Johanniter - Ausgabe 1/2024 - Hausnotruf

Auf alle Fälle richtig verbunden.

Der Hausnotruf der Johanniter ist ein praktischer Helfer für den Notfall. Doch was passiert eigentlich, wenn der rote Knopf am Handgelenk oder an der Halskette gedrückt wird? Wir waren zu Gast in der Berliner Hausnotrufzentrale.

Wenn auf dem Monitor von Nicole Höbbel ein neuer Notruf aufblinkt, dann weiß die Johanniterin nie, was sie erwartet. Doch ein schneller Klick auf die Kundendaten und schon kann sie die wichtigsten Informationen ihrer Hausnotrufkundin lesen. „Weiblich, 82 Jahre, hatte schon einmal einen Herzinfarkt – hier ist wahrscheinlich Eile geboten“, fasst sie knapp zusammen. Sofort konzentriert sie sich auf den Anruf und spricht laut und deutlich in ihr Headset: „Hallo Frau K., hier sind die Johanniter, der Hausnotruf. Ist bei Ihnen alles in Ordnung?“

Druck auf der Brust

Die 82-Jährige aus Berlin-Marzahn antwortet gepresst. Ihre Luftnot ist hörbar. Sie erzählt von einem Druck auf der Brust, schon seit drei Tagen. Sie hatte gehofft, dass es wieder weggeht. Ist es aber nicht. Für Nicole Höbbel ist klar: Verdacht auf erneuten Herzinfarkt, hier muss sie den Rettungsdienst rausschicken. Vorher klärt sie noch ab, ob die Patientin allein ist. In dieser Verfassung wäre das nicht ungefährlich, ihr Zustand könnte sich verschlimmern und es ist nicht sicher, dass die Seniorin dem Rettungsdienst die Tür selbst öffnen kann. Doch eine Betreuungsperson ist vor Ort. Sofort alarmiert Nicole Höbbel die zuständige Rettungsleitstelle, gibt die wichtigsten Daten der Patientin und ihre Lageeinschätzung durch. „Das ist auch für die Einsatzkräfte wichtig – so können sie sich auf die Situation vorbereiten und wissen auch, wie sie sich Zugang zur Wohnung verschaffen können.“ Denn sonst muss zur Rettung auch eine Tür extern geöffnet werden. 7.000 Kunden des Hausnotrufs haben dafür allein in Berlin ihren Schlüssel hinterlegt. Im schlimmsten Falle muss allerdings die Feuerwehr dazu gerufen und die Tür aufgebrochen wer- den. Nach dem Gespräch mit der Leitstelle schaltet sich Nicole Höbbel nochmals in die Wohnung der Hausnotrufkundin. Sie informiert, dass die Kollegen unterwegs sind, und bittet die Seniorin, sich erneut zu melden, wenn sich ihr Zustand verschlim- mert oder der Rettungswagen auf sich warten lässt. Und sie beruhigt die Patien- tin, wünscht ihr baldige Genesung.

Die Menschen kontaktieren uns in ihrer Einsamkeit. Und auch dann sind wir für sie da.
Nicole Höbbel

Rund um die Uhr ansprechbar

Freundlichkeit, lautes, deutliches Sprechen und Ruhe bewahren – diesen Anspruch hat Nicole Höbbel, selbst gelernte Rettungsassistentin und seit 2016 Leiterin der Johanniter Hausnotrufzentrale in Berlin-Lichterfelde an alle ihre 43 Kolleginnen und Kollegen. Rund um die Uhr kommen hier Anrufe der mehr als 35.000 Hausnotruf-kunden aus Berlin, Brandenburg, Sachsen und Teilen Sachsen-Anhalts an.

Nicht immer sind die eingehenden Anrufe Notfälle wie der Anruf der 82-Jährigen aus Marzahn. „Die meisten Anrufe sind Fehlalarme, weniger eilige Fälle, Urlaubsanmeldungen oder -abmeldungen oder auch ein Testanruf.“ Kaum ausgesprochen, klingelt es erneut im System – ein Techniker hat ein neues Gerät im vogtländischen Reichenbach installiert und geht nun gemeinsam mit der neuen Kundin durch die Wohnung. „Jetzt sind wir im Schlafzimmer, können Sie uns hören?“, dringt es zu Frau Höbbel und sie bestätigt: „Ich kann Sie gut hören!“ Diese Testanrufe verfolgen gleich mehrere Zwecke: „Zum einen prüfen wir so die Geräte und Verbindung. Gleichzeitig zeigen wir der Kundin, dass sie tatsächlich aus jedem Zimmer den Notknopf am Handgelenk auslösen und uns dann auch verstehen kann“, erklärt die 43-jährige Johanniterin.

