06.03.2021 | Neurologisches Rehabilitationszentrum Godeshöhe

Europäischer Tag der Logopädie

Wir behandeln unterschiedliche Sprach-, Sprech- und Schluckstörungen, die durch Schädigungen des zentralen oder peripheren Nervensystems verursacht sind.

Mit steigender Zahl an Erkrankten wird die Folgebehandlung von COVID-19 Patienten immer bedeutender, gerade in der neurologischen Rehabilitation stehen wir daher vor neuen Herausforderungen. Nach einer überstandenen Covid-19-Erkrankung leiden Betroffene oftmals an Folgeschäden, die ihre Leistungsfähigkeit und Lebensqualität stark beeinträchtigen. In der Sprachtherapie sehen wir, dass einige Patienten auch nach überstandener COVID-19 Infektion noch unter Sprech- und Schluckstörungen leiden. Alleine in Folge der Inaktivität bei Langzeitbeatmung entstehen durch den Abbau von Muskulatur und Sensibilität im Mund- und Rachenbereich teilweise schwere Schluckstörungen, die intensiv behandelt werden müssen. Eine Langzeitintubation und –beatmung kann jedoch nicht nur bei COVID-19 Infektionen zu einer sekundären Dysphagie (Schluckstörung) führen.

Welche Patienten behandeln Sie außer Covid-19 noch in der sprachtherapeutischen Abteilung ihrer Klinik?

Wir behandeln unterschiedliche Sprach-, Sprech- und Schluckstörungen, die durch Schädigungen des zentralen oder peripheren Nervensystems verursacht sind. Zu den häufigsten zugrundeliegenden Störungsbildern zählen Schlaganfälle, Schädel-Hirn-Traumata und degenerative Erkrankungen wie z.B. Morbus Parkinson.

Da das Gehirn in der Lage ist, sich zu reorganisieren, können beeinträchtigte Fähigkeiten durch gezielte therapeutische Übungen teilweise oder ganz wiederhergestellt oder kompensatorische Fähigkeiten erarbeitet werden.

Bei einer Sprachstörung (Aphasie) ist das System der Sprache beschädigt. D.h. Menschen, die Schlaganfälle oder Schädelhirnverletzungen erlitten haben, können sich oft nur eingeschränkt oder gar nicht mündlich und/ oder schriftlich verständigen und/ oder sie können den Äußerungen anderer nicht mehr ausreichend folgen, weil ihr Sprachverständnis eingeschränkt ist.

Bei einer Sprechstörung (Dysarthrie) sind die Artikulation, die Stimme, und/oder die Atmung betroffen. Dysarthrien treten z.B. bei Schlaganfällen, aber auch vielen chronisch progredienten Erkrankungen, z.B. Multipler Sklerose und idiopathischem Parkinsonsyndrom auf.

Bei Lähmungen im Gesichtsbereich (sog. Fazialisparesen) ist i.d.R. die Muskulatur einer Gesichtshälfte beeinträchtigt. Beispielsweise kann der Lidschluss unvollständig sein oder der Mundwinkel herabhängen.

Bei einer Schluckstörung (Dysphagie) können bestimmte Nahrungskonsistenzen oder bei schwereren Ausprägungen der Speichel nicht mehr sicher geschluckt werden. Die Behandlung von Dysphagien ist ein Schwerpunkt unserer sprachtherapeutischen Arbeit. Im Bereich Intensivmedizin und Frührehabilitation steht i.d.R. das Abtrainieren der Trachealkanüle im Vordergrund. Im weiteren Therapieverlauf in der Rehabilitation liegt der Fokus auf der für die soziale Teilhabe und Lebensqualität wichtigen Nahrungsaufnahme, dem Kostaufbau.

Therapiebegleitend werden immer wieder auch diagnostische Verfahren durchgeführt und die Therapie- und Kostmaßnahmen entsprechend angepasst. Zusätzlich zu der vom gesamten sprachtherapeutischen Team regelmäßig durchgeführten klinischen Schluckdiagnostik gibt es mehrere sprachtherapeutische Mitarbeiterinnen, die die wesentliche apparative Basisdiagnostik FEES (Fiberendoskopische Evaluation des Schluckens) hier im Haus durchführen. Darüber hinaus bilden wir externe Fachkollegen sowohl theoretische als auch praktisch in der Durchführung und Auswertung der FEES aus.

Welche Arten der Therapie gibt es?

Zunächst findet eine differenzierte therapiebegleitende Diagnostik in Einzelsitzungen statt. Im Verlauf des Aufenthaltes bieten wir ergänzend zu den Einzeltherapien, in denen die individuelle Förderung einzelner sprachtherapeutischer Aspekte im Vordergrund steht, ein großes Angebot an Gruppentherapien für alle Störungsbilder an, da gerade Kommunikation in der Gruppe am natürlichsten funktioniert.

