders tragisch ist es, wenn der zurückgelassene Partner nicht allein das Haus, die Wohnung oder die Finanzen bewältigen kann. Wenn dann soziale Kontakte fehlen, weil zum Beispiel die Familie nicht am selben Ort wohnt, dann ist Einsamkeit fast vorprogrammiert.“
Glauben Sie, dass technische Lösungen wie z. B. Smart Home oder Tablet-Computer die Einsamkeit lindern können?
„Nein, das glaube ich nicht. Technische Lösungen erleichtern vielleicht den Zugang zu Ärzten oder zu anderen Notfalldiensten. Aber Technik wird Menschen niemals ersetzen können.“
Was müsste sich in der Gesellschaft ändern, damit Menschen nicht vereinsamen?
„Familie, Freunde, Nachbarn und Gemeinschaften sollten sich schon früh um die Menschen kümmern, die im direkten Umfeld leben: Wer mit wachen Augen durch seine Nachbarschaft geht, sieht, wer Hilfe benötigt, wer Gefahr läuft, einsam zu werden. Man muss sich nur umhören und genau beobachten.“
Und was können wir Johanniter dafür tun?
„Gleiches gilt für uns: Wir müssen Ohren und Augen offenhalten, ein Gespür entwickeln, um die Einsamen zu finden und aufzufangen. Mit unseren professionellen haupt- und ehrenamtlichen Johanniter-Diensten können wir sie pflegen, wieder in die Gesellschaft integrieren und versuchen, ihnen eine Heimat zu geben.“