Mentale Gesundheit im Irak: Den inneren Frieden finden

Berlin / Alqosh, 09. Oktober 2021

Am 10. Oktober ist der Internationale Tag für mentale Gesundheit.

Zwischen 2013 und 2017 mussten fast sechs Millionen Menschen im Irak fliehen, nachdem der Islamische Staat (IS) große Teile des Landes kontrollierte und mit Terror überzog. Danach kehrten traumatisierte Menschen in ihre Häuser zurück oder harrten weiter unter dem Eindruck der Geschehnisse als Geflüchtete in Lagern und Gemeinden aus. Das Ziel unserer Partnerorganisation Jiyan Foundation ist es, die seelischen Verletzungen zu heilen.

Das Leben der heute 23-jährigen Oum Ayas (Name auf Wunsch geändert) ist eine Anreihung traumatischer Erlebnisse und schier ausweglosen Situationen. Bereits mit 10 Jahren wurde sie verheiratet. Sie erinnert sich, dass sie damals nur Angst empfunden habe. Aus ihrer Familie erfuhr sie nur Ablehnung und Gewalt durch ihre Brüder. Nachdem ihre Mutter sie im Alter von 12 Jahren des Fremdgehens bezichtigte, unternahm sie einen Suizidversuch. Es sollte nicht der erste bleiben.

2014 kam der IS in ihr Dorf Sinjar, dass mehrheitlich von Jesiden, einer ethnisch-religiösen Minderheit im Nordirak, bewohnt war. Der IS brachte damals rund 3100 Jesiden um und kidnappte 6800. Unter den Entführten waren zwei Schwestern von Oum Ayas, die sich selbst in den Bergen verstecken konnte. 2015 wurde sie in einem Flüchtlingscamp schwanger und versuchte abermals sich das Leben zu nehmen, nachdem ihr Mann sie schlug.

Kognitive Verhaltenstherapie für Stressabbau und positivere Lebenseinstellung

Drei Frauen an der Rezeption des Zentrums.
Betroffene finden im Jiyan-Zentrum in Alqosh Unterstützung.

Das Leiden sollte noch bis 2019 andauern, bis sie schließlich Hilfe im Jiyan-Zentrum in Alqosh erhielt. Nach einem Screening des medizinischen und psychologischen Zustands begann das Psychotherapieteam von Jiyan ihren Behandlungsprozess. Kognitive Verhaltenstherapie, bestehend aus psychologischen Sitzungen und Behandlungen sowie einer Sensibilisierung für die psychische Gesundheit, halfen der jungen Frau. In Gesprächen konnte sie so Stress abbauen und negative Gedanken wurden durch positive Gedanken Schritt für Schritt ersetzt.

„Psychische Erkrankungen sind weiterhin eine der Hauptursachen für Krankheiten unter Irakern“, erläutert Sevin Ibrahim, die die Programme der Johanniter im Land koordiniert.

Allerdings hat das Gesundheitssystem in den vergangenen 15 Jahren viele Ärzte und Therapeuten verloren. Dadurch blieben viele Menschen mit bereits bestehenden Erkrankungen über die Jahre der Instabilität unbehandelt.
Sevin Ibrahim, Programmkoordinatorin der Johanniter im Irak
Holztafel im Alqosh-Zentrum: Frieden für die Seele und für ein Land, in dem weiter ethnisch-religiöse Spannungen existieren.

Deshalb unterstützen die Johanniter Jiyan nun beim Aufbau eines weiteren Zentrums in Bagdad. Dort werden zukünftig Menschen nicht nur behandelt, sondern auch Gesundheitspersonal zum Thema mentale Gesundheit trainiert und insgesamt darüber aufgeklärt. Wie wichtig das ist, zeigt der Fall von Oum Ayas. Nach mehr als 25 Psychotherapiesitzungen hat sich ihr psychischer Zustand deutlich verbessert. Heute glaubt sie an sich selbst und ist in der Lage ist, sich den Herausforderungen und Schwierigkeiten des Lebens, das noch vor ihr liegt, zu stellen.

Das Projekt wird finanziell vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) unterstützt.

Lomuju sitzt auf einem Stuhl und schaut auf den langen Weg vor sich.

Flucht: Wenn seelische Wunden kaum verheilen

Erlebte Gewalt und die anschließende Flucht hinterlassen bei vielen Betroffenen tiefe Spuren, die noch viele Jahre danach Folgen haben können. Deshalb setzen wir uns auch in Uganda für mentale Gesundheit ein und leisten psychologische Unterstützung.

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