Magersucht (Anorexie) – Ursachen, Symptome und Hilfe
Was ist Magersucht (Anorexia nervosa)?
Der Begriff Anorexia nervosa stammt aus dem Griechischen und bedeutet wörtlich übersetzt „nervlich bedingtes fehlendes Verlangen“. Diese Bezeichnung ist jedoch irreführend, denn viele Betroffene verspüren durchaus Hunger – sowohl körperlich als auch seelisch. Die Schwierigkeit liegt darin, dass sie dieses Verlangen unterdrücken oder verleugnen.
Symptome und Anzeichen von Magersucht
Menschen mit Magersucht kämpfen nicht nur mit ihrem Gewicht, sondern auch mit tiefen Selbstzweifeln und gesellschaftlichen Idealen. Typische Merkmale der Erkrankung sind:
- Angst vor Gewichtszunahme: Diese Angst bleibt auch bei deutlichem Untergewicht bestehen.
- Gestörte Körperwahrnehmung: Betroffene sehen sich trotz Untergewicht als normal- oder übergewichtig.
- Sehr niedrige selbstgesetzte Gewichtsschwellen, die im Krankheitsverlauf oft weiter gesenkt werden
- Das Körpergewicht spielt eine zentrale Rolle für das Selbstwertgefühl der Betroffenen. Häufig denken sie: „Nur wenn ich dünn bin, bin ich etwas wert.“ Deshalb versuchen sie gezielt, Gewicht zu verlieren – meist bis in den stark untergewichtigen Bereich. Für Erwachsene gilt eine medizinische Grenze bei einem Body-Mass-Index (BMI) unter 17,5 kg/m² als kritischer Wert für eine Anorexie.
Die Krankheit zeigt sich in zwei Hauptformen:
- Restriktive Form: Bei der restriktiven Form der Magersucht erfolgt die Gewichtsabnahme ausschließlich durch Nahrungsbeschränkung.
- Bulimische Form: Bei der bulimischen Form greifen Betroffene zusätzlich zu Maßnahmen wie z.B. selbstinduziertem Erbrechen, Missbrauch von Abführmitteln oder exzessivem Sport, um Gewicht zu kontrollieren.
Wer ist von Magersucht betroffen?
In Deutschland leiden aktuell etwa 150.000 bis 200.000 Menschen an Magersucht. Davon sind rund 90 Prozent weiblich und 10 Prozent männlich. Die Erkrankung tritt häufig erstmals in der Pubertät oder im jungen Erwachsenenalter auf. Häufig beginnt die Krankheit mit Selbstzweifeln und Fragen wie: „Bin ich gut genug?“, die sich in Gedanken an das Aussehen übersetzen, z.B. „Bin ich schön genug?“
Im Internet und nicht nur dort, kursieren leider immer wieder gefährliche Mythen und „Regeln“ zur Magersucht, etwa: „Wenn du nicht dünn bist, bist du nicht attraktiv.“ oder “Erfolgreiche Menschen sind dünn”. Diese falsche Überzeugung führt dazu, dass erste Erfolge beim Abnehmen von Betroffenen und ihrem Umfeld als Bestätigung gesehen werden. Dies kann schnell den Weg in eine tiefe Essstörung ebnen.
Viele Betroffene empfinden Stolz auf ihre Fähigkeit, konsequent das Essen zu reduzieren und auf ihren extrem dünnen Körper, den sie oft mit ständiger Bewegungsunruhe und Kalorienverbrennung „in Form halten“. Die Magersucht bewirkt außerdem eine stark verzerrte Körperwahrnehmung, sodass Betroffene ihren Körper trotz Untergewicht als „zu dick“ empfinden. Das erklärt auch, warum selbst sehr magere Personen häufig noch über vermeintliche Problemzonen wie ihren „Bauch“ klagen.
Wie entwickelt sich die Magersucht?
Die Entwicklung der Magersucht ist komplex. Die folgenden Faktoren spielen jedoch häufig eine zentrale Rolle:
- Psychische Belastung: Perfektionismus und der Wunsch nach Kontrolle.