Studien haben gezeigt, dass Patienten in Einzel- und Gruppentherapien unterschiedliches Kommunikationsverhalten zeigen. In den Gruppentherapien werden i.d.R. mehr Kommunikationsversuche unternommen und verschiedene Kommunikationswege beschritten. Es konnte zudem nachgewiesen werden, dass die Sprachtherapie in einer Gruppe und somit einer natürlichen sozialen Umgebung die der „peer communication“ und damit dem Teilen von Erfahrungen sowie der praktischen Anwendung der in der Einzeltherapie geübten kommunikativen Strategien, d.h. einem Alltagstransfer dient.

Das ergänzende Nebeneinander von Einzel- und Gruppentherapie bietet die optimale Förderung der Patienten.

Welche Gruppentherapieangebote gibt es im Neurologischen Rehabilitationszentrum Godeshöhe e.V.?

Um unsere Patienten in jeder Phase ihrer Entwicklung unterstützen zu können, haben wir unterschiedliche Aphasiegruppen mit verschiedenen Schwerpunkten/ Schweregraden, zudem als Diskussions- und Kommunikationsgruppen zur Testung und Förderung der sprachlichen Flexibilität und Leistungsfähigkeit im Berufsleben. Des Weiteren bieten wir Sprachgruppen für Patienten mit Sprechapraxien sowie für Patienten mit Demenzen (kognitiven Dysphasien) an.

In der Aphasiegruppe für Patienten mit schwerster (globaler) Aphasie stehen die Förderung des Sprachverständnisses und die Anbahnung von Kommunikation im Mittelpunkt. Es werden Übungen auf Wortebene durchgeführt und ein basales Kommunikationsverhalten reaktiviert. Auch Kompensationstechniken wie der Einsatz von Gestik, Mimik, oder Schriftsprache werden im Austausch miteinander geübt.

Die Aphasiegruppe für Patienten mit mittelschwerer Aphasie legt den Schwerpunkt auf die Verbesserung des Sprachverständnisses für komplexere Inhalte und die Verbesserung des Kommunikationsverhaltens. Es werden Übungen auf Satzebene durchgeführt und gezielt sprachliche Fähigkeiten vertieft.

Patienten mit leichten Aphasien arbeiten verstärkt an der Sprachproduktion. Es werden Übungen zur gezielten Wortfindung auch auf Textebene durchgeführt und sprachliche Feinheiten geübt.

In der Diskussionsgruppe wird ausschließlich auf Textebene gearbeitet. Es werden Texte gelesen, nacherzählt und der Inhalt diskutiert. So sollen die Patienten einen Austausch über differenzierte Themen wiedererlernen.

Auch nach intensiver Sprachtherapie fällt die Reintegration in den Alltag oder ins Berufsleben häufig zunächst schwer. Daher bieten wir eine Kommunikationsgruppe an, in der der Fokus auf der sprachlichen Flexibilität und Belastbarkeit liegt. Hier werden alltagspraktisch Situationen geübt, die auch Patienten mit nur noch geringen kommunikativen Einschränkungen fordern und fördern sollen. Ziel ist es, ihnen den Wiedereinstieg in den Beruf oder den Alltag ohne kommunikative Einschränkungen zu erleichtern.

Der Patientenchor bietet eine Schnittstelle zwischen Patienten mit stimmlichen, sprechmotorischen und sprachsystematischen Schwierigkeiten. Hier wird Sprache und Kommunikation auf eine andere Weise wahrgenommen und produziert. Durch den Gesang erleben auch schwerbetroffene Patienten mit Aphasie einen unbeschwerten Zugang zur Sprachproduktion. Ebenso profitieren insbesondere Parkinsonpatienten bzgl. Ihrer stimmlichen, artikulatorischen und prosodischen Fähigkeiten. Bekannte und neue Lieder werden zusammen geübt und ermöglichen eine gemeinsame positive Erfahrung, die auch für die gezielte Arbeit an den persönlichen Schwierigkeiten in der Einzeltherapie Kraft und Motivation mit sich bringt.

Besonders schön ist unser Aphasiecafé freitags nachmittags mit Kaffee und Kuchen, bei dem unsere Patienten in ungestörter Atmosphäre mit wenig Hilfe der Therapeutin über ihre Woche und ihre Erlebnisse plaudern können. So erleben sie, dass eine nette Unterhaltung auch bei eingeschränkter Sprachfähigkeit möglich ist und es niemanden stört, wenn man mal ein falsches Wort benutzt, oder nach dem richtigen Wort erst suchen muss. Dies fördert das Selbstbewusstsein der Patienten und die Entwicklung einer neuen eigenen Identität.

In der Gruppe für Patienten mit Demenzen (kognitiven Dysphasien) liegt der Schwerpunkt in Anlehnung an das Therapieprogramm NeuroVitalis auf der Therapie der Exekutivfunktionen. Es werden Übungen zur sprachlichen (und nichtsprachlichen) Förderung der Aufmerksamkeit, der geteilten Aufmerksamkeit, des Arbeitsgedächtnisses, zum Planen und Problemlösen durchgeführt. Damit bieten wir diesen Patienten die Möglichkeit einer geführten, strukturierten Kommunikation und damit einen Weg aus der Isolation, die dementielle Erkrankungen oft mit sich bringen.

