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29.03.2022 | Ev. Krankenhaus Bethesda Mönchengladbach

Endomarch: Bewusstsein schaffen für eine häufige Frauenkrankheit

Endometriose gilt als eine der häufigsten gynäkologischen Erkrankungen. Der “EndoMarch” ist eine weltweite Kampagne, um das Bewusstsein für diese häufige, beschwerdenreiche Frauenkrankheit in der Gesellschaft zu erhöhen. Priv.-Doz. Dr. med. Darius Salehin, unser Chefarzt der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe und Leiter des Endometriosezentrums, sprach mit der Tageszeitung Rheinische Post darüber, warum die Krankheit so oft unerkannt bleibt und wo betroffene Frauen Hilfe finden.

Lesen Sie im Folgenden den in der RP Online veröffentlichten Artikel von Redakteurin Tanja Walter:

Rund zwei Millionen Frauen in Deutschland leiden an Endometriose. Jedes Jahr kommen 40.000 Neuerkrankungen hinzu. „28.000 Krankenhausaufenthalte gibt es jedes Jahr aufgrund von Endometriose“, sagt Darius Salehin, Leiter des Endometriosezentrums im Evangelischen Krankenhaus Bethesda in Mönchengladbach. Das sind allesamt starke Zahlen, die unverständlich erscheinen lassen, warum bei einem derart verbreiteten Leiden die Diagnose für viele der betroffenen Frauen erst nach Jahren kommt.

Die ernüchternde Erklärung: Sie versteckt sich hinter vielen Symptomen und Verläufen und ist in den meisten Fällen lediglich durch eine Bauchspiegelung eindeutig diagnostizierbar. „Endometriose wird aufgrund ihrer Vielschichtigkeit auch als Chamäleon der Gynäkologie bezeichnet“, sagt Tanja Fehm, Direktorin an der Universitätsfrauenklinik Düsseldorf. Die Kardinalsymptome für die Erkrankung sind starke Regelschmerzen und ein unerfüllter Kinderwunsch.

Treten schon im jungen Alter Regelschmerzen auf, könne das ein Warnsignal sein. Alles, was Betroffene auf einer Schmerzskala von 1 bis 10 zwischen 7 und 10 einordnen würden, sei der deutliche Hinweis darauf, dass eine pathologische - also krankhafte – Ursache dahinter stecke. Oft berichten die Betroffenen jedoch davon, dass ihre Schmerzen vom Frauenarzt als normale Begleiterscheinung der Monatsregel abgetan wird. Das zeigt: „Auch von Haus- und Fachärzten wird das Leiden häufig nicht erkannt oder bagatellisiert“, sagt Salehin.

Das erlebte auch Kim Zimmermann. Die heute 23-Jährige spürte die ersten Symptome der Endometriose mit dem Einsetzen ihrer Regel. „Ich hatte Schmerzen bis hin zur Ohnmacht“, schildert die junge Frau. Schmerztabletten habe sie wie Smarties genommen. Mit zwölf Jahren sucht sie zum ersten Mal Hilfe im Krankenhaus – ergebnislos. Der niedergelassene Gynäkologe verordnete ihr danach eine Pille mit Östrogenen. „Alles wurde noch schlimmer. Ich nahm zehn Kilo zu“, sagt die junge Frau. Die wirkliche Ursache der Schmerzen kennt Kim Zimmermann zu diesem Zeitpunkt noch immer nicht.

Was die junge Frau plagt: Bei einer Endometriose wächst gebärmutterähnliches Gewebe auch außerhalb der Gebärmutter. Sehr häufig beispielsweise an den Eierstöcken, an Darm, Blase, Harnleiter oder in der Bauchhöhle. In sehr seltenen Extremfällen wachsen solche gutartigen jedoch dennoch nicht ungefährlichen Wucherungen sogar in der Lunge oder im Gehirn.

Wie das Gewebe innerhalb der Gebärmutter werden auch diese Herde hormonell gesteuert. „Endometrioseherde wachsen und bluten ab – im Zyklus der Frau“, sagt Fehm. Daraus erklären sich die meist im Monatsintervall auftretenden Schmerzen. Ein weiteres Problem: Endometrioseherde können laut der Endometriose Vereinigung wachsen und bleibende Schäden verursachen, zum Beispiel durch Verwachsungen am Darm oder den Eileitern.

Während die monatliche Periodenblutung über die Scheide abfließen kann, können dies die Blutungen der Endometrioseherde jedoch nicht. „Der Körper reagiert darauf mit einer Entzündungsreaktion, sagt Salehin. Auch diese verursachen wiederum Schmerzen.

Ist die Harnblase befallen, können Schmerzen beim Wasserlassen oder blutiger Urin ein Hinweis auf die Krankheit sein. Sind die Herde am Darm, kann es dort zu Beschwerden oder Blut im Stuhl kommen. Auch Schmerzen beim Sex, Krämpfe während der Monatsblutung oder lange und starke Blutungen können auf die Erkrankung hindeuten.

