Geschichte der Genossenschaft
Adolph von Rochow aus Stülpe war einer von vierzehn Persönlichkeiten aus dem Kreis der Träger des Kgl. Preuß. St. Johanniterordens, die am 17. Mai 1853 durch den Herrenmeister der wiederhergestellten „Balley Brandenburg des Ritterlichen Ordens S. Johannis vom Spital zu Jerusalem“ den Ritterschlag erhielten und zum Rechtsritter ernannt wurden. Am 23. Juni 1853 berief ihn der Herrenmeister Prinz Carl von Preußen zum Kommendator des Provinzial-Convents in der Provinz Brandenburg. Im selben Jahr entstand auf der Grundlage der am 08. August 1853 von König Friedrich Wilhelm IV. in seiner Eigenschaft als Protektor des Johanniterordens genehmigten Ordensstatuten der von ihm ins Leben gerufene „Verein der Johanniter-Ordensritter der Provinz Brandenburg“, später als „Provinzial-Brandenburgische Genossenschaft des Johanniterordens“ bezeichnet. Am 01. November 1854 wurde durch „allerhöchste Kabinettsorder“ die Genossenschaft mit Corporationsrechten ausgestattet.
Bereits in der ersten Versammlung der Brandenburger Johanniter stiftete die Genossenschaft „Freibetten“ im Krankenhaus Bethanien in Berlin und fand damit zum ursprünglichen Auftrag der Johanniter zurück, den Kranken zu helfen.. Am Johannistag 1854 wurde in Jüterbog der Grundstein zum ersten Johanniterkrankenhaus gelegt. 1855 fand die Einweihung statt. Weitere Krankenhäuser folgten: 1856 Neuruppin, 1861 Stendal/Altmark, 1867 Pritzwalk und später Züllichau und Arnswalde/Neumark
In den Kriegen von 1864, 1866 und 1870/71 setzten sich die Johanniter für die Betreuung verwundeter Soldaten ein. Hierzu richtete der Orden eigene Feldlazarette ein und öffnete in der Heimat seine Krankenhäuser für die Aufnahme von Verwundeten. In großem Umfang wurden Geld, Medikamente und Verbandmaterial gesammelt. Waren es 1864 erst 20 Ritter, die sich zum Ordensdienst an die Front meldeten, stieg die Zahl schon 1866 auf 235 Ritter. 1870/71 leisteten bereits 190 Ritter im Feld und 130 in der Heimat als Delegierte Dienst. Noch umfangreicher engagierte sich der Johanniterorden im Ersten Weltkrieg, als er zeitweilig drei Lazarettzüge (einer durch die Brandenburger und Provinzial-Sächsischen Johanniter bis 1918 betrieben) sowie zahlreiche große und kleinere Lazarette in Frontnähe und in der Heimat unterhielt. In Berlin organisierten die Johanniter mit über 150 freiwilligen Ordensangehörigen eine zentrale Auskunftsstelle für verwundete Soldaten in den Lazaretten von Groß-Berlin.
1885 gründeten die Brandenburger Johanniter sogenannte „Bezirksvereine“, um neben den Krankenhäusern auch einen ambulanten diakonischen Dienst für Kranke, Erholungsbedürftige, Arbeitsunfähige und Sieche aufzubauen. So entstanden in der Provinz Brandenburg bis zum Ausbruch des 1. Weltkriegs zwölf Bezirksvereine. Diese Vereine können als Vorläufer der nach dem 2. Weltkrieg gegründeten Johanniter-Hilfsgemeinschaften und Subkommenden angesehen werden.
Die Zeit nach dem Ende des 1. Weltkriegs brachte den Orden in große wirtschaftliche Not. Die Bezirksvereine mussten aufgelöst werden. Die Krankenhäuser der Brandenburgischen Provinzial-Genossenschaft in Züllichau, Arnswalde und Stendal waren nicht mehr zu halten. Stendal ging an die Provinzial-Sächsische Genossenschaft über, die beiden anderen wurden von den jeweiligen Kreisverwaltungen übernommen.
Die Zahl der Mitglieder des Johanniterordens vergrößerte sich trotz der schwierigen Zeiten ständig. Um 1925 war die Brandenburgische Provinzial-Genossenschaft mit mehr als 600 Mitgliedern die größte Genossenschaft der Balley.