In der Sprechapraxiegruppe steht der kommunikative Austausch der betroffenen Patienten unter Anwendung der in der Einzeltherapie angebahnten Lautverbindungen auf dem individuell möglichen Niveau der Sprachproduktion im Vordergrund.

Neben den Sprachgruppen bieten wir Sprechgruppen, Parkinsongruppen, Dysphagiegruppen und Fazialisgruppen an.

In der Dysarthriegruppe werden zunächst einzelne Parameter des Sprechens (z.B. Artikulation, Sprechtempo, Sprachmelodie) beübt. Anschließend wird versucht das Geübte in der Kommunikationssituation, d.h. im direkten Austausch der Patienten weitestgehend ohne therapeutische Intervention umzusetzen. Dies trainiert zusätzlich die Selbstkontrolle und -korrektur des eigenen Sprechens.

Welche Fälle behandeln Sie in Ihrer Einrichtung?

Wir behandeln im NRZ Godeshöhe alle neurologischen Erkrankungen. Hierbei haben wir Patienten aus allen Phasen bei uns. D.h. wir therapieren sowohl schwerbetroffene Patienten, die noch beatmet werden müssen, als auch Patienten, die kurz vor der beruflichen Wiedereingliederung stehen.

Die interdisziplinäre Betreuung der Patienten spielt in der kognitiven und motorischen neurologischen Rehabilitation eine wichtige Rolle.

Auch unser Pflegeteam ist durch seine lange Erfahrung im Umgang mit aphasischen, dysarthrischen, apraktischen und dysphagischen Patienten geschult und fördert individuell die Selbstständigkeit und Teilhabe der Patienten. Durch die wöchentliche Teamvisite, in der ergänzend zur medizinischen Visite die Therapiefortschritte und Ziele besprochen werden, finden ein reger Austausch und eine optimale Zusammenarbeit zwischen den Bereichen statt. Um unsere Patienten kümmert sich während des gesamten Aufenthaltes ein kompetentes, engagiertes Team aus unterschiedlichsten Berufsgruppen:

  • Ärzte
  • Sprachtherapeuten
  • Neuropsychologen und Neuropädagogen
  • Ergotherapeuten
  • Physiotherapeuten
  • Sporttherapeuten
  • Sozialdienst und Pflege
  • Casemanagern

 

Welche sind die häufigsten Sprachprobleme, mit denen Sie zu tun haben/ Gibt es Schwerpunkte in ihrer Klinik?

Wir haben einen hohen Anteil an Patienten mit neurologischen Schluckstörungen unterschiedlichster Schweregrade. Durch die große Erfahrung und die regelmäßigen internen und externen Fort- und Weiterbildungen verfügt unsere Abteilung über eine hohe Expertise in diesem Bereich. Unsere Aufgabe ist es unter regelmäßiger klinischer und apparativer (FEES, RehaIngest) Diagnostik die Trachealkanüle abzutrainieren, indem wir den Patienten befähigen wieder regelmäßig und effektiv seinen Speichel zu schlucken. Anschließend beginnen wir mit dem Kostaufbau, um die Magensonde abzutrainieren.

Bei Sprachstörungen sind die Aphasien am häufigsten vertreten. Diese reichen von gelegentlichen Wortfindungsstörungen bis hin zu völliger Sprachlosigkeit.

Durch unser Zentrum für Bewegungsstörungen haben wir viele Parkinsonpatienten mit und ohne Tiefe Hirnstimulation im Haus. Aufgrund dessen verfügen wir über einen großen Erfahrungsschatz in der Therapie dieser Erkrankung und können den Patienten ein umfangreiches Therapieangebot bieten.

Welche Veränderungen erleben Sie während der Therapien bei den Patienten? Und wie gehen diese mit möglichen Rückschlägen um? 

Wir sehen täglich, wie wichtig kleine Fortschritte für unsere Patienten sind, die gesunde Menschen vielleicht kaum wahrnehmen. Es ist daher wichtig dem Patienten zu vermitteln, dass eine Therapie vor allem Zeit braucht. Das ist für viele schwierig, da man mit sich selber immer am wenigsten Geduld hat. Therapeutische Arbeit hat daher auch viel mit Aufbauen und Trösten von Patienten zu tun. Manchmal fällt es Patienten schwer die Motivation nicht zu verlieren. Dann gibt es aber auch Tage, an denen einfache Dinge, wie die lange geübte Begrüßung zu Therapiebeginn ganz plötzlich problemlos funktionieren. Diese Momente zu nutzen, um den nächsten Schritt zu gehen ist eine tägliche Herausforderung für Patienten und Therapeuten. Dazu beizutragen, dass Patienten, die zu Beginn der Therapie keine Möglichkeit haben sich auszudrücken, sich ihrer Umgebung nach einiger Arbeit wieder mitteilen und am gesellschaftlichen Leben teilhaben können, ist sehr schön. Ebenso sind natürlich z.B. die ersten Sprechversuche beim Entblocken der Trachealkanüle oder Fortschritte beim Kostaufbau für Patienten und Therapeuten eine große Freude.