Doch nicht jede Frau hat solch starke Beschwerden. Manche Frauen erfahren von ihrer Erkrankung sogar erst per Zufall, wenn sie nicht schwanger werden. Bei 40 bis 60 Prozent steckt laut der Endometriose Vereinigung hinter ungewollter Kinderlosigkeit Endometriose. Die Ursache dafür können beispielsweise Herde an Genitalien oder Geschlechtsorganen sein. Alleine aus der Vielzahl der Erscheinungsformen lässt sich erklären, warum die Diagnose derart schwierig ist.

„Darum ist es wichtig, über die Krankheit zu informieren“, sagt Salehin. Wenn Frauen selbst den Verdacht haben, dass hinter ihrem Problem eine Endometriose stecken könnte, ist die Chance auf schnellere Hilfe wahrscheinlicher, weil sie dann in die Lage versetzt werden, sich gleich an spezialisiertere Kliniken zu wenden, die ein Endometriosezentrum haben. Fehm sieht die Ärzte dort als „Lotsen der Betroffenen“. In einer Klinik erkennt man schließlich auch bei Kim Zimmermann die Erkrankung und entfernte die Gewebeherde. Von Schmerzen befreit ist die junge Frau dennoch nicht. Verwachsungen, die ebenfalls typisch für diese Erkrankung sind, bereiten ihr weiterhin Leid. Erst nach sieben Jahren findet sie im Endometriosezentrum im Bethesda Krankenhaus Verständnis und therapeutische Linderung.

Der Leidensweg der 23-Jährigen ist kein Einzelfall. Man bräuchte mehr qualifizierte Endometriosezentren und mehr Schulungen für Haus- und Fachärzte, sagen Salehin und Fehm. Zwar hat sich die Versorgung in den letzten Jahren verbessert, doch sei sie immer noch nicht gut genug.

Das bemängelt auch Theresia Crone. Sie ist 19 Jahre alt und hat auf der Internet-Plattform change.org eine Petition gestartet, um sich für mehr Aufklärung, mehr Forschungsgelder und einen nationalen Aktionsplan stark zu machen. Denn tatsächlich sind die Ursachen der Erkrankung immer noch unbekannt. Diskutiert werden verschiedene Theorien. Eine dieser Theorien geht von einer rückwärtsgerichteten Menstruation aus, bei der über die Eileiter Zellen in den Bauchraum gelangen und dort wachsen. Eine weitere geht davon aus, dass sich die Endometriose aus gelockerten Anteilen der untersten Gebärmutterschicht entwickelt.

Rund 130.000 Frauen haben Crones Petition unter #EndEndosilence bereits unterschrieben. „Ich unterstütze das Anliegen dieser Frauen zu 100 Prozent“, sagt Salehin. Gynäkologin Fehm sieht darin die Chance, so nicht nur Frauen ohne die Diagnose auf die Erkrankung aufmerksam zu machen, sondern auch in der Gesellschaft und bei Arbeitgebern Verständnis für die weitreichenden Folgen der Erkrankung zu wecken.

Manche Frauen sind durch die Erkrankung derart beeinträchtigt, dass sie jeden Monat zum Zeitpunkt der Regelblutung für einige Tage arbeitsunfähig sind. Damit verbunden ist manchmal die Sorge, seine berufliche Karriere zu riskieren. Kim Zimmermann berichtet davon und auch von der Angst, in der kritischen Zeit ihren Einkauf nicht zu schaffen. Auch der Besuch von Freunden oder Verabredungen fielen bei ihr oft flach. Allein das Wissen, jeden Monat aufs Neue durch die Schmerzhölle gehen zu müssen, kann eine schwere psychische Belastung darstellen.

Stellt sich die Frage: Wie kann den Betroffenen geholfen werden? Bei leichten Endometrioseformen kann man laut der Experten versuchen, mit einer hormonellen Therapie die Beschwerden unter Kontrolle zu bringen. Dabei werden entweder Gelbkörperhormone oder die Antibabypille als Langzeiteinnahme verordnet. Kommt man auf diese Weise nicht weiter, kann eine Operation helfen. Dabei versuchen die Ärzte möglichst viele der Endometrioseherde zu entfernen. Bei schweren Formen der Endometriose kann eine Operation oft die einzige Lösung sein.

Für wichtig hält Salehin die individuelle Beratung der Frauen, denn was einer Patientin hilft, nutzt einer anderen vielleicht wenig. Während beispielsweise ältere Frauen auch durch die Entfernung der Gebärmutter Linderung bekommen können, stellt eine solche Entscheidung bei jungen Frauen mit Kinderwunsch selbst bei schlimmer Ausprägung der Erkrankung meist keine Option dar. Wie unterschiedlich die Behandlung individuell ausfallen kann, zeigt auch ein anderes Beispiel: Sind die Eierstöcke schwer befallen, würde man älteren Frauen oder solchen ohne Kinderwunsch zur Operation der Eierstöcke raten. „Junge Frauen mit Kinderwunsch schicken wir mit demselben Problem zur Kinderwunschklinik weiter“, sagt Salehin.

https://rp-online.de/leben/gesundheit/medizin/endometriose-symptome-krankheitsbild-und-hilfe-warum-krankheit-so-oft-unerkannt-bleibt_aid-67455325