Myanmar: Kein Widerstand gegen Corona

Berlin / Rangun, 26. August 2021

Seit Juli zieht eine dritte Coronawelle durch Myanmar – weitgehend unbemerkt von der Weltöffentlichkeit. Die Pandemie hat in dem südostasiatischen Land ein leichtes Spiel. Nach dem Militärputsch Anfang Februar herrschen bürgerkriegsähnliche Zustände, das Gesundheitssystem ist kollabiert. Auch das Johanniter-Team und die Partnerorganisationen sind betroffen.

Beim weltweiten Impffortschritt gegen das Coronavirus gehört Myanmar zu den Schlusslichtern. Erst acht Prozent der 54 Millionen Einwohner haben eine Erstimpfung erhalten, nur drei Prozent sind durchgeimpft. Mit fatalen Folgen: Im August starben täglich Hunderte in Myanmar an den Folgen von COVID-19, aber vermutet werden vielfach höhere Zahlen. „Allein in Rangun lagen die Zahlen zeitweise zwischen 1500 und 2000 pro Tag“, berichtet die Mitarbeiterin von einer Partnerorganisation der Johanniter. Seit Juli sei sie bemüht, infizierte Verwandte zu versorgen und weitere Angehörige vor einer Ansteckung zu schützen. Besonders ihre an Diabetes erkrankte Schwester sei gefährdet, die sie seit Wochen isoliert.

Kollabiertes Gesundheitssystem

Allzu oft bedeutet eine Ansteckung den Tod, denn Zugang zu Sauerstoff gibt es nur noch sehr begrenzt. Die Armee monopolisierte Sauerstoff-Stationen und verbot kurzerhand den Verkauf. Entsprechend stiegen die Preise auf dem Schwarzmarkt und für viele Betroffene sind rettende Sauerstoffzylinder unerschwinglich geworden. Staatliche Krankenhäuser bieten kaum Hoffnung, da es an Medikamenten und Material mangelt. Nach der Machtübernahme der Militärs organisierten zahlreiche Gesundheitseinrichtungen Proteste und Streiks, viele Mitarbeitende erlebten anschließend Repressalien. Der politische Konflikt lähmt dadurch seit Monaten die Gesundheitsversorgung. „Um in ein privates Krankenhaus zu gelangen, muss man umgerechnet 5600 Euro Kaution hinterlegen. Aber selbst das garantiert noch keine Beatmung mit Sauerstoff“, so die Mitarbeiterin, die anonym bleiben möchte.

Coronafälle und Tote in nahezu jeder Familie

„Fast alle haben Coronafälle und Tote in der Familie zu beklagen“, sagt Lothar Kinzelmann, Büroleiter der Johanniter-Auslandshilfe. Er musste nach dem Putsch das Land verlassen und bemüht sich von Deutschland aus, das sechsköpfige Johanniter-Team so gut wie möglich zu betreuen. „Mitte August ist ein weiterer Mitarbeiter erkrankt, drei sind auf dem Weg der Genesung“, so sein Fazit. Eine Besserung der Lage sieht er nicht. Die Zahl ermordeter Zivilisten stieg bereits auf über 1000 und die Auseinandersetzungen zwischen Armee und Widerstandskämpfern verschärfen sich. Aufgrund der Lage forderte Tom Andrews, UN-Sonderberichterstatter für Myanmar, eine Resolution für einen "COVID-Waffenstillstand", um der Coronalage inmitten des Konflikts Herr zu werden. Andernfalls befürchte er, dass Myanmar ein Superspreader-Staat werden könnte.

Projektaktivitäten laufen weiter

Immerhin: Die Projektaktivitäten laufen trotz des eingeschränkten Zugangs von Mitarbeitenden in den Dörfern dank Selbsthilfeorganisationen und ausgebildeten Dorfvermittlern weiter. Im Chin-State errichtete ein Partner eine Test-, Quarantäne- und Referenz-Infrastruktur, um die Behandlung von Erkrankten zu verbessern. Menschen mit HIV-Infektionen und deren Familien, die es in der aktuellen Krise besonders schwer haben, wurden zusätzlich mit Nahrungsmitteln unterstützt. Und auch die Mitarbeiterin zieht aus ihren persönlichen Erfahrungen Positives: „Vor Corona führte ich psychosoziale Trainings durch. Aus meiner eigenen Stresssituation konnte ich viel lernen, was ich einfließen lassen werde.“

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