Von den Veränderungen, die mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten einsetzte, war der Johanniterorden zunächst nicht betroffen, besaß er doch in der Person des greisen Reichspräsidenten Paul von Beneckendorff und von Hindenburg, Ehrenkommendator des Ordens, einen wirksamen Schutz. Die Ermordung der Ehrenritter von Schleicher und von Bredow im Zuge des so genannten Röhm-Putsches waren für viele Johanniter Anlass, den Weg zum Widerstand zu suchen. Herausragende Persönlichkeiten des Ordens nahmen an der Verschwörung vom 20. Juli 1944 teil. Viele von Ihnen bezahlten dieses mit ihrem Leben, unter ihnen auch die Rechtsritter Wilhelm Friedrich Graf zu Lynar aus Lübbenau und Generalfeldmarschall von Witzleben, beide Angehörige der Brandenburgischen Provinzial-Genossenschaft.
Nach dem Tode des Reichspräsidenten nahmen die Repressionen gegen den Orden in vielfacher Weise zu, ohne dass jedoch ein Verbot und seine Auflösung erfolgten. Ritterschläge in Sonnenburg, zuletzt 1931, fanden nicht mehr statt. Im Jahre 1935 wurde das Verleihen und Tragen der Ordensinsignien in der Öffentlichkeit verboten. 1938 untersagte der Rudolf Hess, Stellvertreter von Adolf Hitler, die gleichzeitige Mitgliedschaft im Johanniterorden und in einer NS-Gliederung. Lediglich 10 % der Brandenburgischen Johanniter entschieden sich gegen den Orden und beantragten ihre Entlassung. Ein Nachruf des Herrenmeisters Prinz Oskar von Preußen auf seinen 1941 gestorbenen Vater, Kaiser Wilhelm II., im Ordensblatt löste intensive Versuche der NS-Machthaber zur Auflösung des Ordens aus. Schließlich entschied man sich wegen der zahlreich an den Fronten eingesetzten Johanniter, die Entscheidung über das Verbot in die Zeit nach dem angestrebten „Endsieg“ zu verschieben.
1945 war die Lebensgrundlage der Brandenburgischen Provinzial-Genossenschaft weitgehend vernichtet. Viele Berliner hatten ihre Häuser und Wohnungen verloren, die Grundbesitzer der Mark wurden Opfer der Bodenreform, die Neumark fiel an Polen. Ein erstes Zusammentreffen Brandenburger Johanniter fand im Oktober 1945 in den erheblich beschädigten Johanniterheimen der Balley am Hindenburgdamm in Berlin-Lichterfelde statt. Diese Veranstaltung bildete den Neubeginn des Lebens der Genossenschaft. 1947 wurden wieder neue Ehrenritter aufgenommen. Nach dem Ende der Blockade Berlins konnte der erste Rittertag abgehalten werden.
Die Werke der Genossenschaft waren durch den Krieg erheblich betroffen. Das Johanniter-Krankenhaus in Königsberg/Neumark kam unter polnische Verwaltung, zu den anderen Häusern bestanden keine Verbindungen mehr. Lediglich das Haus in Jüterbog verblieb zunächst bei der Genossenschaft. Um es dem Zugriff der Kommunisten zu entziehen, wurde es im Jahre 1949 der Innere Mission der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg übereignet.
Durch die Entscheidung der Besatzungsmächte in den Westzonen war es dem Orden in den ersten Nachkriegsjahren untersagt, tätig zu werden. Im Zusammenwirken der Schweizer Johanniter, des Order of St. John und des Ratsvorsitzenden der EKD Bischof Wurm, der den Johanniterorden zur Evangelischen Kirche zugehörig erklärte, gelang es, den Fortbestand des Ordens und seine diakonische Arbeit zu sichern. Dieser Neuanfang war auf die westlichen Besatzungszonen sowie West-Berlin beschränkt. Die traditionelle Gliederung der Ordensstruktur in Genossenschaften blieb erhalten. Die früher in Mittel- und Ostdeutschland ansässigen Genossenschaften, deren Mitglieder über die ganze Bundesrepublik und West-Berlin verstreut waren, konnten ihre Selbständigkeit aufrechterhalten.
Herrenmeister und Ordenskapitel fassten 1947/48 einen weitsichtigen, für den Fortbestand des Johanniterordens entscheidenden Beschluss: Die über Jahrhunderte geltende Regelung, nur Herren aus adeligen Familien in die Ordensgemeinschaft aufzunehmen, wurde aufgegeben. Von nun an galt nicht mehr adelige Abstammung, sondern adelige Gesinnung als Voraussetzung für eine Mitgliedschaft im Orden. Damit öffnete sich der Orden für geeignete Persönlichkeiten auch aus nicht adeligen Familien.
