Mit der zweiten Chance zum Abschluss

Im Haus der Lebenschance wird mehr als nur Schulwissen vermittelt. Bild: eva Evangelische Gesellschaft Stuttgart e.V.

Das Haus der Lebens­chance in Stuttgart bietet jungen Menschen zwischen 17 und 27 ohne Schulabschluss eine zweite Chance, einen Hauptschulabschluss zu erlangen.

„Am Anfang war es gar nicht so leicht, meine Ordensbrüder von diesem Vorhaben zu überzeu­gen“, berichtet Curt-Ekkehard Freiherr Schenck zu Schweinsberg aus der Zeit, in der die Idee für das Haus der Lebenschance (HdL) gemeinsam mit der Evangelischen Gesellschaft (eva) als starkem Part­ner entwickelt wurde. Da waren durchaus Zwei­fel, ob ein solches Projekt erfolgreich sein könne. „Damals hatten wir uns zum Ziel gesetzt, dass mindestens 50 Prozent der jungen Erwachsenen ihre Prüfung schaffen“, so Baron Schenck. Das war 2010. Heute ist das HdL ein Erfolgsmodell: 80 Pro­zent eines Jahrgangs holen auf diesem Weg ihren Hauptschulabschluss nach und werden ins Berufs­leben begleitet. „Und fast noch wichtiger als das Schulwissen: Sie erhalten in dem Ausbildungsjahr Angebote, die sie für ihr privates und berufliches Leben fit machen und ihre soziale Kompetenz stärken“, erklärt Baron Schenck.

Auf Augenhöhe voneinander lernen

Was waren die Erfolgsfaktoren? Ein ganz wich­tiger Aspekt ist im Haus der Lebenschance die Freiwilligkeit. Alle Interessierten absolvieren ein Vorstellungsgespräch, in dem sie ihre Eigenmoti­vation darstellen. „Es gibt beidseitig eine Probe­zeit. Die Jugendlichen können sich also überlegen, ob sie die Herausforderung anpacken möchten. Außerdem wird eine Vereinbarung darüber ab­geschlossen, was wir erwarten. Drogen sind bei­spielsweise ein Ausschlusskriterium“, erklärt der Baron. Die Ausbildung ist kostenlos, im Gegenteil: Ein Taschengeld in Höhe von 100 Euro im Monat ist enthalten. Zehn bis 14 junge Menschen werden pro Jahr zugelassen.

Ich habe mich für das HdL entschieden, damit ich den Hauptschulabschluss schaffe. Man hat hier gute und viele Ansprechpartner, von denen man immer Hilfe bekommt, wenn man ein Problem hat, auch wenn es nichts mit dem Unterricht zu tun hat. Tanja, 19 Jahre

Außerdem steht seit Beginn viel Austausch und gegenseitiges Kennenlernen auf dem Programm: ob beim Grillabend, der Weihnachtsfeier oder im Rahmen des Patenprogramms, das die Jugend­lichen auf freiwilliger Basis in Anspruch nehmen können. „Natürlich haben wir Paten aus dem Johanniterorden - oftmals Ärzte, Juristen, Ingenieure, viele in Führungspositionen und jetzt im Ruhestand – uns gefragt, ob wir die Richtigen sind, um den jungen Leuten bei ihren Sorgen und Nöten zu helfen“, sagt Baron Schenck, selbst studierter Betriebswirt und Agraringenieur. Unterstützung gab es bei dieser Frage von den zwei hauptamtlichen Sozialpädagoginnen, die für das schulische und Freizeitangebot sorgen: „Das Wichtigste: nicht schulmeisterlich dozieren, son­dern einen Austausch auf Augenhöhe schaffen.“

Montags bis freitags kommen die jungen Frauen und Männer von 9 bis 16 Uhr in das Gebäude auf einer Anhöhe oberhalb Stuttgarts. Neben dem Unterricht durch Honorarkräfte erwarten sie viele Projekte, in denen sie sich ausprobieren können: Fotoseminare, Yoga, Klettern, Malkurse, Theater­besuche und vieles mehr. „Die feste Tagesstruk­tur gibt den Jugendlichen Halt“, erläutert Baron Schenck.

Paten erleichtern den Einstieg ins Berufsleben

Die Paten aus dem Johanniterorden und auch eine Mitarbeiterin der eva begleiten die jungen Men­schen beim Übergang in das Berufsleben. Sie hel­fen bei Bewerbungen oder der Vorbereitung auf Vorstellungsgespräche – und lernen dabei auch selbst vieles. Denn die Palette reicht beispielweise vom Möbelschreiner bis hin zum Verkäufer von Herrenoberbekleidung. Sie vermitteln Kontakte aus dem eigenen Netzwerk und stehen den jungen Leuten auch sonst mit Rat und Tat zur Seite.

„Einige der Teilnehmer setzen ihre Schulausbil­dung fort und machen die Mittlere Reife“, so der Initiator. Seit 2010 haben knapp 100 junge Men­schen ihren Schulabschluss nachgeholt. „Es freut mich wirklich sehr, dass wir als Johanniterorden dazu einen Beitrag leisten können.“

Im HdL ist alles anders als in einer normalen Schule. Es gibt z. B. jeden Tag ein gemeinsames Frühstück und Mittagessen. Man kann flexibel Pausen machen, wenn man eine Pause braucht. Das ist nicht so streng wie an einer normalen Schule. Rami, 20 Jahre

Kurz & knapp:

  • Das Haus der Lebenschance ist ein gemein­sames Projekt der Evangelischen Gesell­schaft (eva)  und der Baden-Württembergi­schen Kommende des Johanniterordens. Die operative Sozialarbeit übernimmt die eva, der Johanniterorden stellt die ehrenamtli­chen Paten.
  • Es wurde 2010 gegründet und bietet jungen Menschen ohne Schulabschluss die Möglich­keit, einen Hauptschulabschluss nachzuho­len.
  • Inzwischen haben knapp 100 Menschen im Haus der Lebenschance erfolgreich die Hauptschule abgeschlossen.
  • Neben der Johanniter-Stiftung ist die Lan­deshauptstadt Stuttgart ein weiterer Förde­rer.

hdl-stuttgart.de

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