Lacrima - unser Kinder-Trauerprojekt

"Es ist ein tolles Gefühl, die Kinder auf ihrem Weg zu unterstützen"

Im Quickborner Trauerzentrum Lacrima werden Kinder und Jugendliche betreut, die einen Angehörigen – meistens ein Elternteil – verloren haben. Die ehrenamtlichen Trauerbegleiterinnen Astrid Joachim, Petra Meier, Mareen Becker und Bettina Schröder geben Kindern und Jugendlichen einen geschützten Rahmen für ihre Trauer.


Die Arbeit bei Lacrima bedeutet, meist über mehrere Jahre hinweg Kinder und Jugendliche bei ihrer Trauerarbeit zu unterstützen. Warum haben Sie sich gerade für diese ehrenamtliche Arbeit entschieden?

Joachim: Nachdem meine Schwester verstarb und ich in Rente ging, musste mein Leben neu geordnet werden: etwas für den Kopf, für mich selbst und für Andere. Ich wollte ich mir eine sinnvolle ehrenamtliche Tätigkeit suchen. Anfangs dachte ich an den Hospizdienst, sprach auch mit meinem Hausarzt darüber, der sagte: „Sie haben noch eine alte Mutter, die Sie begleiten werden, denken Sie evtl. darüber nach, wo es nach vorn geht.“ Und dann lief mir Lacrima über den Weg. Es war die richtige Entscheidung.

Meier: Nachdem meine Freundin viel zu früh an Krebs verstorben ist und ihren Mann mit den drei gemeinsamen, minderjährigen Kindern zurückgelassen hat, wurde mir bewusst, wie wichtig eine Unterstützung in einer solch belastenden Lebensphase sein kann. So habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, betroffenen Familien helfen zu wollen und stieß auf Lacrima.

Becker: Ich habe 2018 eine Ausbildung zur Begleitung im Hospizdienst bei den Johannitern absolviert und auch in diesem Bereich ehrenamtlich gearbeitet. Durch eine Mitarbeiterin bei den Johannitern bin ich auf Lacrima gestoßen. Kindern helfen, mit ihrer Trauer umzugehen – das fühlt sich einfach richtig für mich an!

Als außenstehende Person stellt man sich eine solche Arbeit sehr belastend vor. Welche persönliche Bedeutung hat das Ehrenamt für Sie?

Meier: Diese Tätigkeit erfüllt uns teilweise mit Freude. Die Familien eine Zeit lang zu begleiten und zu sehen, wie sich ihre Trauer in dieser Zeit verändert, das macht uns ein klein wenig stolz und glücklich. Sie behalten die verstorbene Person in dankbarer Erinnerung und nehmen sie mit diesen Gedanken in die Zukunft.

Becker: Ehrenamtliches Engagement gibt mir die Chance, Dinge zu verändern und soziale Verantwortung zu übernehmen. Wir sind für die Kinder da und bieten ihnen durch unsere Arbeit wieder neue Perspektiven. Es ist ein tolles Gefühl, die Kinder auf ihrem Weg zu unterstützen.

Schröder: Jedes der Kinder hat einen Menschen verloren. Zu sehen, wie ich den Kindern mit Ritualen, Gesprächen, Vertrauen schaffen und spielerischen Elementen helfen kann, berührt mich immer wieder. Sie haben ihr Leben noch vor sich und ich hoffe, ich trage dazu bei, dass es für sie lebenswert ist und bleibt.

Was passiert in einer typischen Sitzung? Welche Rituale gibt es?

Joachim: Ich betreue bei Lacrima die Eltern. Es hat sich herausgestellt, dass Rituale bei den Erwachsenen nicht so gern angenommen werden. So wird anfangs jeder gefragt, wie es ihm geht und dann ergibt sich vieles von selbst. Die Eltern diskutieren untereinander oft pragmatische Fragen zu Themen wie etwa Rente, Kur für sich und die Kinder, Erbe oder sonstige amtliche Angelegenheiten. Es tut ihnen gut, darüber zu reden und sie haben ebenfalls einen geschützten Raum, wo Vertrauen herrscht und ihnen nicht gesagt wird „Wie, du trauerst immer noch?“. Alles hat seine Zeit, und so habe ich die Erfahrung gemacht, dass die meisten nach ca. zwei Jahren ein neues Leben aufbauen. Das geschieht step by step. Und es geht nach vorn.

Meier: Zu Beginn einer Gruppenstunde sitzen wir in einem gemeinsamen Kreis und jedes Kind zündet für den Verstorbenen eine Kerze an. Hier geben wir bereits einen Trauerimpuls, um ins Gespräch zu kommen, etwa mit der Frage: „Hast du Träume, an die du dich erinnerst?“ Anschließend folgt der kreative Teil: Wir basteln etwas Passendes zu unserem vorgegebenen Thema, z.B. einen Traumfänger. Manchmal wird das Thema durch ein Buch oder eine Geschichte begleitet. In dieser Zeit versuchen wir mit den Kindern oder die Kinder untereinander ins Gespräch zu kommen. Am Ende finden wir uns zum Abschlusskreis und zur Verabschiedung ein.

Sie wurden vorab für die Trauerbegleitung ausgebildet, Lacrima ist jedoch keine Therapie. Welche Bedeutung hat diese Form der Trauerarbeit für die Kinder und ihre Eltern?

Joachim: Die Eltern können sich – wie in einer Selbsthilfegruppe – untereinander austauschen, ohne dass sie nach dem „Warum“ gefragt werden. Es ist ein ehrlicher Austausch von Mensch zu Mensch, ohne Verpflichtung. Die Eltern finden aus meiner Erfahrung in dieser Zeit zu einem sehr engen Kontakt zu ihren Kindern und das ist ihnen selbst das Wichtigste. So war für mich schön zu sehen, dass alle Kinder im Corona-Jahr 2020 ganz tolle Zeugnisse nach Hause gebracht haben. Und dass alle Eltern dies miteinander teilen konnte, war doppelt schön.

Meier: Bei Lacrima spüren die Kinder, nicht allein zu sein mit ihrem Schicksal. Sie treffen auf andere, ebenfalls Betroffene. Wir bieten ihnen einen Raum, alles aussprechen zu dürfen und Gefühle zeigen zu können.

Becker: Dies stärkt das Zugehörigkeitsgefühl und gibt ihnen das Gefühl nicht allein zu sein.

Ehrenamtliches Engagement konkurriert mit zahlreichen anderen Freizeitaktivitäten. Warum sollten sich Menschen ehrenamtlich engagieren?

Joachim: Ich denke, jeder sollte einen kleinen Beitrag leisten – je nachdem, was er leisten kann –, um für das Gemeinwohl mitzuarbeiten und aktiv zu sein. Dies fördert aus meiner Sicht die ganze Gesellschaft.

Meier: Ehrenamt macht glücklich! Am Ende lernt jeder eine Menge über sich selbst!

Becker: Durch ehrenamtliche Arbeit erweitere ich mein soziales Netzwerk und meine sozialen Fähigkeiten. Ich lerne Menschen kennen, die die gleichen Interessen und Aktivitäten teilen. Außerdem macht Ehrenamt glücklich, weil man völlig uneigennützig anderen eine Freude macht und Hilfe anbietet.