Die rettende Stimme in der Not

Sicherheit auf Knopfdruck - das verspricht der Johanniter-Hausnotruf. Dabei ist diese Dienstleistung viel mehr als eine technische Lösung im Notfall: In unserer Notrufzentrale in Hamburg sitzen ausgebildete Expertinnen und Experten, die die eingehenden Notrufe der Teilnehmenden entgegennehmen und für schnelle Rettung sorgen. So wie Karina Kölzer. Im Interview berichtet die 26-jährige Rettungssanitäterin von ihrem verantwortungsvollen Beruf.

Seit wann arbeiten Sie in unserer Hausnotrufzentrale und was ist dort Ihre Aufgabe?

Karina Kölzer: "Ich bin seit etwas über einem Jahr in der Hausnotrufzentrale in Hamburg tätig. Am 1. März 2018 habe ich angefangen. Meine Aufgabe als Disponentin ist es, die eingehenden Notrufe anzunehmen und schematisch abzuarbeiten. Dabei habe ich immer die individuellen Notfälle der Notrufteilnehmer im Blick, denn jeder Anruf ist anders. Wie alle Kolleginnen und Kollegen am Telefon in der Hausnotrufzentrale muss ich die jeweilige Lage einschätzen und dann zügig die richtigen Hilfsmaßnahmen einleiten: Ich alarmiere im Notfall den Rettungsdienst, beispielsweise bei Verdacht auf einen Herzinfarkt, schicke unseren Einsatzdienst zu unserem Kunden hin, wenn dieser gestürzt ist und nicht selbstständig wieder aufstehen kann oder informiere bei Bedarf eine hinterlegte Kontaktperson, damit diese nach dem Rechten schaut. Bei technischen Problemen mit dem Gerät versuche ich eine Lösung mit dem Kunden zusammen am Telefon zu finden. Ist dies nicht möglich, gebe ich diese an unsere Kollegen vom technischen Service weiter. Die sorgen dann für die schnelle Reparatur oder ein Ersatzgerät. Im Extremfall leite ich auch eine Reanimation am Telefon an und instruiere die Angehörigen, was sie tun müssen, bis der Rettungsdienst eintrifft. Wichtig ist, dass ich für jeden Hausnotrufteilnehmer die bestmögliche Lösung finde."

Kommt es vor, dass Hausnotrufteilnehmer den Notrufknopf drücken, weil sie sich einsam fühlen?

Kölzer: "Darüber gibt es keine Statistik, aber aus meiner Erfahrung kommt das schon vor. Manche testen den Knopf einfach und wollen wissen, ob tatsächlich jemand antwortet. Wenn sie dann unsere Stimme hören, sind sie beruhigt. Manche Menschen lösen den Notruf an ihrem Geburtstag aus, 'aus Versehen', wie sie sagen. Wir gratulieren dann ganz herzlich. Das sind oft Menschen, die keine Bezugsperson hinterlegt haben und sich sicher einsam fühlen. Auch Menschen, die frisch aus dem Krankenhaus kommen und zum Teil noch keinen Pflegedienst haben, der sich um sie kümmert, sind allein. Es ist schon erschreckend, wie viele Menschen keine Kontaktpersonen in der Nähe haben, maximal den ambulanten Pflegedienst als Ansprechpartner. "

Wie läuft so ein Gespräch dann ab?

Kölzer: "Da gibt es kein Schema F, jeder Fall ist anders. Ich hatte mal den Fall einer Frau, die ihren Mann kürzlich verloren hatte, nun musste sie alles alleine machen, was sie früher zu zweit gemacht hatten. Sie wusste einfach nicht, wohin mit sich. Ich versuche dann, Mut zuzusprechen, zu einem Spaziergang zu motivieren oder informiere die Nachbarn oder Angehörigen, wenn diese hinterlegt sind, dass sie sich um die Person kümmern."

Kommt es auch vor, dass Anrufende keine Hilfe annehmen wollen?

Kölzer: "Das kommt tatsächlich vor, dass manche unserer älteren Teilnehmenden abwiegeln, wenn ich sage, dass ich den Rettungsdienst verständigen werde. Sie sagen dann, das sei doch nicht nötig, weil sie nicht ins Krankenhaus wollen oder weil sie nicht möchten, dass so ein Aufwand um ihre Person betrieben wird. Da muss ich mich auf meine Erfahrung und die Fakten verlassen, ob es reicht, den ambulanten Pflegedienst oder den Hausarzt zu verständigen. Die Kollegen im Rettungsdienst erfahren bei der Anfahrt bereits über die Leitstelle, dass es sich um einen Hausnotrufeinsatz handelt. Sie sind dann schon entsprechend vorbereitet und wirken auch beruhigend auf die Person ein, der sie helfen wollen. Die Zusammenarbeit klappt da sehr gut."

Was sind für Sie die größten Herausforderungen, wenn Sie einen Notruf entgegen nehmen?

Kölzer: "Wenn ich einen Notruf annehme, weiß ich nie, was mich erwartet. Im Vergleich zu meiner Arbeit im Rettungsdienst ist die größte Herausforderung, dass ich die Lage vor Ort nicht selbst sehen und erfassen kann. In der Notrufzentrale habe ich nur meine Stimme und mein Ohr, um die Situation vor Ort einzuschätzen. Ich muss mich auf die Schilderung des Anrufenden verlassen und mir daraus mein Bild machen und dazu alles Nötige erfragen. Auf dem Bildschirm sehe ich die Daten des Anrufenden: Alter, Vorerkrankungen, Medikation und die Rufhistorie. Das ist wichtig für Einschätzung der Lage. Gab es schon ähnliche Vorfälle? Welche Lösung war da die richtige? Das hilft natürlich. Ich versuche als erstes, Ruhe reinzubringen. Manchmal sprechen viele Personen gleichzeitig in das Gerät, etwa wenn ein Familienmitglied bei der Familienfeier zusammenbricht. Die meisten Menschen wissen ja morgens nicht, dass sie mittags mit uns zu tun haben, weil Opa oder Oma plötzlich einen Herzinfarkt hat. Alle sind aufgeregt. Ich muss dann aus allen vorliegenden Informationen die wichtigen rausfiltern - schnell und  sicher. Ist jemand hingefallen oder ist er umgefallen? Es kommt auf Details an, die den dringenden Notfall vom normalen Einsatz unterscheiden. Natürlich ist für die Person, die den Alarmknopf drückt, individuell jeder Fall ein Notfall, sonst hätte sie ja nicht gedrückt. Trotzdem muss ich den Fall richtig einordnen und für die angemessene Hilfe sorgen. Das ist eine große Verantwortung. Alle eingehenden Anrufe werden aufgezeichnet, mein Name steht im Protokoll und ich muss alle meine Entscheidungen begründen können. Bei diffusen Krankheitsbildern ist das nicht immer leicht, aber wir werden sehr gut eingearbeitet und tauschen uns auch mit den erfahreneren Kollegen im Team regelmäßig aus. Zudem bekommen wir regelmäßig Schulungen, die auch aktuell wieder weiter ausgebaut und aktualisiert werden. Es ist auf jeden Fall ein sehr spannender Beruf und jeder Tag ist anders!"

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