Doch auch die Fehlalarme, die sich oft rund um die Feiertage häufen, sind keines- falls ein unerwünschter Arbeitsaufwand. „Auch wenn hier nicht Gefahr in Verzug ist – die Menschen kontaktieren uns in ihrer Einsamkeit. Und auch dann sind wir für sie da.“ Niemand sei böse, wenn ein Kunde mal ungewollt oder unnötig den Alarmknopf betätigt. Tatsächlich passiert das gerade bei den Hand-Sendern sogar häufiger, als man denkt. Nicole Höbbel sieht das pragmatisch: „So haben wir dann auch gleich einen Funktionstest und es ist uns allemal lieber so, als wenn die Kunden das Armband nicht tragen.“ Wie etwa eine Kundin, die aus Scham ihr Notrufarmband immer in der Keksdose versteckte und es dann aber auch nicht mehr fand. So beruhigt sie dann die Seniorin aus der Niederlausitz am Telefon, die ganz aufgelöst davon berichtet, dass ihr Handsender verschwunden ist. Furchtbar peinlich sei
es ihr – aber auch stundenlanges Suchen hat das Gerät nicht mehr zurückgebracht. Nicole Höbbel bleibt ruhig und entspannt, fragt noch ein paar Optionen ab, bis sie sich entschließt: „Keine Sorge, wir schicken Ihnen ein neues Armband!“

Informationen gut verteilt

Nicht immer sind die Gespräche so einfach. Nicole Höbbel weiß von Fällen häuslicher Gewalt zu berichten, von Anrufen geistig verwirrter Patienten, wo es viel Einfühlungsvermögen braucht, um die Situation zu verstehen und sie zu lösen. So ist die Hausnotrufzentrale nicht nur eine Notruf-Hotline, sondern Sozialberatung und Schaltzentrale für weitere Johanniter-Dienste. „Wir erfahren hier viel Privates und können dadurch auch die Kolleginnen und Kollegen vor Ort informieren, wo und welchen Handlungsbedarf es gibt.“ Ob Beratung zum Pflegegrad, eventuell notwendige Abklärung durch Ärzte oder auch die Vermittlung von Sozialarbeitern – all das nimmt nicht selten hier seinen Lauf.

Außerdem hat die Zentrale für alle Kunden eine Art digitale Krankenakte, kann also auf den ersten Blick erkennen, welche Vorerkrankungen bekannt sind, wie alt jemand

ist und welche Einsätze schon nötig gewesen sind. „Damit sind wir sehr viel genauer bei der Alarmierung des Rettungsdienstes als die allgemeine Notfallnummer, die diese Daten nicht hat“, erklärt Nicole Höbbel. Das reduziert auf der einen Seite nicht notwendige Einsätze und bereitet auf der anderen Seite den Rettungsdienst auf die Situation vor Ort besser vor.

Erneut ein Anruf bei Nicole Höbbel – aus einer Einrichtung für betreutes Wohnen in Leipzig. Auch dort bekommen die Bewohner auf Wunsch einen Hausnotruf. „Hallo Frau R., hier sind die Johanniter, der Hausnotruf. Ist bei Ihnen alles in Ordnung?“, spricht die Johanniterin laut und deutlich ins Wohnzimmer der Bewohnerin. Doch keine Antwort. Stattdessen ertönt laute Musik. Nicole Höbbel wiederholt ihre Ansprache und als es wieder keine Antwort gibt, schaltet sie den Anruf leise. „Wahrscheinlich wieder aus Versehen auf den Knopf gekommen“, sagt sie lächelnd. „Aber ich rufe zur Sicherheit mal die Betreuerin im Haus an, damit diese nachschaut.“

Die Arbeit in der Johanniter-Hausnotrufzentrale macht der 43-Jährigen, die nach einer Kaufmannslehre und Rettungsdienst-Ausbildung im Hausnotruf gelandet ist, sichtlich Freude. „Wir kommen den Menschen hier sehr nahe – auch wenn wir sie nicht sehen. Und wir können fast immer helfen. Das ist ein schönes Gefühl.“ Und schon klingelt ihr Telefon erneut ... /Peter Altmann

Rund um die Uhr

Neben der Zentrale in Berlin sind die Johanniter auch in Altenburg, Essen, Elsfleth, Hamburg, Linden bei Gießen und Regensburg für ihre Kunden da.

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