Bevölkerungsschutz
Gemeinsam krisenfest
Im Ernstfall muss die Hilfe durch den Bevölkerungsschutz schnell, flexibel und professionell erfolgen. Dafür muss er weiterentwickelt und gestärkt werden. Mit mehr als 620 Einheiten bundesweit und einem starken ehrenamtlichen Rückhalt sind die Johanniter schon heute ein verlässlicher Akteur im Zivil- und Katastrophenschutz. Damit das auch in Zukunft so bleibt, setzen wir uns für die Schaffung moderner gesetzlicher Rahmenbedingungen, eine langfristig gesicherte Finanzierung und die intensivere Verzahnung von staatlichen Akteuren, Hilfsorganisationen und Partnern im In- und Ausland ein. Ein wichtiges Thema für uns ist Resilienz: Intern führen wir zur Stärkung Schulungen durch, schaffen verlässliche Krisenmanagementstrukturen und stärken das Ehrenamt. Extern liegt unser Fokus auf der Sensibilisierung der Bevölkerung, der Bereitstellung von Mitteln zur Selbsthilfe und dem Ausbau von Wissen und Fähigkeiten. Konkret setzen wir auf das Schulungsprogramm „Erste Hilfe mit Selbstschutzinhalten“, um die Resilienz der Bevölkerung in Katastrophen nachhaltig zu stärken. Denn nur, wenn wir gemeinsam handeln, erreichen wir unser Ziel: Eine Bevölkerung, deren Widerstandsfähigkeit auf Kompetenz, Teamarbeit und gesellschaftlichem Zusammenhalt beruht.
Die Anforderungen an den Bevölkerungsschutz steigen deutlich – sowohl aufgrund der durch den Klimawandel bedingten Zunahme an Naturkatastrophen als auch aufgrund der geopolitischen Lage.
Vorreiter beim Katastrophenschutz
Akkon Heidenau
Klima, Kriege, Katastrophen – wie können wir als Gesellschaft Vorsorge treffen und resilienter werden? Das Johanniter-Einsatzzentrum „AKKON Heidenau“ hält alles vor, was für den Bevölkerungsschutz notwendig ist, wenn es zu einer Katastrophe kommt. Ein Konzept, das bundesweit neue Maßstäbe setzt.
Was passiert, wenn ein Hackerangriff die Stromversorgung lahmlegt? Wenn ein Tornado die Region verwüstet oder eine neue Pandemie ausbricht? Und wie bleiben die Johanniter in einer solchen Situation einsatzfähig? Diese Fragen hat sich der Johanniter-Regionalverband Dresden 2018 gestellt. „Wir haben alle Varianten bedacht und auch externen Rat gesucht“, erinnert sich der damalige Regional- und heutige Landesvorstand, Carsten Herde.
Alle Leistungsbereiche unter einem Dach
So wurde die Idee für das Katastrophenschutzzentrum „AKKON“ geboren. Ein autarkes Einsatzzentrum, das Technik, Know-how und Personal bündelt und im Ernstfall optimal mit allen Beteiligten in der Region verzahnt ist. Ein Notstromaggregat und die Photovoltaikanlage auf dem Dach sichern die eigene Stromversorgung. Es gibt eine Küche, einen Notbrunnen und eine Abwasserzisterne. Im Katastrophenfall können hier rund 200 Menschen für mehrere Tage versorgt werden. Außerdem lagert im AKKON alles, was man braucht, um im Fall einer Evakuierung Notunterkünfte für bis zu 1.000 Menschen etwa in Turnhallen oder Schulen einzurichten.
Nicht nur in Notlagen vielseitig nutzbar
Geplant als Notunterkunft, Lage-, Krisen- und Informationszentrum, wurde das AKKON in der Coronazeit aber auch schon als Testzentrum und Logistik-Hub für medizinische Schutzausrüstung genutzt. Das Team der psychosozialen Notfallversorgung hat hier eine ganze Schulklasse nach einem Unfall betreut. Und es diente als Transitquartier für ukrainische Flüchtlinge sowie als Logistiklager für Hilfstransporte in die Ukraine.
Wenn gerade keine Notlage herrscht, beherbergt das Gebäude Johanniter-Einheiten für den Katastrophen- und Zivilschutz. Auch die Einsatzfahrzeuge sind zentral vor Ort geparkt. Außerdem findet hier die Aus- und Weiterbildung von Ehrenamtlichen statt.
Stresstest geglückt
Aber ist auf das AKKON auch bei Großschadensereignissen Verlass? Klappen die Abläufe und spielt die Technik mit? Im August 2024 fand der erste große Stresstest statt. Die Aufregung im Vorfeld war groß, doch nach 24 Stunden stand fest: AKKON hält, was es verspricht. „Wir waren positiv überrascht, wie glatt alles gelaufen ist“, freut sich Udo Hornhauer, Teamleiter Praxisanleiter und Ausbildungsbeauftragter im Hauptamt sowie Einheitsführer des Betreuungsplatzes im Ehrenamt.
Weitere Investitionen in den Katastrophenschutz
Mit dem autarken Zentrum AKKON Heidenau sind die Johanniter bundesweit Vorreiter. Doch darauf ruht sich der Regionalverband nicht aus. Im Juli 2024 war Spatenstich für die Erweiterung des Zentrums. AKKON II bietet Platz für sechs Einsatzfahrzeuge, Verwaltungs- und Schulungsräume, Umkleiden und Sanitäranlagen. Insgesamt investieren die Johanniter zwei Millionen Euro in das Projekt, unterstützt durch 640.000 Euro Fördermittel des Freistaats Sachsen. Im Mai 2025 wurde Richtfest gefeiert, Ende des Jahres soll alles fertig sein. Und die Johanniter planen noch weiter in die Zukunft: Ein Notfallzentrum wird auch im Erzgebirge entstehen, die Vorbereitungen laufen schon, und zwei weitere Projekte sind in Leipzig und im Landkreis Meißen geplant.
Die Last des Erlebten nicht alleine tragen
Psychosoziale Notfallversorgung
Am Hamburger Bahnhof sticht eine Frau wahllos auf Wartende ein, 18 Menschen werden zum Teil schwer verletzt. Gewalttaten wie diese sind für Betroffene wie für Einsatzkräfte ungeheuer belastend. Die Psychosoziale Notfallversorgung (PSNV) der Johanniter unterstützt Opfer und Helfende, damit sie das Erlebte gut verarbeiten können.
Wenn Unfälle, Anschläge oder Katastrophen passieren, sind die Einsatzkräfte der Johanniter schnell zur Stelle – genauso wie bei täglichen Notfällen. Ihnen begegnet das Leid in vielen Formen. Damit weder die Opfer noch die Helfenden die Last des Erlebten ganz allein tragen müssen, stehen ihnen geschulte Fachkräfte der Johanniter zur Seite
Auch wer hilft, braucht manchmal Hilfe
Die ehrenamtliche Rettungssanitäterin Nancy Kestler hat selbst erlebt, wie wichtig diese Unterstützung ist. Ein junger Nachbar klingelt Sturm an ihrer Wohnungstür. Seine 14-jährige Schwester, die nur eine Etage höher wohnt, liegt leblos am Boden und atmet nicht mehr. Ihre Mutter kniet verzweifelt neben ihr. Nancy Kestler beginnt sofort mit der Reanimation. Sie gibt ihr Bestes, um das junge Herz wieder zum Schlagen zu bringen.
Als der Rettungsdienst der Johanniter eintrifft, übernehmen die Kollegen. Doch die Reanimation gelingt nicht. „Für einen solchen Augenblick gibt es kaum Worte. Er ist traumatisch für alle Beteiligten“, sagt sie. Hauptberuflich ist Nancy Kestler Referentin bei den Johannitern. „Das Erlebnis hat mich sehr beschäftigt“, erinnert sie sich. „Deshalb war ich froh, als zwei Stunden später ein Kollege der Psychosozialen Notfallversorgung bei mir anrief und mich fragte, wie es mir geht.“
Die PSNV ist ein Einsatzgebiet der Johanniter, das rein ehrenamtlich besetzt ist. Erfahrene und geschulte Kräfte leisten Zeugen, Überlebenden und Angehörigen, aber auch den Einsatzkräften selbst Beistand. Sie fangen die Betroffenen auf und helfen ihnen, das belastende Erlebnis gut zu verarbeiten.
„Für mich war es unglaublich wertvoll, mit jemand Erfahrenem über meine Gedanken und Gefühle reden zu können, die ich im Moment des Geschehens und danach hatte. Ich habe mich sehr aufgehoben gefühlt“, erinnert sich Nancy Kestler.
Das Zugunglück von Eschede war eine Zäsur
Die heutige Psychosoziale Notfallversorgung wurde nach dem Zugunglück von Eschede vor über 25 Jahren entwickelt. Die Katastrophe machte in Deutschland erstmals in großem Rahmen eine systematische Notfallseelsorge und Einsatznachbetreuung nötig. Heute ist beides fester Bestandteil des professionellen Einsatzmanagements bei den Johannitern. Dazu gehört auch, dass der Umgang mit traumatischen Erlebnissen bereits in der Grundausbildung für den Bevölkerungsschutz und den Rettungsdienst an den Johanniter-Akademien vermittelt wird.
Früher war es nicht die Regel, dass geschulte Fachkräfte proaktiv auf Menschen zugehen, die Leid hautnah miterlebt haben. „Ich selbst hätte mich wahrscheinlich erst gemeldet, wenn der Druck zu groß geworden wäre. Vielleicht aber auch gar nicht“, vermutet Nancy Kestler. Umso wichtiger ist es, dass die Johanniter in den vergangenen Jahren diese festen Strukturen und Abläufe geschaffen haben. „Es war großartig zu erleben, wie gut das funktioniert.“