Wesentliche neue Impulse für den Dienst als Johanniter ergaben sich aus der Gründung der Johanniter-Hilfsgemeinschaften (JHG) im Jahr 1951 und der Johanniter-Unfall-Hilfe (JUH) im Jahr 1952. Diese beiden Ordenswerke bestehen bis heute. Im Bereich der Brandenburgischen Provinzial-Genossenschaft entstand in West-Berlin 1955 die Johanniter-Hilfsgemeinschaft und 1958 der Landesverband der Johanniter-Unfall-Hilfe. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands wurden die Johanniter-Hilfsgemeinschaft Potsdam und ein das ganze Bundesland Brandenburg überziehendes Netz von JUH-Gliederungen gegründet.
In den 1950er Jahren fanden sich Johanniterritter in den größeren Städten der Bundesrepublik zu Gesprächskreisen zusammen. Daraus bildeten sich ab Beginn der 1960er Jahre die Subkommenden als kleinste örtliche Ordensgliederung. In West-Berlin wurde 1968 die erste Subkommende gegründet. Heute gibt es fünf Subkommenden in Berlin und Brandenburg, eine weitere (Brandenburg Ost) ist im Entstehen. In diesen Gesprächskreisen treffen sich Johanniter unterschiedlichster Genossenschaften zum geistigen und geistlichen Gedankenaustausch.
1969 kaufte die Genossenschaft ein Grundstück in unmittelbarer Nachbarschaft der neu errichteten Johanniter-Heime der Balley in der Finckensteinallee in Berlin-Lichterfelde, um dort ein Wohnheim zu bauen. Das Haus erhielt den Namen „Haus Jüterbog.“ Eine weitere Wohnanlage wurde 1984 an der Buschkrugallee im Bezirk Neukölln bezugsfertig. Mit diesem Bauvorhaben wurde die Absicht verfolgt, das Zusammenleben von behinderten und nichtbehinderten Menschen zu fördern.
Mit der Wiedervereinigung konnte die Genossenschaft ihr altes Krankenhaus Jüterbog übernehmen. Daneben gelang es, in Treuenbrietzen ein Fachkrankenhaus für Rheumatologie, Pulmologie und Psychiatrie aufzubauen. Bedingt durch veränderte Krankenhausplanungen des Landes Brandenburg musste 2005 das Krankenhaus in Jüterbog aufgegeben werden. Eine adäquate Weiternutzung dieses Hauses wurde bisher allerdings erfolglos versucht.
In unmittelbarer Nachbarschaft entstand eine neue Anlage für betreutes Wohnen sowie eine Altenpflegeeinrichtung. Durch diese beiden neuen Werke der Genossenschaft sowie eine psychiatrische Tagesklinik (eine Außenstelle von Treuenbrietzen) konnte der Fortbestand des Johanniterstandortes Jüterbog gesichert werden.
1990 übertrug der damalige Herrenmeister Prinz Wilhelm-Karl von Preußen den Brandenburger Johannitern die Aufgabe, den Erhalt der ehemaligen Johanniterkirche im früheren Sonnenburg (heute Słonsk/Polen ) zu sichern. Daraus entstand ein beispielhaftes grenzübergreifendes Engagement der Brandenburgischen Genossenschaft für dieses Gotteshaus mit seiner 500-jährigen Johannitergeschichte. Die gelungenen Sanierungs- und Renovierungsmaßnahmen sind Ausdruck der guten partnerschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Polen und Deutschen.
Zu Beginn des 21. Jahrhunderts öffnete sich der Johanniterorden neuen Aufgaben im Schul- und Jugendbereich. Auch die Brandenburgische Genossenschaft suchte nach neuen Arbeitsfeldern und fand diese in Berlin durch die Mitarbeit im Jugendprojekt „Arche“, in Seelow durch die Zusammenarbeit mit dem örtlichen CVJM bei der Jugendarbeit in einem Doppel- Gelenk-Bus als mobiles Jugendzentrum und in Wriezen durch eine wesentliche Beteiligung bei der Gründung des „Evangelischen Johanniter-Gymnasiums“, das im Jahre 2007 seine Arbeit aufgenommen hat. Die Johanniter-Hilfsgemeinschaften Berlin und Potsdam unterstützen zwei evangelische Grundschulen im Lande. Eine besondere Form der Freizeitgestaltung mit Kindern stellen die Einkehrtage der Genossenschaft auf der Johanniterburg Kühndorf dar.
Die Rittertage der Brandenburgischen Provinzial-Genossenschaft werden seit der Wiedervereinigung jährlich in wechselnden Städten Brandenburgs durchgeführt. Auf jedem Rittertag erschallt der alte Ruf „Hie gut Brandenburg – allewege!“.