- Gesellschaftliche Einflüsse: Der Druck, schlank und attraktiv zu sein, wird als allgegenwärtig empfunden.
- Positive Bestätigung: Erste Diäterfolge und Lob aus dem Umfeld, geben das Gefühl der Kontrolle und können die Krankheit verstärken.
So individuell das Krankheitsbild der Magersucht auch ist, so gibt es auch Verhaltensweisen die oft zu sehen sind:
- Ständiges Beschäftigen mit Essen, Kalorien und Gewicht
- Führen von Kalorientabellen
- Horten von Nahrungsmitteln oder exzessives Studium von Kochbüchern
- Oft wird Essen als Geschenk angenommen, ohne es selbst zu konsumieren
Die körperlichen Folgen zeigen sich in einem Zustand der „Vita minima“ – das heißt, der Körper fährt seine Funktionen auf ein Minimum herunter. Typische Anzeichen sind:
- Niedrige Herzfrequenz (Bradykardie)
- Niedriger Blutdruck
- Verminderter Grundumsatz / langsamer Stoffwechsel
Diese Veränderungen sind ein Teil der körperlichen Anpassung an den chronischen Mangelzustand. Menschen mit Magersucht suchen oft nur auf Druck von Angehörigen oder ärztliche Hilfe, da sie zu Beginn meist keine Krankheitseinsicht und/oder Leidensdruck haben. Der Wendepunkt tritt oft erst ein, wenn sich der körperliche Zustand massiv verschlechtert oder wenn Betroffene zu zusätzlichen gegenregulatorischen Verhaltensweisen wie z.B. Erbrechen, oder Missbrauch von Abführmitteln greifen. Häufig geschieht dies, wenn sich aufgrund der Mangelernährung Heißhungerattacken entwickeln. Diese werden oft als extrem belastend und als massiver Kontrollverlust empfunden und brechen auch den Stolz auf das strikte Fasten.
Folgen der Magersucht
Magersucht betrifft jedoch nicht nur das Gewicht, sondern hat weitreichende Auswirkungen auf Körper und Seele:
Körperliche Folgen:
- Hormonstörungen (z. B. Ausbleiben der Menstruation, Potenzverlust bei Männern).
- Wachstumsstörungen bei Jugendlichen.
- Symptome wie Haarausfall, trockene Haut, Erschöpfung, Schwindel und Frieren.
Soziale Folgen:
- Rückzug aus dem sozialen Leben.
- Verlust von Freude an Hobbys und Interessen.
Behandlung und Hilfe bei Magersucht
Magersucht ist eine ernste Krankheit, doch mit der richtigen Unterstützung ist Heilung möglich. Eine Kombination aus psychologischer Betreuung, Ernährungsberatung und medizinischer Behandlung bietet Betroffenen die besten Chancen.
Wichtiger Hinweis: Suchen Sie frühzeitig Hilfe, wenn Sie oder jemand in Ihrem Umfeld betroffen ist. Beratungsstellen, Psychologen und Ärzte stehen zur Verfügung, um den Weg in ein gesundes Leben zu erleichtern.
Gemeinsam stark: Die Stärken der Betroffenen
Menschen mit Magersucht sind oft hochsensibel, kreativ und besitzen eine beeindruckende Willenskraft. Diese Stärken können im Heilungsprozess genutzt werden, um neue Wege zu finden und das Leben wieder zu genießen.
Sie sind nicht allein – Hilfe ist immer möglich.
Video zum Thema Magersucht/ Anorexie
Dignosekriterien von Magersucht
In Deutschland wird als Diagnosesystem für alle Erkrankungen die Internationale Klassifikation von Erkrankungen (ICD), aktuell in der 10. Fassung, verwendet. Diese wird von der World Health Organisation (WHO) herausgegeben. Im Folgenden finden Sie die nach ICD-10 gültigen Diagnosekriterien für verschiedene Formen von Magersucht: